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Andreas Altmann las bei Pustet aus seiner Altötting-Vernichtung: eine denkwürdige Veranstaltung. Foto: Wolfgang Schmidt
Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Bei der Firma Pustet, die seit bald zweihundert Jahren Messbücher druckt, ist der Gottseibeiuns zu Gast. Er ist 62 Jahre alt, heißt Andreas Altmann und hat ein Buch geschrieben, das gerade mal vor einem Vierteljahr erschienen ist, von dem aber schon acht Auflagen gedruckt wurden und das auf diversen Bestsellerlisten herum klettert. Das Buch hat den schönen Titel: „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“, und es handelt vom Gnadenort Altötting, davon, wie man dort in den 50er und 60er Jahren aufgewachsen ist: unter der Fuchtel prügelnder und misshandelnder Gottesmänner, und, im Fall Andreas Altmann: als „Punchingball“ eines gewalttätigen Vaters, der seine ganze Umgebung körperlich und seelisch in einer Tour züchtigte.

Ein 250seitiger Fluch von biblischer Wucht

Freilich nur seine nähere Umgebung, seine eigene Familie. In der Öffentlichkeit war Franz-Xaver Altmann der ehrengeachtete, gottesfürchtige Rosenkranzkönig, sprich: Devotionalienhändler, vor dem die ganze Stadt den Hut zog. Nun, lange Jahre nach seinem Tod, hat sich sein jüngster Sohn ein Herz gefasst bzw. macht aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr, sondern schickt dem Vater einen 250seitigen Fluch hinterher, der sich gewaschen hat. Ein Fluch von biblischer Wucht, der Prophet Jeremias mit seinen donnernden Gerichtsreden sieht alt aus gegen diese wortgewaltige, unerbittliche Suada. Der Vergleich mit Jeremias fällt auch deswegen eindeutig zugunsten von Andreas Altmann aus, weil sich bei ihm kein einziger Satz findet, der eine Klage wäre, eine Jeremiade. Nein, Altmann watscht nur ab. Da schlägt einer, der in seiner Kindheit und Jugend unzählige physische und psychische Ohrfeigen einstecken hat müssen, mit den Waffen des Geistes zurück. Und gewinnt. Selbst so eine staatstragende Zeitung wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kommt nicht umhin, ihm zu attestieren: „Etwas besseres lässt sich aus einer Scheißkindheit kaum machen.“ Das ganze Buch ist in erster Linie an den toten Vater adressiert, dabei ist es, trotz des Desasters, das verhandelt wird, hoffnungsvoller als Kafkas „Brief an den Vater“. Denn Andreas Altmann hat seinen Vater besiegt. Mitangeklagt aber ist die Stadt Altötting, „dieses Provinzloch mitten in Bayern, seit Jahrhunderten eisern in römisch-katholischer Hand“, diese „Brutstätte hechelnder Bigotterie, dieses weltberühmte Wallfahrtsziel, an dem sie seit Urzeiten den pilgernden Schafsherden Wunderlügen, Weihwasser, die ‚Allerheiligste Madonna im Schneegestöber’ und als uneinholbaren Verkaufsschlager den ‚Gekreuzigten’ – ein Gefolterter als Markenzeichen passt unschlagbar zur alleinseligmachenden Kirche – verscherbeln“.

Genese zum Scheusal dank Krieg und Altötting

Dieser Franz-Xaver Altmann kam natürlich nicht als Bestie auf die Welt. Andreas Altmann macht sich durchaus die Mühe, die Genese dieses Scheusals von einem Vater nachzuvollziehen. Er stößt auf zwei nachvollziehbare Hauptursachen: der Krieg und – Altötting. Denn: „In dieser Stadt voller Pfaffen und von Pfaffen geducktem Volk zum ‚Rosenkranzkönig’ aufzusteigen, sprich, jeden Tag die Schafshirten und ihre Schafe mit dem Gebetsmühlenschrott zu versorgen. der keinem anderen Zweck diente, als dass die Schafe auf immer Schafe blieben: das war kein Schicksal, auch kein bedauerliches, das war eine in den Himmel schreiende Jämmerlichkeit“. Dieser Mann sitzt nun also in der Buchhandlung Pustet in der Gesandtenstraße, und die einzigen anwesenden Schafe sind Schaufensterrequisiten aus Pappe. Es bleibt halt doch nicht alles ewig beim gleichen, Herr Bischof! Auch am Grunde der Donau wandern die Steine, es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt! Dabei ist es gerade mal fünf Jahre her, dass ein Regensburger Prälat bei Pustet vorstellig wurde mit der Bitte, ein Regensburg-Buch mit einem missliebigen Aufsatz aus dem Regal zu nehmen, weil darin die Judenvertreibung von 1519 und die dabei maßgebliche Rolle der Kirche abgehandelt wurde. Das Ansinnen wurde abschlägig beschieden, aber allein, dass der Prälat auf die Idee kam, sagt schon einiges. Was jahrhundertelang selbstverständlich war, ist es nun doch nicht mehr.

