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Joachim Herrman (CSU): Aus seinem Ministerium kommt die Anweisung, entgegen der Empfehlungen des UNHCR abzuschieben. Foto: Archiv
Seit längerem bemühen sich die Innenminister der Länder intensiv darum, irakische Flüchtlinge los zu werden. Seit 2003 wurde tausenden Irakern der Asylstatus aberkannt, 2007 wurde ein entsprechender Beschluss der Innenministerkonferenz gefasst, mit dem Ziel „einer baldmöglichen Ausweitung der Rückführungen“. Wohl angesichts der breiten Proteste waren es aber zunächst nur schwere Straftäter aus den autonomen und vermeintlich sicheren Provinzen im Nordirak, die abgeschoben wurden. In einem zweiten Schritt ist nun die Reihe an all jenen aus dem Nordirak, die zu mindestens 50 Tagessätzen verurteilt wurden. Von „Straftätern“ spricht man im bayerischen Innenministerium. Ohnehin scheint Bayern eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen, wenn es darum geht, das Tempo anzuziehen; dazu setzt man sich auch über Empfehlungen des UN-Flüchtlingshilfswerks hinweg. Doch dazu später. Regensburg ist eine der ersten Städte in Bayern, in denen die Ausländerbehörde entsprechende Bescheide verschickt hat (unser Bericht vom 22. Juni). Die Flüchtlingsorganisationen befürchten den Beginn einer größeren Abschiebewelle.

„Bewusste Kriminalisierung“

„Man fängt mit denjenigen an, die keine Lobby haben, um Proteste und Widerstand zu vermeiden“, so Karin Prätori von der BI Asyl. Sie spricht von einer „bewussten Kriminalisierung“ der Betroffenen. Wie die Stadt Regensburg zwischenzeitlich mitgeteilt hat, wurden aktuell vier Männer zur freiwillige Ausreise aufgefordert. Sollten sie dieser Aufforderung nicht binnen vier Wochen nachkommen, droht die zwangsweise Abschiebung. „Es handelt sich um Delikte wie Schwarzfahren, Verletzen der Residenzpflicht oder falsche Angaben bei der Einreise“, erklärt Marion Puhle vom Regensburger Flüchtlingsforum. Ein 40jähriger – er lebt seit 1995 in Deutschland, arbeitet, zahlt brav seine Steuern und Sozialbeiträge – wurde zu einer Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung verurteilt. Das ist mittlerweile acht Jahre her. „Er hat seine Strafe abgegolten und soll jetzt doppelt büßen“, so Puhle.

Weisung: UNHCR ignorieren

Die Ausländerbehörde beruft sich in ihrem Vorgehen auf eine neue Weisung des Innenministeriums vom 3. März. Demnach könnten Menschen aus dem Nordirak, die zu mehr als 50 Tagessätzen verurteilt wurden, nun „durch die Ausländerbehörden grundsätzlich zurückgeführt werden“. Die komplette Weisung erhalten wir weder von der Stadt Regensburg, noch vom Innenministerium, bei dem wir anschließend nachfragen. Das Ministerium teilt unserer Redaktion jedoch mit, dass sich die „Weisungslage zu der Frage der Voraussetzungen von Rückführungen“ nicht geändert habe. Lediglich die Koordination der Abschiebungen durch das Innenministerium sei weggefallen. Zwischenzeitlich liegt unserer Redaktion das dreiseitige Schriftstück vor und die darin enthaltene Weisung ist deutlich: Die Ausländerbehörden werden vom Ministerium ausdrücklich dazu angehalten, sich über die Empfehlungen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hinwegzusetzen. Das UNHCR steht Abschiebungen in den Nordirak generell kritisch gegenüber. Auch wenn die Situation dort stabiler eingeschätzt wird als im Zentralirak rät das UNHCR in einem aktuell gültigen Positionspapier, Flüchtlingen aus dem Norden „den weiteren Aufenthalt aus humanitären Gründen zu gestatten, auch wenn sie im Einzelfall nicht als international schutzbedürftig angesehen werden“. „Rückführungen“ sollten wenn überhaupt freiwillig erfolgen und unter der Bedingung, dass die Betroffenen im Nordirak über Familie oder andere soziale Kontakte verfügen, um überhaupt Fuß fassen zu können.

