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Straubinger baute massenhaft Cannabis an

Fettes Kraut vor dem Amtsgericht

Am Donnerstag musste sich ein 45-Jähriger vor dem Regensburger Amtsgericht wegen einer Hanfplantage in seiner Wohnung verantworten. Die Verhandlung geriet zu einem erstaunlich zwanglosen Plausch über Homegrowing und Outdoor-Plantagen.

Ein 45-jähriger Straubinger hat in seiner Wohnung eine ganze Menge Cannabis für den Eigenbedarf angebaut. Bild: Chmee2 / Wikimedia Commons.

Ein 45-jähriger Straubinger hat in seiner Wohnung eine ganze Menge Cannabis für den Eigenbedarf angebaut. Bild: Chmee2 / Wikimedia Commons.

Johann K. dürfte schon im Vorfeld dieser Verhandlung ziemlich locker gewesen sein. Der 45-jährige kennt Gerichtssäle, er kennt den Knast. Sein Vorstrafenregister zählt stolze 22 Verurteilungen in den vergangenen 30 Jahren. Der Richter wird es später so formulieren: Es gehöre zu K. Lebensinhalt, gegen die gesellschaftliche Ordnung zu verstoßen.

Dass sich aber auch die übrigen Verfahrensbeteiligten – insbesondere Staatsanwalt und vorsitzender Richter – so locker geben, ist nicht selbstverständlich. Am meisten angespannt sind wohl die beiden Schöffinnen, von denen sich eine bereits zu Verhandlungsbeginn bei ihrer Vereidigung sichtlich nervös verhaspelt.

Marihuana-Verhandlung mit Flow

Doch schnell kommt ein gewisser Flow in die Verhandlung, der jegliche Nervosität vergessen lässt. Der verschnupfte Staatsanwalt verliest die Anklageschrift, die K. drei verschiedene Rechtsverstöße zur Last legt. Er soll im September 2012 einem Bekannten 10 Gramm Marihuana kostenlos überlassen, außerdem bis März 2013 eine Cannabis-Plantage in seiner Straubinger Wohnung betrieben und dafür seit 2011 illegal Strom von der Hausanlage abgezapft haben.

Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten 18 Pflanzen mit einer Wuchshöhe zwischen einem halben und eineinhalb Metern und zusätzliche 61 Setzlinge. Der rauchbare Anteil betrug 123,46 Gramm – eine stolze Zahl. Für Johann K. eher kleine Fische – er verbüßt zur Zeit eine Haftstrafe wegen einer früheren Plantage, bei der mehr als ein Kilogramm rauchbares Hanf sichergestellt wurde.

Hanfsetzlinge als verspätetes Weihnachtsgeschenk

So bestreitet der Angeklagte beziehungsweise sein Anwalt Dr. Jan Bockemühl, der überwiegend für ihn spricht, auch gar nicht, dass er die Cannabis-Pflanzen angebaut hat. Für seinen Eigenbedarf, denn an einen Verkauf denkt der langjährige Konsument überhaupt nicht. Allerdings, darauf legt er Wert, habe er erst im Januar 2013 und nicht wie in der Anklageschrift behauptet schon 2011 mit der Plantagenarbeit begonnen. Die Setzlinge dafür, außerdem ein paar Speziallampen und anderes Anbauzubehör, habe er von einem guten Freund als „verspätetes Weihnachtsgeschenk“ bekommen. Auch den Strom habe er erst ab diesem Zeitpunkt abgezwackt, sodass sich der Schaden nicht auf den von der Staatsanwaltschaft genannten Betrag von 1350 Euro, sondern höchstens auf knapp 500 Euro belaufen könne.

Eines lehnt K. aber strikt ab: An seinen Bekannten Jürgen B. habe er nie Gras abgegeben. Nicht gegen Geld und nicht geschenkt. Das wolle ihm der nur andichten, weil es mal eine Auseinandersetzung um eine Frau, Sonja W., zwischen den beiden gegeben habe. B. ist als Zeuge geladen. Doch er wird gar nicht benötigt: Staatsanwaltschaft, Verteidigung und vorsitzender Richter einigen sich darauf, diesen im Vergleich zu den übrigen Anklagepunkten eher marginalen Fall nicht weiter zu verfolgen. „Der macht das berühmte Kraut auch nicht fett“, sagt der Richter grinsend. „Und schon ist die Sonja aus dem Spiel“, fügt er noch hinzu, bevor er Jürgen B. ohne Vernehmung nach Hause schickt.