Kapuziner-Orgie mit Flasche im Arsch

Die Altmann-Lesung ist ausverkauft, man sitzt dicht gedrängt, und die Stimmung ist gut. Die Leute trauen sich lachen, dem Autor gefällt das, und es gibt ja auch immer wieder was zu lachen in seinem Buch, trotz des ganzen Irrsinns oder gerade deswegen. Etwa bei der (vom herbeigerufenen Arzt beglaubigten) missglückten Orgie bei den ehrwürdigen Altöttinger Kapuzinern, die mit dem abgebrochenen Flaschenhals im Arsch eines Beteiligten endet, und nach der Altmann es sich nicht versagen kann, Papst Wojtyla zu zitieren, der den Altöttingern bei seinem Besuch 1980 zurief: „Der Allmächtige hat Großes in jedem von euch getan!“ Aber das meiste, was Altmann vorliest, ist naturgemäß gar nicht zum lachen. Etwa die letzte Seite, mit der er auch schließt, wo er von einer alten Frau erzählt, die er bei einer seiner Reportagereisen in einem Dorf im hintersten Russland trifft und die ihm von ihrem Mann erzählt. Der den Krieg als Soldat überlebte, heimkam und den Rest seines Lebens vertrank. Er sei „am Krieg gestorben“, sagte seine Frau, und genau das ist auch die Diagnose, die Altmann seinem toten Vater stellt: Irreparable Verwahrlosung und Verrohung durch den Krieg. Da ist es sehr still beim Pustet. Bevor es langanhaltenden Applaus gibt. Und dann, in der Diskussion: Gegendarstellungen, Kritik? Es stellen sich drei gleichaltrige Herren als Schulkameraden von damals vor. Der eine hat „das Buch fast auswendig gelernt“ und hat dementsprechend offensichtlich keinerlei Einwände. Der andere findet es „wirklich schade, wenn jemand sowas erleben muss“, und hält dagegen, dass er selbst zur gleichen Zeit am gleichen Ort ein „Riesenglück“ gehabt habe, da er es mit „liebevollen Eltern“ sowie ausschließlich „wunderbaren und verständnisvollen Priestern“ zu tun gehabt habe. Er habe „keine Schäden von der Religion davongetragen“ und sei deshalb auch Religionslehrer geworden. – Auch ein vielsagender Kommentar: Man hat schon ein „Riesenglück“ gebraucht, damit man im Gnadenort von den Liebe predigenden Gottesmännern weder geschlagen noch vergewaltigt wurde. Weiters gibt der Religionslehrer zu Protokoll, vom Martyrium seines Schulkameraden habe er nichts mitbekommen. Was Altmann, wenig souverän, zu der Analogie verleitet, auch die Leute, die in Dachau zweihundert Meter vom KZ entfernt wohnten, hätten sich 1945 erstaunt gezeigt, welche Gräuel sich in ihrer unmittelbaren Nähe abgespielt hätten.

Aus dem Religionsunterricht gezerrt und vergewaltigt

Der Vergleich ist natürlich Unsinn. Weil Altmann in seinem Buch ja selbst ein schönes Beispiel dafür erzählt, dass die Untaten tatsächlich oft verborgen blieben: Da greift sich ein Religionslehrer mitten im Unterricht in der dritten Volksschulklasse ein Mädchen, schleppt es nach draußen und vergewaltigt es. Was tut das achtjährige Mädchen? Es schämt sich in Grund und Boden und kehrt mit gesenktem Kopf ins Klassenzimmer zurück. Ihre Mitschülerinnen haben nichts mitgekriegt. Josef Strohammer hieß der (längst selig im Herrn verschiedene) Gottesdiener. Das ist das Gute an Altmanns Buch: Die Herren werden alle beim Namen genannt, teilweise sogar mit ihren Lebensdaten. Wenn es nicht die Wahrheit wäre, was hier berichtet wird, die noch lebenden Angehörigen der Genannten wären längst schreiend vor Gericht gezogen. Aber nichts dergleichen passiert. Die heilige katholische Kirche will dieses Buch aussitzen. Sie hat darin jahrhundertelange Übung. Dennoch, es wird ihr nicht gelingen. Eine Bombe kann man nicht aussitzen. Andreas Altmann: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend. Piper Verlag, 256 Seiten, 19,99 Euro