„… gleichwohl den Schubauftrag erteilen.“

Im bayerischen Innenministerium sind diese Positionen durchaus bekannt. Sie werden in dem Weisungspapier vom 3. März ausdrücklich zitiert und zunächst als Voraussetzung für eine „Rückführung“ benannt. Wenig später heißt es aber: „Liegen der Ausländerbehörde keine Informationen zur Rückkehrsituation des Abzuschiebenden im autonomen Kurdengebiet im Nordirak vor, kann gleichwohl der Polizeiinspektion Schubwesen ein Schubauftrag erteilt werden, wenn feststeht, dass der Geburtsort im autonomen Kurdengebiet des Nordiraks liegt. Die Polizeiinspektion Schubwesen wird die für eine Rückführung notwendigen weiteren Schritte veranlassen.“ Zu der Frage, wie viele in Bayern lebende Iraker von einer Rückführung theoretisch betroffen sein können, erhalten wir keine Auskunft. Dazu „liegen dem Staatsministerium des Innern keine Daten vor“, heißt es auf Nachfrage.

Digitales Ragout

Nach zwei Tagen bei den Lokalrundfunktagen in Nürnberg ist die Redaktion heute voller Ideen ins beschauliche Regensburg zurückgekehrt. Wir wollen ab sofort in regelmäßigen Abständen einen kurzen Überblick von Nachrichten, Meldungen, Terminen, Links etc. geben, die wir für interessant, witzig oder bemerkenswert halten. Kritik und Anregungen sind ausdrücklich erwünscht. Friedvolle Kriegsgewinnler „Schlechte Geschäfte mit dem […]

Williamson-Prozess: Bunter Vogel, brauner Schwarm

Er sei ein „bunter Vogel“ ohne besondere Funktion oder herausgehobene Stellung, der vor allem „aus Gründen der Barmherzigkeit“ nicht aus der Bruderschaft geworfen werde. Er sei ein Menschen, dem „die Vorstellung, dass etwas Positives passieren könnte, generell fremd ist“. Die Piusbruderschaft geht zunehmend auf Distanz zu ihrem holocaustleugnenden Bischof Richard Williamson. Sei brauner Fanclub war indessen zur Berufungsverhandlung nach Regensburg angereist.

Magische 100.000 soll UNESCO überzeugen

Kein Zufall ist der Zeitpunkt, zu dem ein prominentes Podium erneut die umstrittenen Fahrgastverluste infolge der Sperrung der Steinernen Brücke thematisierte. Bis zum 11. Juli will die Stadt von der UNESCO Nachricht darüber haben, wie sie zu den Planungen für eine neue Brücke steht. Doch in Paris gibt man sich zugeknöpft.

Armutsbericht: Ein Schnappschuss mit begrenzter Aussagekraft

„Insgesamt kann der vorliegende Bericht nur einen ‘Schnappschuss’ zur sozialen Lage in Regensburg bieten. Die nur einmalige kleinräumige Erhebung bleibt eine Momentaufnahme, mit vielen potentiellen Zufällen und eingeschränkter Aussagekraft.“ So lautet ein Fazit im Armutsbericht, der diese Woche dem Stadtrat vorgestellt wird. Tatsächlich sind die gesammelten Daten nur zum Teil aussagekräftig und das 100 Seiten starke Konvolut dürfte für intensive Diskussionen über einen Maßnahmenkatalog sorgen.

Ersatzbrücke: „UNESCO ist nicht zuständig“

Zum zweiten Mal hat es das Welterbekomitee der UNESCO abgelehnt, sich mit den Plänen für eine Ersatztrasse in Regensburg zu befassen. Ungewöhnlich sei das nicht, findet das “Bürgerbündnis”: Die Welterbewächter in Paris seien gar nicht zuständig. Und auch der Generalkonservator hat schon vor längerem erklärt: „Die Zuständigkeit der UNESCO beschränkt sich ausschließlich auf die Feststellung und gegebenenfalls Aberkennung des so genannten Welterbestatus.“

Die Mär vom schweren Straftäter: Bayerische Abschiebe-Welle in den Irak?

Nur schwere Straftäter sollten es dem bayerischen Innenminister zufolge sein, die in den nach wie vor unsicheren Nordirak abgeschoben werden. Diese zwei Jahre alte Aussage erweist sich nun als Lüge: Mehreren Bewohnern der Regensburger Flüchtlingsunterkunft wurde vergangene Woche ihre Abschiebung mitgeteilt. Schwere Straftäter sind sie nicht. Das Regensburger Flüchtlingsforum befürchtet nun eine bayernweite Welle von Abschiebungen in den Irak.