Outdoor-Planting oder doch eher Homegrowing?

Es folgt eine lockere Fachsimpelei über den Anbau von Cannabis. Dem Richter kommt es spanisch vor, dass Johann K.s Pflanzen angeblich innerhalb von nur drei Monaten so groß gewachsen seien. Er wisse von den „Outdoor-Plantagen“, bei denen man im Frühjar sähe und im Herbst bei einer Wuchshöhe von etwa einem halben Meter geerntet werde. K. geht darauf nicht weiter ein. Sein Rechtsanwalt fügt aber wenig später hinzu, dass die Qualität der Hanfsaat von K. wohl ohnehin nicht so gut gewesen sei. „Da gibt es in Holland welche mit ganz anderem Wirkstoffgehalt“, sagt er.

Überhaupt halten Staatsanwalt, Verteidiger und wohl auch der Rechtsanwalt K.s Aufzuchtarbeit für „wenig professionell“. „Wir haben es mit einfachem Homegrowing zu tun“, sagt der Rechtsanwalt, „für sein Pfeifchen am Abend.“ K. selbst äußert sich dazu nicht, ein bisschen enttäuscht wirkt er aber schon ob der offenen Geringschätzung seiner sicherlich aufwendigen Arbeit.

Polizei und Angeklagter: Man kennt sich

Einer der beiden Schöffinnen beginnen gerade ein wenig die Augen zuzufallen, als wieder Leben in den Saal kommt. Ein Straubinger Polizeibeamter, der die Sicherstellung der Cannabis-Plantage durchgeführt hat und K. nach eigenen Angaben schon lange kennt, betritt als Zeuge den Raum. Freundschaftlich lächeln sich er und der Angeklagte zu. Mit fester, geübter Stimme beantwortet der Polizist die ihm gestellten Fragen. Insbesondere seine Schilderung des gefundenen illegalen Stromanschlusses von K. ist lebhaft. Als man das Kabel am Hausverteiler gefunden habe, hätte K. selbst schnell eine Kombizange geholt, um „das Ding abzumachen“. Er selbst habe ihn erst zurückhalten wollen, sei dann aber doch zurückgetreten, „damit ich nicht auch noch einen Schlag abkrieg.“ Kein Grund zur Sorge: K., der gelernter Friseur ist, hat vor seiner selbstständigen Tätigkeit als Dachdecker auch eine zeitlang als Elektriker gearbeitet.

Kurz vor Ende seiner Vernehmung weist der arbeitsame Polizist noch darauf hin, dass man vielleicht mal die „sichergestellten Utensilien”, die noch immer in seinem Büro lägen, einziehen solle. Das wird vom Gericht gleich darauf beschlossen. Vorher verabschieden sich der Beamte und Johann K. aber noch voneinander. Später sagt der Angeklagte: „Wir sind immer nett zueinander.“

Ein langes Vorstrafenregister: „Kein Schaf mit einer weißen Weste”

Nur noch ein bisschen müssen die beiden Schöffinnen bei der Stange bleiben, während der Richter den Bundeszentralregisterauszug von K. verliest. Versuchter Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fischwilderei und Sachbeschädigung sind darin genauso zu finden wie gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung und „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet“. In den vergangenen zehn Jahren war K. dann zunehmend durch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz auffällig geworden. Darauf bezieht sich der Rechtsanwalt in seinem Plädoyer: Sein Mandant wolle eine freiwillige Therapie machen, um von der Abhängigkeit loszukommen. Er sei sicher „kein Schaf mit einer weißen Weste“, aber man solle doch auch berücksichtigen, dass es ohnehin politische Bestrebungen gäbe, Marihuana zu legalisieren und es sich immerhin nur um eine weiche Droge handle.

Schnelles Urteil und Rechtsmittelverzicht

Vor der Urteilsverkündung unterhalten sich die beiden anwesenden Anwälte locker auf dem Flur. Schließlich entspinnt sich noch ein Plausch über illegal geführte Doktortitel („da hatten wir mal so einen Prozess“) und die möglichen neuen Uniformierungen für die Polizei („jetzt, wo sie gerade so schöne Multifunktionsjacken haben!“). Schließlich legt sich das Gericht fest: K. wird zu 16 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicken sich noch während der Urteilsbegründung wissend zu und erklären anschließend Rechtsmittelverzicht.

Johann K. wird also noch eineinhalb Jahre länger im Knast sitzen. Das macht es wohl auch nicht mehr fett, das Kraut.

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