Klimaschutz: Umweltbürgermeister will Kritiker ins Boot holen
Vergangenen Donnerstag haben sich mehrere Umweltinitiativen und Parteien mit einem Offenen Brief an Umweltbürgermeister Ludwig Artinger gewandt. Der begrüßt das Engagement trotz der teils deutlichen Kritik, sieht die Stadt aber bereits auf einem guten Weg.
„Das Schneckentempo bei der Klimapolitik muss der Vergangenheit angehören.“ Umweltbürgermeister Ludwig Artinger und die mittlerweile 28 Unterzeichner eines Offenen Briefes scheinen sich in vielen Punkten einig zu sein. Die konkreten Forderungen des Briefes jedenfalls könne er mitgehen, sagt der Freie Wähler. „Ja, wir müssen Gas geben“, erklärt Artinger am Telefon. Verstecken brauche sich Regensburg aber nicht. Einiges sei bereits auf den Weg gebracht worden. „Und wir haben noch ganz viel vor.“
Am vergangenen Donnerstag veröffentlichten mehrere Regensburger Initiativen, ÖDP, Grüne, Linkspartei und Gruppen der Fridays-for-Future-Bewegung einen Offenen Brief. Darin üben die Verfasser deutliche Kritik am Klimakurs der Stadtregierung. Die Politik sitze einem Widerspruch auf, heißt es unter anderem. Konkret geht es um das am 20. April gestartete Projekt „Green Deal Regensburg“. Das soll den Rahmen für künftige Klimaschutzaktivitäten bilden und sieht eine 60-prozentige Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2030 vor. „Gleichzeitig wird (im Koalitionsvertrag; Anm. d. Red.) das Ziel genannt, gesamtstädtische Klimaneutralität bis 2035 realisieren zu wollen“, so die Unterzeichner des Offenen Briefs.
Das 1,5 Grad-Ziel als Richtwert
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Beide Zahlen würden laut Studien nicht zusammenpassen. Das 60 Prozent-Ziel für 2030 sei zudem „unzureichend“, um das Pariser Klimaabkommen einhalten zu können. Das darin formulierte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erklärte das Bundesverfassungsgericht am 29. April für verfassungsrechtlich verbindlich. Auch Regensburg müsse deshalb seine „CO2-Reduktionsanstrengungen deutlich ausweiten“, so die Verfasser des Briefes.
Auch damit scheint Artinger durchaus d’accord zu sein. „Wenn nun Bundestag und Bundesrat nachgeschärft haben, dann werden wir natürlich auch wieder eine Vorlage machen und schauen, ob wir da nochmal nachschärfen und noch ehrgeiziger werden müssen“, sagt er Das mache man „dann auch gerne“, sagt der Jurist. Die Einschränkung: Am Ende müssten die Maßnahmen aber immer finanzierbar sein. Nach einem Jahr Koalitionsarbeit könne zudem noch nicht alles realisiert werden, was man sich „als ehrgeiziges Ziel“ in der Koalitionsvereinbarung vorgenommen habe.
Viele Forderungen seien bereits auf der Agenda
Ansonsten verweist der Bürgermeister auf das, was bereits getan worden sei. Ende 2019 habe der Stadtrat die Forderungen des Radentscheids übernommen. Artinger kündigt für die „kommenden Monate“ ein wichtiges Gutachten zur Entwicklung von neuen Hauptradrouten an. Der rasche Ausbau des Radwegenetzes ist eine von sechs zentralen Forderungen des Offenen Briefes.
Die geforderte „100-prozentige Umrüstung der Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Einrichtungen auf LED-Technik“ stehe bereits auf der Agenda, so Artinger. Ebenso die Elektrifizierung der Busflotte sowie der Ausbau der Solarenergie im Stadtgebiet. Vor einigen Wochen habe die Stadt eine Zero-Waste-Strategie zur Müllvermeidung vorgestellt. Im Juli soll ein Aktionsplan Energie und Klima folgen. „Sämtliche Immobilien wurden darauf überprüft wie hier geheizt wird“, erklärt Artinger. Der Aktionsplan solle dann Wege aufzeigen, wie fossile Wärmeträger ersetzt werden können. Auch hier sei man also bereits an einer Forderung der Initiativen dran.
