„Uns hätten sie ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen“
Bei der letzten Kommunalwahl war er der glückliche Dritte: Mit fast 13 Prozent als Oberbürgermeisterkandidat schaffte Ludwig Artinger (ein Kurzporträt) einen Achtungserfolg. Die ehemals nur durch Guerilla-Stadtrat Günther Riepl vertretenen Freien Wähler sind derzeit drittstärkste Fraktion und nach anfänglichen Kappeleien kommen sich Artinger und CSU-Fraktionschef Christian Schlegl immer näher. Wofür der Amtsrichter allerdings thematisch steht, ist manchmal schwer zu greifen. Über ein paar Punkte haben wir mit ihm gesprochen.
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Herr Artinger. Christian Schlegl hat kürzlich einen Bustunnel als Lösung für die Verkehrsprobleme in der Altstadt ins Gespräch gebracht. Warum waren die Freien Wähler immer so bescheiden? Warum wollten Sie nur eine Riepl-Röhre unter dem Grieser Spitz und nicht gleich das volle Tunnel-Programm?
Wenn wir so etwas vorgeschlagen hätten wie Herr Schlegl, hätten wir postwendend den Einweisungsschein ins Bezirkskrankenhaus frei Haus mitgeliefert bekommen. Das richtige Datum, um so etwas zu präsentieren wäre der 1. April gewesen. Uns wurde über Jahre hinweg gesagt der Tunnel unter dem Grieser Spitz ist nicht machbar. Günther Riepl wurde von der CSU als irr und wirr beschimpft. Als wir belegen konnten, dass der Tunnel technisch machbar ist, hieß es plötzlich, das sei zu teuer. Der Schlegl-Tunnel kostet jetzt nach einer ominösen Schätzung 200 Millionen Euro. Dafür reicht plötzlich das Geld. Das Thema wird nach der Wahl ganz schnell in der Versenkung verschwinden. Uns hätte man für so einen Vorschlag geteert und gefedert.
„Schlegls Vorschlag ist eine politische Bankrotterklärung“
Wo ist denn Ihre Idee? Schlegl präsentiert zumindest den einzigen Vorschlag, um die Altstadt und speziell die Thundorfer und Keplerstraße vom Busverkehr zu entlasten.
Entschuldigung, die CSU hat 18 Jahre lang in dieser Stadt Politik gemacht. Wenn Herr Schlegl jetzt sagt, dass es in der Altstadt ein Verkehrsproblem gibt, dann ist das ein Ergebnis dieser CSU-Politik. Seine Aussage ist eine politische Bankrotterklärung. Es ist auch nicht wahr, dass es für die Entlastung der Thundorfer und Keplerstraße keine Vorschläge gab. Günther Riepl hat schon 2007 einen Antrag gestellt: Man ziehe einen Ring um die Altstadt für eine Linie, die von einem kleinen Elektro- oder Hybridbus bedient wird. Daran docken dann im Sternsystem alle anderen Buslinien an. Dadurch wird die Thundorfer/ Keplerstraße entlastet, der Arnulfsplatz ebenso und den könnte man dann endlich anständig gestalten. Das wäre eine Lösung. Aber wie alle Anträge, die das Logo „Freie Wähler“ tragen,wurde auch das abgelehnt.
Sie erwähnen jetzt immer wieder Ideen von Günther Riepl. Aber wo sind die Themen, die Ludwig Artinger in den letzten fünfeinhalb Jahren gesetzt hat?
Ich habe einen ganz anderen Ansatz als Günther Riepl. Er ist Bauingenieur, der aus seinem beruflichen Hintergrund heraus bestimmte Dinge entwickelt hat. Das war sein Markenzeichen. Ich verstehe mich in meiner Rolle als Fraktionsvorsitzender als Generalist. Ich muss in jedem Thema so weit drin sein, dass ich in der Lage bin, mich kompetent dazu zu äußern. Das mal grundsätzlich.
Aber natürlich habe ich Schwerpunkte. Ich habe von Anfang an für eine andere Art der Zusammenarbeit, für ein Miteinander im Stadtrat geworben. Das ist der atmosphärische Aspekt. Ein inhaltlicher Schwerpunkt von mir ist ein sozialeres Regensburg. Die Stadtspitze hat in der Vergangenheit zu sehr auf Wirtschaft gesetzt. Regensburg ist wie ein Unternehmen geführt worden. Das ist zwar gut, weil die Stadt wirtschaftlich sehr erfolgreich ist, aber das allein ist zu wenig. Regensburg muss sozialer werden.
„Ich bin für einen Stadtpass, aber…“
Bleiben wir doch gleich bei diesem Thema. Vor Kurzem ist das Bürgerbegehren für einen Stadtpass gestartet. Wie stehen Sie dazu? Von Ihnen hat man dazu noch nicht viel gehört.