Kulturentwicklungsplan: Die privilegierten Musikusse

Viel erwarten sich manche von dem gerade in Arbeit befindlichen Kulturentwicklungsplan für Regensburg. Doch bereits in der Anfangsphase droht das Ganze zur Farce zu werden. Die Sparte Musik genießt eine auffällig privilegierte Sonderstellung und hat, so sieht es momentan aus, beste Aussichten die gewichtigste Rolle zu spielen, wenn es um die Verteilung städtischer Gelder geht. Offene Diskussion sieht anders aus.

Armutsbericht: Jetzt soll’s plötzlich schnell gehen

Distanz und Skepsis prägt das Verhältnis zwischen dem Regensburger Sozialbürgermeister und den Wohlfahrtsverbänden. Beim Maßnahmenkatalog zum Regensburger Armutsbericht soll aber nun intensiv zusammengearbeitet werden. Eingebunden waren die Verbände beim Armutsbericht nicht. Und während dessen Erstellung drei Jahre gedauert hat, sollen die Maßnahmen nun binnen sechs Monaten fertig sein.

Picasso-Attacke: Vier Freisprüche und sechseinhalb Jahre Haft

„Wir sitzen hier nicht über politische Einstellungen zu Gericht und seien sie noch so abwegig, sondern über Straftaten.“ Mit diesem Eingangsstatement eröffnet der Vorsitzende Richter Carl Pfeiffer seine Urteilsbegründung in der Verhandlung gegen insgesamt sechs Neonazis, die im vergangenen Jahr in unterschiedlichen Konstellationen immer wieder durch Regensburg gezogen waren und dabei zahlreiche Straftaten – von […]

Schlachthof: Des Bürgers Wunsch und des Investors Interesse

Im März hat die Stadt Regensburg das Areal am Alten Schlachthof an die Vivic Real Estate verkauft. Bei der ersten Bürgerbeteiligung zur geplanten Bebauung wurde klar: Gemacht wird nur, was sich wirtschaftlich rechnet. Sollte die Stadt den immer wieder geäußerten Wunsch nach einer öffentlichen Nutzung der Schlachthof-Hallen ernst nehmen, müsste sie sich wohl doch noch selbst einbringen, anstatt alles der Vivico zu überlassen. Warum die Stadt das Gelände nicht selbst entwickelt hat? Die politischen Prioritäten in der Stadt sind anders, sagt Stadtplanungsamtschefin Ute Hick.

Neonazi-Prozess: Beweisnotstand bei den Mitangeklagten?

Neun Jahre und sechs Monate Haft forderte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch für den mutmaßlichen Haupttäter im Neonazi-Prozess, der sich im Besonderen mit dem Überfall auf das Lokal Picasso beschäftigt. Während die Vorwürfe gegen den 25jährigen Daniel S. weitgehend bewiesen sind, ziehen die Verteidiger der Mitangeklagten mehrere Zeugenaussagen in Zweifel und fordern Freisprüche. Die Neonazis haben bis zuletzt weitgehend zu den Vorwürfen geschwiegen.

Verhütung verhüten: Auf Odyssee durch Regensburger Krankenhäuser

„Wir machen so etwas nicht.“ Wir haben so etwas nicht. Wir machen so etwas schon, aber. So werden Frauen in Regensburger Krankenhäusern behandelt, die im Notfall auf ein Rezept für die „Pille danach“ angewiesen sind. In Regensburg herrscht eine gesegnete Situation: Sämtliche Gynäkologien sind kirchlich. Die drei katholischen Krankenhäuser verweigern das Rezept, im Gegensatz zu Kollegen in München, im Evangelischen Krankenhaus wird eine beschriebene Untersuchung vorgeschaltet, die Betroffene als „entwürdigend“ bezeichnen. Die Universitätsklinik hält sich raus und verweist auf „Kooperationspartner“. Die wiederum sind katholisch.

Der sachliche Massenmörder

Dem Schweizer Schriftsteller Jürg Amann fielen bei einer Theaterarbeit in Wien die Aufzeichnungen von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, in die Hände. Höß hatte in der Krakauer Untersuchungshaft, zwischen seiner Verhaftung durch die britische Militärpolizei und seiner Verurteilung zum Tod, etwa 300 Seiten beschrieben; Amann hat diese strukturiert und verdichtet, ohne Nennenswertes hinzuzufügen. Entstanden […]

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