Ordentlich aufs Tempo drücken müssen wird die Stadt beim Ausbau von Photovoltaikanlagen, um der entsprechenden Forderung in dem Offenen Brief gerecht zu werden. Harald Klimenta, ein Mitunterzeichner, hat das bisherige in einem Interview mit unserer Redaktion (hier nachzulesen) als nicht akzeptabel bezeichnet und mehrere Verbesserungsvorschläge gemacht.
Doch auch hier sieht Artinger Regensburg auf einem guten Weg. Die Nutzung von PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden werde mittlerweile bei jedem Neubau mitgedacht. „Bei Privaten fördern wir das zudem und stehen beratend zur Seite.“ Auch das Solarkataster sei ein wichtiger Schritt gewesen, um das Potential der Solarenergie im Stadtgebiet zu kennen.
Grüne kritisieren Vorgehen beim Klimavorbehalt
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Den von Artinger ebenfalls erwähnten Klimavorbehalt lassen die Grünen derzeit von der Regierung der Oberpfalz rechtsaufsichtlich prüfen. Der 2019 im Umweltausschuss einstimmig beschlossene Klimavorbehalt sieht vor, dass zukünftig alle städtischen Beschlüsse einer Prüfung auf Klimarelevanz unterzogen werden. Umgesetzt wurde dies allerdings nicht über einen neuerlichen Beschluss im Stadtrat, sondern als Dienstanweisung innerhalb der Verwaltung. Begründung: Der Stadtrat sei hierfür nicht zuständig, es handle sich um laufendes Geschäft der Verwaltung.
Die Prüfung sei für die Grünen deshalb nötig, weil es sich um eine „Angelegenheit von öffentlichem Interesse für die Stadt und ihre Bürger*innen und nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung”, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anna Hopfe in einer Mitteilung vom Montag. Fraktionschefin Maria Simon spricht angesichts der verwaltungsinternen Dienstanweisung von einem „nicht-öffentlichen Prüfschema, das gerade für Außenstehende schwer nachvollziehbar und der Regensburger Bevölkerung kaum bekannt ist“. Diese Art der Umsetzung sei „sehr unglücklich”, so Hopfe.
Artinger spricht von unterschiedlichen Rechtsauffassungen, die es da wohl gebe, verweist aber darauf, dass er besagte Dienstanweisung in einer Umweltausschusssitzung Ende Februar außerhalb der Tagesordnung thematisiert und das Dokument auch an die Stadträtinnen und Stadträte verteilt habe. „In einer Beschlussvorlage für den Stadtrat wäre genau dasselbe drin gestanden.“ Nicht öffentlich sei das ganze „selbstverständlich nicht“. Das 21seitige PDF schickt der Bürgermeister an unsere Redaktion. Eine Veröffentlichung sei kein Problem.
„Ehrgeiziger und kostspieliger Weg“
Insgesamt gibt sich der Umweltbürgermeister gegenüber den Forderungen und der Kritik, die in dem Offenen Brief geäußert wird, aufgeschlossen. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger und deren Rückhalt bei den kommenden Aufgaben seien wichtig. „Wir brauchen die gesamte Stadtgesellschaft.“ Nur dann könne der „ehrgeizige und kostspielige Weg“ auch gelingen.
Die Bevölkerung mehr mitnehmen und einen gemeinsamen Kurs von Politik und Bürgerschaft entwickeln, das ist auch der Wunsch am Freitag vor dem Alten Rathaus. Dort haben die Parents und Omas for Future zur ihrer mittlerweile wöchentlichen Klimamahnwache geladen. Auch Anna Hopfe und Maria Simon sowie Harald Klimenta sind vor Ort. Die etwa 15 Anwesenden diskutieren über den Brief und das weitere Vorgehen. Der Druck müsse nun aufrecht erhalten werden, so die einhellige Meinung unter den Anwesenden. „Wir würden uns freuen, wenn der Umweltbürgermeister mit uns in die Diskussion treten würde.“ Artinger scheint dazu bereit zu sein.
