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Landtagswahl 2023

(K)eine Überraschung bei Kandidatenkür der Grünen

Die Regensburger Grünen setzen im Landtagswahlkampf auf Jürgen Mistol und das Direktmandat für Regensburg. Eine Überraschung gibt es beim Bezirkstag.

Wiebke Richter will sich im Bezirkstag künftig für mehr Inklusion einsetzen. Jürgen Mistol hofft in Regensburg auf das Direktmandat. Foto: Bothner

„Der Stadt würde es gut tun, wenn sie ein direkt gewählter Grüner im Landtag vertritt.“ Sieben Minuten hat Jürgen Mistol Freitagabend im Spitalkeller für seine Vorstellungsrede Zeit. Aber wirklich vorstellen muss er sich eigentlich nicht. Seit neun Jahren sitzt Mistol bereits im bayerischen Landtag, seit 26 im Stadtrat. Im Kreisverband bestimmt er seit vielen Jahren die Geschicke der Regensburger Grünen entscheidend mit und gilt lagerübergreifend als respektiert und anerkannt.

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Der Gegner ist die CSU

Bei der Stadtratswahl 2020 begnügte er sich zugunsten der Jüngeren mit einem Platz im Mittelfeld, schaffte den Sprung trotzdem. Stefan Christoph wurde damals OB-Kandidat. Damit war der Generationenwechsel vollzogen, der sich 2015 noch in heftigen Auseinandersetzungen Bahn gebrochen hatte.

Anders als damals sind die Grünen zwar heute nicht Teil der Regierung in der Domstadt. Mit 21,7 Prozent aber mit Abstand stärkste Oppositionskraft. Im Bund ist die Partei bekanntlich Teil der Ampel. Alles in allem könnte es also schlechter laufen. Und das macht Hoffnung für die Landtagswahl 2023.

Jürgen Mistol wartet gespannt auf das Votum seiner Parteikollegen. 40 von 45 Grünen stimmen mit Ja ab. Foto: Bothner

Entsprechend angriffslustig gibt man sich bei der Nominierungsversammlung. Bei der Wahl zum neuen Vorstand des Regensburger Kreisverbandes sagte der wiedergewählte Sprecher Oliver Groth: Den allzu oft „grenzwertigen, populistischen Argumentationsmustern“ der CSU müsse der Wind genommen werden. „Die Union gehört in die politische Bedeutungslosigkeit.“

Söder wird „es mit der Wahrheit nicht ganz genau nehmen“

Auch Mistol nimmt die CSU ins Visier. Er spricht zwar zunächst ganz allgemein von „all dem Hass“, der hierzulande existiere und dem mit „Wahrheit und Liebe“ begegnet werden müsse. Sagt dann aber: „Wahrheit und Lüge werden uns auch im kommenden Wahlkampf begleiten.“ Markus Söder und seine Partei würden „nicht davor zurückschrecken, es mit der Wahrheit nicht ganz genau zu nehmen“. Während sich die CSU an den Grünen abarbeiten werde, prognostiziert Mistol, gelte es, mit grünen Inhalten zu überzeugen.

Hat bei der Nominierung als Direktkandidat für den Bezirkstag das Nachsehen: Stefan Christoph. Foto: Bothner

Das bedeute ein klares Nein zur Atomkraft, die „ja Teil des Problems ist“. Windkraft müsse konsequent ausgebaut und die 10H-Abstandsregel endlich abgeschafft werden. Während der Freistaat aktuell „Unmengen von Geld im schwarzen Loch der zweiten Stammstrecke der Münchener S-Bahn verschwinden“ lassen würde, fehle dieses an vielen anderen Stellen. Mistol fordert einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket in Bayern. „Wenn es die aktuelle Staatsregierung nicht gebacken bekommt, dann müssen wir ran.“

Die Stadtbahn bleibt das Regensburger Wunschprojekt

Beim Thema Wohnen, ein Steckenpferd des Landtagsabgeordneten, dürfe nicht länger den „Profitinteressen von wenigen“ nachgegeben werden. Alle Menschen in Bayern müssten sich passenden Wohnraum leisten können. Dafür brauche es möglichst viel öffentlich geförderten Wohnungsbau. Eine Forderung, die die bayerische Verfassung im Artikel 106 sogar explizit als Aufgabe der Landesregierung vorschreibe.

Für Regensburg hat Mistol die geplante, aber immer umstrittenere Stadtbahn auf seinem Wunschzettel. Die sei ein wichtiges Klimaschutzprojekt und damit ein Versprechen an die junge Generation. Um deren Zukunft gehe es bei der Klimapolitik. Daneben gelte es, Regensburg als weltoffene und integrative Stadt weiter zu gestalten. Das habe Regensburg stets stark gemacht. Nicht um Superlative verlegen spricht Mistol vom „Wahlkampf unseres Lebens“, der bevorstehe.

