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Sparen bei Security und Pförtner

Kein Schutz im Regensburger „Schutzhaus“: Kind aus Michlstift entführt

Das „Schutzhaus“ für Kinder und Jugendliche, häufig traumatisiert, kann unbehelligt von jedermann betreten werden. Tagsüber gibt es zudem kein Sicherheitspersonal. Das hatte Folgen.

Vor fünf Jahren wurde das Menschen-in-Not-Schutzhaus eröffnet: an der Sicherheit für Kinder und Jugendliche wird hier gespart.

Die Antwort der Stadt Regensburg kommt schnell. Sie ist eher technisch gehalten und darauf, dass das „Schutzhaus“ Michlstift einem Kind im Vorschulalter keinen Schutz bieten konnte, gehen das Jugendamt und die zuständige Bürgermeisterin Astrid Freudenstein mit keiner Silbe ein.

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Anfang des Jahres sei ein Mann, der sich als „Onkel“ bezeichnet habe, einfach in das Haus marschiert, habe sich die Gruppe gesucht, in der die in Obhut genommenen Jungen und Mädchen unter 14 Jahren betreut werden, sich mit den Worten „Ich nehme das Kind jetzt mit“ den Jungen gegriffen und sei mit ihm verschwunden. Das erfuhr unserer Redaktion aus dem Umfeld des Jugendamts.

Keine Security, kein Pförtner, offene Tür

Die Erzieherinnen konnten dem Mann nichts entgegensetzen. Security, die hätte eingreifen können, war nicht vor Ort. Es wurde offenbar eingespart. „Seit 1. Januar 2024 gibt es tagsüber (von 5 bis 19 Uhr) keinen Sicherheitsdienst im Michlstift“, bestätigt die Stadt auf Nachfrage.

Doch das Gebäude kann während dieser Zeit von jedermann betreten werden. Der Empfangstresen am Eingang ist nicht besetzt. Anträge, einen Pförtners einzustellen, seien zuletzt mehrfach abgelehnt worden, heißt es. Damit ist das „Schutzhaus“ für in Obhut genommene Kinder und Jugendliche und oft traumatisierte minderjährige Geflüchtete einfacher für Unbefugte zugänglich als jeder Kindergarten und die meisten Schulen.

„Menschen-in-Not-Schutzhaus“: Zuflucht für in Obhut genommene Kinder und Jugendliche

Als das „Menschen-in-Not-Schutzhaus“ vor fünf Jahren im früheren Seniorenheim Michlstift eröffnet wurde, galt es als Vorzeigeprojekt. Einerseits sollten damit Räume für die steigende Zahl von sogenannten „Inobhutnahmen“ geschaffen werden – also Platz für Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien aufgrund nicht mehr verantwortbarer Zustände, Kindeswohlgefährdung, vom Amt für Jugend und Familie herausgenommen werden müssen.

Tagsüber ist die Tür des Schutzhauses immer offen. Foto: as

„Wir wollten eine sichere Zufluchtsstätte für vernachlässigte Kinder und Kinder mit Gewalterfahrung schaffen und ihnen Schutz und Sicherheit bieten“, so Amtsleiter Volker Sgolik damals. Aktuell werden sechs Kinder unter 14 Jahren und sechs Jugendliche dort betreut.

Andererseits gibt es im Michlstift drei Gruppen für 26 geflüchtete Minderjährige, die „unbegleitet (d.h. ohne Eltern oder andere erwachsene Person) in Regensburg aufgegriffen werden oder in Situationen geraten, in denen sie bei den leiblichen Eltern nicht mehr Schutz und Sicherheit haben“, wie es in einer entsprechenden Verwaltungsvorlage heißt.

Minderjährige Geflüchtete: Abends gibt es keine Betreuung

Für deren pädagogische Betreuung sind zwei private Dienstleister (Familienhilfe Morgenstern und Familienhilfe Bauer) zuständig – allerdings nur bis jeweils 20 bzw. 22 Uhr. Danach sind diese Gruppen unbeaufsichtigt. Trotz Konflikten, die dort immer wieder auftreten, die gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen und immer wieder für Polizeieinsätze im Michlstift sorgen.

Bei der Stadt Regensburg ist man offenbar dennoch der Ansicht, dass sich Security, die abends um 19 Uhr den Dienst aufnimmt (eine Person, die bis fünf Uhr morgens vor Ort ist) und für das gesamte Gebäude zuständig ist, auch noch darum kümmern kann. Oder das pädagogische Personal, das eigentlich für die Betreuung der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen – auf einem ganz anderen Stockwerk – zuständig ist. Das sind nachts zwei Personen, zumeist Frauen.

Die Stadt Regensburg zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass „diese Einteilung (…) den Vorgaben der Heimaufsicht bei der Regierung der Oberpfalz“ entspreche und deshalb auch in Ordnung sei. Beschäftigte, mit denen wir gesprochen haben, sagen aber etwas anderes.