Die Freiheit im Namen, Rassismus im Hirn

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Stand der Bayernpartei – weißblaue Fahne, Tischdecken mit Rautenmuster und einer der Männer, die da am Wochenende lächelnd auf dem Neupfarrplatz stehen, hat sogar einen Janker an. „Die Freiheit“ geht nun auch in Regensburg auf Mitgliederfang. „Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie“ nennt sich die Ende 2010 gegründete Vereinigung, ausgewiesene Rechtspopulisten sind es, die da Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte im Mund führen.

„Ein System wie bei der Stasi“

Am kommenden Freitag ist der Theologe und Bestseller-Autor David Berger zu Gast in Regensburg. Mit seinem Buch „Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ beendete er seine Karriere innerhalb der katholischen Kirche und brachte (nicht nur) Hardliner auf die Palme. Der Umgang mit Homosexualität begünstigt die Vertuschung von sexuellem Missbrauch bei der katholischen Kirche, sagt Berger im Interview.

BMW: Halber Lohn für gleiche Arbeit

Eigentlich gibt es bei BMW eine klare Vereinbarung: Leiharbeiter sollen dasselbe Grundgehalt bekommen wie Festangestellte. Eigentlich. Über sogenannte Werkverträge mit externen Firmen arbeiten bei BMW Beschäftigte am Fließband für gerade 7,79 Euro die Stunde. Festangestellte verdienen etwa das doppelte Grundgehalt. Ein Regensburger hat sich nun beim Betriebsrat beschwert und damit eine kleine Welle losgetreten. Mittlerweile hat das Thema die Konzernspitze in München erreicht.

„Fair Trial – Fehlanzeige!“ Betreuer kritisiert Urteil gegen psychisch Kranken

Dilan H. ist ein schwer kranker Mann. Der 47jährige leidet unter paranoider Schizophrenie und einem posttraumatischem Belastungssyndrom. Er steht deshalb seit mehreren Jahren unter gesetzlicher Betreuung. Anfang September wurde Dilan H. vom Regensburger Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt – ohne seinen Betreuer, ohne einen Verteidiger. Mit einem faieren Verfahren hatte das nichts zu tun, sagt nun sein Betreuer. „Wenn man mit Pragmatismus argumentiert und nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien, dann können wir aufhören.“

In eigener Sache: Kirchlicher Maulkorb aufgehoben!

Im Rechtsstreit mit der Diözese Regensburg hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg der Berufung unserer Redaktion heute in vollem Umfang stattgegeben (Az 7U 38/11). Damit dürfen wir nach eineinhalb Jahren Maulkorb wieder die Meinung vertreten, dass die Diözese Regensburg durch ihr Verhalten bei einem Missbrauchsfall in Viechtach 1999 wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verbrechen eines Priesters nicht öffentlich wurden und er so später erneut einen Ministranten sexuell missbrauchen konnte.

In eigener Sache: Berufung im Rechtsstreit mit Diözese am 18. Oktober

Im Rechtsstreit zwischen der Diözese Regensburg und regensburg-digital findet am 18. Oktober, 12.15 Uhr, die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamburg statt (Sitzungssaal 210, Justizgebäude I, Sievekingplatz 2). Die Diözese hat unsere Redaktion im vergangenen Jahr wegen eines Kommentars zu ihrem Umgang mit Opfern von sexuellem Missbrauch verklagt. Konkret geht es um den “Fall Riekofen”. Das Landgericht Hamburg hat dieser Klage am 11. März 2011 stattgegeben. Wir haben dagegen Berufung eingelegt. Am kommenden Dienstag findet nun die mündliche Verhandlung statt.