Das Direktmandat im Visier

Tatsächlich standen die Chancen für ein grünes Direktmandat in Regensburg wohl noch nie so gut. Auch außerhalb seiner eigenen Partei gilt er vielen als aussichtsreicher Kandidat.

Nachdem Franz Rieger für die CSU nicht mehr antreten wird und mit seinem Verhalten vor und nach der Verurteilung wegen Erpressung viel verbrannte Erde hinterlassen hat, ist derzeit noch völlig unklar, wer seine Nachfolge als Direktkandidat übernehmen wird. Und schon bei der letzten Wahl holte Rieger das Direktmandat nur knapp – dank der Stimmkreise im Landkreis.

Bei der SPD wurde die bisherige Landtagsabgeordnete Margit Wild nicht mehr gewählt und mit dem Wenzenbacher Bürgermeister Sebastian Koch ein nicht ganz so bekanntes Gesicht ins Rennen geschickt.

Wiebke Richter kandidiert für Bezirkstag

Neben Mistol als Direktkandidaten geben die Parteimitglieder Stadträtin Theresa Eberlein das Votum für einen der weiteren Plätze auf der Oberpfalzliste. Sie setzt in ihrer Rede das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und die Streichung des entsprechenden Paragrafen 218 in den Mittelpunkt und erklärt, sie wolle sich für eine bessere regionale medizinische Versorgung von Frauen einsetzen.

Die Kandidatinnen für Land- und Bezirkstag (v.l.): Stefan Christoph, Theresa Eberlein, Wiebke Richter, Jürgen Mistol. Foto: Bothner

Dem will sich auch Wiebke Richter annehmen. Die Diplompsychologin zog 2020 als erste Rollstuhlfahrerin in den Stadtrat ein. Nun will sie den Bezirkstag erobern. „Ich habe das Gefühl, dass ich schon immer eine Art Vorreiterrolle eingenommen habe“, sagte Richter Ende März 2020 gegenüber unserer Redaktion, wenige Tage nachdem sie in den Stadtrat gewählt wurde.

Auch bei der letzten Bundestagswahl stand Richter für die bayerischen Grünen auf der Wahlliste, schaffte den Einzug allerdings nicht. Nun soll es der Bezirk werden. Dort, wo „95 Prozent der Entscheidungen das Sozialwesen“ betreffen würden, will Richter als wieder als erste Rollstuhlfahrerin eine Vorreiterrolle einnehmen.

Fairer Verlierer nach deutlicher Niederlage

„Keine Sorge, Stefan und ich sprechen noch miteinander“, versichert Richter in ihrer kurzen Vorstellungsrede im Spitalgarten mit einem Grinsen. Stefan Christoph hatte bisher den Sitz im Bezirkstag inne.Auch er kandidiert am Freitag für das Direktmandat – und fährt eine deutliche Schlappe ein.

Mit 29 zu zehn Stimmen wählen die Parteikollegen Richter zur Direktkandidatin für den Stimmkreis Regensburg. Doch Christoph zeigt sich als fairer Verlierer und ist der erste, der seiner Stadtratskollegin zum Erfolg gratuliert. Richter sei eine „würdige Nachfolgerin im Bezirkstag“. Er selbst wird den bevorstehenden Wahlkampf als Listenkandidat bestreiten und hoffen, über ein gutes Parteiergebnis erneut im Bezirk sitzen zu können.

Beide machen in ihren kurzen Vorstellungsreden klar: Dem Bezirk komme eine wichtige, wenn auch oft in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommene, politische Funktion zu. „Ich will, ja ich muss in den Bezirkstag“, macht Richter gleich zu Beginn ihrer Rede deutlich. Bei der Frage nach einer inklusiven „Teilhabe für alle“ setze der Bezirk viele Rahmenbedingungen und sei „der wichtigste Träger unseres Sozialwesens.“

Erste Rolli-Fahrerin im Bezirkstag?

Richter will in der Oberpfalz den Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen mit flexiblen Angeboten vorantreiben und so eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Schon 2020 machte sie klar, dass sie als Fachfrau genau wisse, wo es drückt. „Zum Glück habe ich immer das nötige Selbstbewusstsein gehabt, um mich einzumischen und in wichtigen Situationen durchzusetzen“, sagte sie damals. Auch wenn gelegentlich schon mal gefragt wurde, ob statt ihr nicht jemand anderes zu einem Termin kommen könne. Beharrlichkeit sei da notwendig. Und die will Richter zusammen mit ihrer Partei auch in den kommenden Monaten wieder zeigen. Damit dann auch im Bezirkstag ein Rolli vertreten ist.

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Kommentare (8)

  • Mr. T.