Betreuungspersonal überlastet und unterbesetzt

„Wir kommen auf dem Zahnfleisch daher“, lautet eine Aussage. Die Betroffenen arbeiten im Zwei-Schicht-System mit äußerst dünner Personaldecke. Zur Betreuung der Kinder bis 14 Jahren sind, so die Stadt, laut Betriebserlaubnis der Regierung der Oberpfalz 7,24 Vollzeitstellen vorgesehen. Diese Stellen sind zumindest komplett besetzt. Bei den Jugendlichen wären es 6,5 Vollzeitstellen, von denen 1,75 eine nicht besetzt ist (Anm. d. Red.: Die Stadt hat ihre Angaben im Nachhinein korrigiert.).

Der Tresen im Eingangsbereich des Michlstift ist nicht besetzt. Foto: as

Bisher habe man die offenen Stellen immer wieder besetzen können, heißt es von der Stadt. „Wie in der gesamten Heimerziehung gibt es allerdings auch in städtischen stationären Einrichtungen eine relativ hohe Fluktuation an Personal, was zu kurzzeitigen Vakanzen führt.“ Viele Fachkräfte seien „den Herausforderungen des Schichtdienstes, inkl. Nachtschicht, auf Dauer nicht gewachsen.“ Auch mache sich der generelle Fachkräftemangel „deutlich bemerkbar“.

Befristete Stellen und kein Pförtner

Beschäftigte haben einen etwas anderen Blick auf die Dinge. „Woanders bekomme ich problemlos eine unbefristete Stelle.“ Im Michlstift biete die Stadt hingegen in der Regel nur Stellen, die für ein Jahr befristet seien und dann jeweils für ein weiteres Jahr verlängert werden. „Eine Entfristung wird so gut wie nie in Aussicht gestellt.“

Zusätzlich zum Schichtdienst, chronischer Unterbesetzung und dem Umstand, dass man nachts, oft allein, einschreiten müsse, wenn es bei den unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten zu Konflikten kommt, führe das eben dazu, dass „einige wieder das Handtuch werfen“. Bereits mehrfach habe die Belegschaft zudem gefordert, auch tagsüber wieder einen Sicherheitsdienst zu engagieren oder zumindest einen Pförtner einzustellen. „Es ist doch nicht verantwortbar, dass hier jeder rein und raus marschieren kann, wie er will.“ Doch das sei mehrfach abgelehnt worden, erzählt man uns.

„Die Situation ist verantwortbar und durch die Heimaufsicht genehmigt.“

Auf unsere Anfrage hin teilt die Stadt nun mit, dass die Stelle für einen Pförtner „inzwischen genehmigt“ worden sei und „in absehbarer Zeit besetzt“ werde – Monate nach der Entführung des Kleinkindes aus dem „Schutzhaus“.

Dieses Sache ging zumindest glimpflich aus. Einige Tage, nachdem der Mann den Jungen einfach so aus dem Michlstift mitgenommen hatte, konnte die Polizei das Kind in Tschechien wieder finden und zurück zur Jugendschutzstelle nach Regensburg bringen.

Trotz alledem will das unter Bürgermeisterin Freudensteins Verantwortung stehende zuständige Amt für Jugend und Familie nicht von „Zuständen“ sprechen, die im Michlstift herrschen würden. „Die Situation ist verantwortbar und durch die Heimaufsicht genehmigt.“ Vor allem die „nun zugesagte“ Stelle zur Besetzung der Pforte werde die Sicherheit erhöhen.

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Kommentare (4)

  • Mr. B.

    |

    Man kann es kaum glauben.
    Einfach verantwortungslos.
    Mehr muß man dazu nicht sagen.

  • Daniela

    |

    Was will man noch sagen. Da hätte man sich die Inobhutnahme wegen der Kindeswohlgefährdung fast schon sparen können. Wenn da jeder rein und raus spazieren kann und als “Onkel ” ein unter 14jähriges Kind einfach mitnehmen kann.

    Applaus für die Heimaufsicht, dass das alles so super ist. Wer ist denn der Dienstherr von der Heimaufsicht?

  • Informant

    |

    „Die Situation ist verantwortbar und durch die Heimaufsicht genehmigt.“
    Ach komm, ernsthaft? Der Heimaufsicht wird schon gesagt worden sein, was sie zu genehmigen und als gut zu befinden hat. “Das verstehen Sie doch, kein Geld s’wissenschon, jetzt stellen Sie sich mal nicht quer”.

  • El

    |

    Vllt. könnte eine der Mitarbeiterinnen aus dem Amt für Stadtbahnplanung,
    die ja nun arbeitslos sind,
    im Schutzhaus an der Pforte unterkommen ….

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