Bischöfliche (K)lagebewertung: Missbrauchsopfer sind bestürzt

Eine Stellungnahme, die das bischöfliche Ordinariat Regensburg gegenüber der Bayerischen Staatszeitung abgegeben hat, sorgt für Bestürzung und Wut bei Missbrauchsopfern. Es geht um ein Buch, in dem Betroffene von sexuellem Missbrauch ihre Geschichte erzählen. Folgt man dem Bericht, schließt das Ordinariat eine Klage dagegen nicht aus. Alles hängt offenbar davon ab, welche Öffentlichkeit das Buch erreicht.

„Oh Du, mein Ackermann!“

Was waren das noch für Zeiten, als Kasperlhausen den Nabel der Welt und König Hans das Maß aller Dinge darstellten – doch das ist nun vorbei. In seinem neuen Kasperlstück für Erwachsene („Kasperl stoppt die Finanzkrise“) lässt Larifari-Macher Christoph Maltz Regensburg hinter sich und seine Puppen auf der großen Bühne der Landes-, Bundes- und Weltpolitik tanzen.

Stadtrat zieht Schlussstrich unter Hitler

„Wenn wir so weiter machen, sind wir überregional wieder toll dabei.“ SPD-Stadträtin und Altoberbürgermeisterin Christa Meier ist grau im Gesicht. Seit bald einer halben Stunde debattiert der Regensburger Stadtrat am Donnerstag nun schon über ein Thema, das man heute endgültig vom Tisch haben wollte: die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers. Und eben gab es den Vorschlag der Grünen, den entsprechenden, „gut gemeinten“, Antrag der CSU zu vertagen.

Kurzer Prozess mit psychisch Krankem

Eigentlich ist es ein Fall, wie er so oder so ähnlich fast täglich am Amtsgericht Regensburg verhandelt wird. Wegen Körperverletzung und Beleidigung musste ein 47jähriger sich verantworten. Er soll im Streit einen anderen Mann getreten und als „Arschloch“ tituliert haben. Die Verhandlung mutete nach den Schilderungen mehrerer Prozessbeobachter wie eine wenig amüsante Episode aus der Reihe königlich-bayerisches Amtsgericht an.

Colosseum: Bürgermeister fordert Eigentümer zum Einlenken auf

Bei einer Kundgebung vor der ehemaligen KZ-Außenstelle Colosseum in Stadtamhof hat sich Bürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) den Kritikern der dort verlegten Bodenplatte gestellt. Er warb um Verständnis für das Verhalten der Stadt, räumte Fehler ein und versprach Abhilfe. Den Eigentümer des Gebäudes, Develey-Boss und CSU-Politiker Michael Durach, forderte Wolbergs auf, „endlich eine Gedenktafel am Colosseum zuzulassen“.

Durchlaucht rappt!

„Yo, Gloria you funky old bitch, amazing rap skills!“ Frau Fürstin singt und wie. Als „Schlossrap“ findet sich seit August ein Sprechgesang von Gloria von Thurn und Taxis auf den fürstlichen Internetseiten. Unter der sich ständig wiederholenden Fragestellung „Was ist denn schon dran an St. Emmeram? Ist da noch was los in diesem großen Schloss?“ […]

Buchvorstellung im Rathaus: Kirche voller Fehl und Tadel

„(Ohne) Fehl und Tadel – Kirche, klerikale Täter und deren Opfer“ ist der Titel des Buches, das am Freitag, 16. September, in Regensburg erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Mehrere Betroffene von sexuellem Missbrauch innerhalb der Kirche kommen darin ausführlich zu Wort, schildern, was ihnen passiert und wie die Kirche mit ihnen umgegangen ist. Der Ort ist mit Bedacht gewählt: Drei Fälle aus der Diözese Regensburg kommen in dem Buch vor. Was die Opfer über das Verhalten der Kirchenoberen schreiben, dürfte Bischof Müller nicht gefallen.

„Hitler-Missverständnis“ bald Thema im Stadtrat?

Er sorgt immer wieder für Missverständnisse: Adolf Hitler. Nun soll sich der Stadtrat mit dem Regensburger Ehrenbürger befassen. CSU-Fraktionschef Christian Schlegl hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt und damit auf eine Pressemitteilung reagiert, die Oberbürgermeister Hans Schaidinger am Montag verschicken ließ. Ein Spagat, mit dem sich der Stadtrat distanzieren soll, ohne Schaidinger zu brüskieren.

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