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    Traut sich die CSU überhaupt noch wen aufzustellen?
    Die Grünen haben hier wirklich das mit Abstand hoffnungsvollste Personal.
    Ich hadere noch damit, dass die Tatsache, dass Frau Richter für ihre Mobilität auf einen Rollstiuhl angewiesen ist, so ein Thema ist. Irgendwie traurig, dass das noch so exotisch in solchen Parlamenten ist. Es ist auf jeden Fall gut, dass sie ihre Erfahrungen diesbezüglich in die politische Arbeit einfließen lassen kann. Menschen mit gewissen Bedürfnissen werden noch viel zu stiefmütterlich behandelt.

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  • Mr. B.

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    Frau Richter ja, aber noch mehr “Grün”?
    Mir wird ehrlich schwindelig!

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  • Tagesgscheitster

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    Naja, was heißt “Verlierer”, das ist auch immer eine Frage der Ambitionen: Christoph war bereits eine Legislaturperiode im Bezirk, sein Interesse gilt auch weniger der kommunalen als der Landesebene…und wenn Mistol mit Direktmandat einzieht könnte da sehr wohl ein günstiger Listenplatz für Christoph ausreichend sein…

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  • Hansemann

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    Ich bin etwas verwundert, dass die Regensburger Grünen keinen jüngeren Kanditaten, als Jürgen Mistol für den Landtag gefunden haben. Vermutlich ist Jürgen Mistol in der eigenen Partei so gut vernetzt, dass sich kein jüngerer Kanditat sich gefunden hat.
    Neue Besen würden den Grünen gut tun.

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  • Charlotte

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    @ Hansemann
    Warum soll das Alter eine Rolle spielen und auf biegen und brechen ein Junger Kandidat aufgestellt werden? Strategisch ist ein berufs- politik- und lebenserfahrener Kandidat am besten. Hätte man Herrn Mistol als OB Kandidaten für Regensburg gewinnen können und nicht den jungen, unbekannten und unerfahrenen Kandidaten Stefan Christoph, wäre die OB Wahl wohl anders verlaufen.

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  • Gscheidhaferl

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    @Hansemann & Charlotte
    Spannend ihre Kommentare im Zusammenhang zu betrachten. Beide haben meines Erachtens Recht und beide verfehlen teilweise ihren Gegenstand. Ich weiß natürlich nicht mit Sicherheit, ob ich Ihre Äußerungen richtig einschätze. Jedenfalls lese ich bei Hansemann eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Kandidaten Mistol heraus, der zumindest in der (breiteren) Öffentlichkeit noch nie besonders aufgefallen ist. Da gibt es sicher unter den Jüngeren größere ‘Laursprecher’. Aber da kommt eben Charlottes Einwand zum tragen: Jünger zu sein, heißt nicht automatisch die bessere Alternative zu sein. Leuchtet sofort ein. Vor allem wenn diejenigen in den Blick genommen werden, die sich noch nie außerhalb öffentlich geförderter Strukturen bewähren mussten. Andererseits ist der gelernte (Kranken-/Alten-)Pfleger Mistol niemand, der z.B. im Zusammenhang mit der Pflegekrise, der Pandemie und ähnlichen Zusammenhängen durch besondere, wahrnehmar eingebrachte Expertise aufgefallen wäre. Auch wenn er schon eine Weile aus dem Metier raus ist, hätte sich doch erwarten lassen, dass er dazu etwas (vernehmbarer) zu sagen hätte. Wortführer in diesen fachlichen Zusammenhängen eher Fachfremde. Und die einschlägig Vorgebildeten (z.B. Lautetbach) scheinen ihre Expertise teilweise an der Parlaments-/Ministeriumsgarderobe abgegeben zu haben.

    Fazit: Egal wie alt oder wie (un-)qualifiziert, jede(r) kann hinter dem zurückbleiben, was nötig wäre. Weder das eine oder das andere (oder beides – Jugend & Expertise – zusammen, garantieren eine*n gute*n Kandidat*in. Wo kein Anspruch an sich selbst und/oder wo keine Fähigkeit, über das eigene Ego hinauszudenken, ist einfach auch nichts zu erwarten. Was ich jetzt aber nicht speziell auf Herrn Mistol bezogen geschrieben habe. Dafür kenn ich ihn und seine Arbeit zu wenig

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  • Hansemann

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    @Charlotte
    Meine Aussage ist eine Feststellung und über die grüne Politik (=eine Partei voll von Ideologen) sowohl im Städtevergleich, als auch auf Landes- und Bundesebene kann man sich mehr als streiten.

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  • Mr. T.

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    Ja ja, Hansemann, bei den Grünen ist es Ideologie weil sie z.B. pauschal gegen Kernkraft sind, aber bei den Konservativen ist es keine Ideologie wenn sie regenerative Energien strukturell verhindern.

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