Julian86
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Alle zusammen – Quartier West zu den Wirtschaftsveranstaltungen der Nachhaltigkeitswoche hinzunehmen!
Nachhaltigkeit wird nur funktionieren, wenn alle mittun, vor allem die Wirtschaft, den Fortschrittlichen sollte man mehr aktive Teilnahme (nicht nur “mitnehmen”, das klingt so altbacken und patriarchisch) und einen Vertrauensvorschuss seitens der Verwaltung einräumen. Denn dadurch werden beiden Seiten ge- und bestärkt.
Natürlich tut sich der Jurist Umwelt-BM nun, mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Rücken leichter. Und er wird auch bei DER Wirtschaft und der C-SU nicht mehr auf arg viel Widerstand stoßen, steht doch die Schöpfung im Fokus. Denn dort hat man nun endlich den Ernst der Lage erkannt, auch und gerade vier Monate vor der Wahl, den Zuspruch für die Grünen vor Augen.
Ich komme gerade aus der Stadt. Und bin über eine Säule “gestolpert”. Der Druckereibesitzer und Verleger Ernst Theodor Amandus Litfaß WIRKT (Leitspruch auch der PdL) bis heute. (Wann gründet der hiesige Großverleger eine Nachhaltigkeits-Stiftung, die das Neighbourhood-Planning á la US-Vorbild fördert?).
So konnte ich von einer seiner tausenden Litfaßsäulen ablesen, dass die Stadtverwaltung, beide Unis und Dutzende von Unternehmen und Organisationen der Ziviligesellschaft eine beeindruckende NACHHALTIGKEITS-WOCHE durchführen, die am 31.5.2021 startet.
Dort ist auch die Wirtschaft ein großes Thema. Der “Kristallisationspunkt Quartier West” fehlt noch. Wann wird insoweit nachgebessert, Herr Umwelt-BM?
https://regensburger-nachhaltigkeitswoche.org/
Die Veranstaltungen der Wirtschaft finden sich, wenn man das ´Vollständige Programm` anklickt. Quartier West sollte hinzugenommen werden.
Christa
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Wir haben einen Umweltbürgermeister? Seit wann denn das?
Roche-Dirac
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Es lohnt sich nicht am Umweltbügermeister Ludwig Artinger abzuarbeiten. Er wird nach seiner Amtszeit in Rente gehen, genau wie Maltz-Schwarzfischer.
Schauen wir uns doch mal die Geburtsdaten der Mitglieder die Grauen Koalition an. Etliche der Leute von CSU, SPD, FW, FDP, etc. sind bei der nächsten Kommunalwahl 2026 um die 60 oder klar drüber. Diese Koalition der Grauen besteht zu einem guten Teil aus grauen Hamstern.
Das sind Vertreter der Baby-Boomer, das ist nicht die Zukunft. Die werden wir ab 2026 nicht mehr sehen. Meine Prognose.
Diese grauen Hamster wurden von ihrem Denken her durch die 70er und 80er Jahre geprägt. Damals gab es noch kein Hartz IV, kein Atommüllendlagerproblem, keine Klimaerwärmung, keine internationalen Flüchtlingsbewegungen, usw.
Ich bin neugierig was da bei CSU, SPD, FW, FDP, etc. nachwächst. Ob da überhaupt was nachwächst ….
Julian86
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@Roche-Dirac
Nein, es geht nicht darum, sich am BM Artinger “abzuarbeiten”. Es geht darum, dass die Zivilgesellschaft den Druck erhöht. Denn alle Veränderung kommt bekanntlich von unten.
Aktuell: Die Arktis erwärmt sich dreimal schneller als der Rest des Planeten. Den Folgen kann sich niemand entziehen – meldet
https://arctic-council.org/en/news/life-in-one-of-the-fastest-warming-places-on-earth/
Ebenso DIE ZEIT