Ich finde es sehr erstaunlich, wie das gerade läuft. Wir haben einen Sozialbürgermeister, der die Verantwortung für dieses Thema trägt und der 2008 mit einem Sozialticket im Wahlprogramm angetreten ist. Nach der Wahl hat Herr Wolbergs uns erklärt, dass wir abwarten sollten bis ein Sozialbericht vorliegt. Das hat uns überzeugt. Wir wollten warten bis etwas Konkretes vorliegt, auf dessen Basis wir entscheiden können. Jetzt ist die Stadtratsperiode vorbei. Der Sozialbericht liegt vor. Der Maßnahmenkatalog liegt vor. Und der Sozialbürgermeister schafft es nicht, das in den Stadtrat zu bringen. Ich hätte eben erwartet, dass Herr Wolbergs das zustande bringt und nicht, dass er sich jetzt darauf beschränkt, dasselbe Thema jetzt im Jahr 2014 wieder ins Wahlprogramm zu schreiben, obwohl er sechs Jahre Zeit gehabt hätte, es umzusetzen.
Da üben Sie jetzt dieselbe Kritik an Joachim Wolbergs wie die CSU und Christian Schlegl. Das ist schon interessant, aber welche Position haben Sie nun zum Stadtpass?
Ich bin dafür, dass man den Stadtpass im nächsten Stadtrat diskutiert und auch einführt. Ich werde mich aber jetzt trotz Wahlkampf nicht dazu hinreißen lassen und sagen: Jawoll, der Stadtpass muss jetzt genau so kommen, wie er bei dem Bürgerbegehren gefordert wird. Das wäre nicht seriös. Erst wenn ich vernünftige Informationen habe, kann ich entscheiden, was wir uns leisten können und was wir uns leisten wollen. Aber nochmal: Ich bin dafür, dass so etwas kommt und im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren eingeführt wird.
„60 Millionen für die Stadtbau? Das wäre Wahnsinn!“
Sozial ist auch das Thema, mit dem im Moment alle Wahlkampf machen: bezahlbarer Wohnraum. Sie schreiben auf Ihrer Homepage, die Stadt müsse künftig mehr Gebiete in Eigenverantwortung überplanen und so für günstige Preise sorgen. Außerdem betonen Sie, dass die Stadtbau dabei eine tragende Rolle spielen soll. Was soll das mit der tragenden Rolle genau bedeuten?
Zunächst einmal finde ich es interessant, womit SPD und CSU Wahlkampf machen. Da findet jetzt so ein Wettbewerb statt, wo jeder mit der Wundertüte herumrennt und sagt: Ich biete am Meisten. Der eine will in sechs Jahren 60 Millionen in die Stadtbau pumpen, der andere will 10.000 Wohnung in sechs Jahren bauen. Wenn man diesen Wahlversprechen auf den Grund geht, dann heißt doch das letztlich nichts anderes, als dass die beiden in den letzten sechs Jahren und die CSU weitere zwölf Jahre davor so schlecht gewirtschaftet haben, dass wir jetzt eben diesen eklatanten Mangel an Wohnungen haben. Das ist wieder einmal eine politische Bankrotterklärung.
Uns ist es wichtig und wäre in der Vergangenheit wichtig gewesen, dass die Stadt selber Gebiete entwickelt, wie es jetzt zum Beispiel bei der Nibelungenkaserne passiert. Die Stadt müsste überall dort, wo es möglich ist, in aller Stille Grund und Boden aufkaufen, entwickeln und dann kostendeckend ohne Gewinn an den Bürger weitergeben. Ich hoffe, dass wir das bei der Prinz Leopold- und der Pionierkaserne schaffen.
Und was soll die Stadtbau für eine tragende Rolle spielen? Geld ausgeben wollen Sie nicht. Was soll stattdessen passieren?
Ich halte es nicht für den richtigen Weg, 60 Millionen binnen sechs Jahren in die Stadtbau zu pumpen. Woher soll man das Geld nehmen? Natürlich wird die Stadtbau die tragende Rolle bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum mit Sozialbindung spielen. Aber sie kann dafür nicht dauerhaft am Tropf der Stadt hängen. Das wäre ja Wahnsinn. Wir können die Stadtbau unterstützen, wie das jetzt zum Beispiel in der Nibelungenkaserne gemacht worden ist. Wir wollen Sozialwohnungen, darum bekommt unsere Tochter die Grundstücke deutlich unter Marktwert, mit der Auflage dort bezahlbare Wohnungen zu schaffen.
Seltsames Abstimmungsverhalten im Aufsichtsrat? „Ich war nicht in diese Entscheidung involviert.“
Aber bei der Stadtbau fehlt doch jetzt schon Geld, oder? Geschäftsführer Joachim Becker begründet Mieterhöhungen, für die er oft kritisiert wird, insbesondere mit dem Argument, dass das Geld für Neubauten ja irgendwoher kommen müsse.
Ich habe natürlich nicht die Innenansicht wie Herr Becker, um das auf Euro und Cent nachvollziehen zu können. Aber eines ist auch klar: Die Stadtbau als 100prozentige Tochter der Stadt macht die Wohnungspolitik, die ihr von der Regierungsmehrheit vorgegeben wird. Sie darf nicht jeden gesetzlichen Spielraum ausnutzen, was z.B. Mieterhöhungen anbelangt. Wenn die Stadtbau am Wohnungsmarkt so agiert wie jeder private Investor, dann brauchen wir sie eigentlich gar nicht mehr. Falls das mit den vorhandenen Mitteln nicht der Fall sein sollte, dann muss man überlegen, ob man bereit ist als Stadt entsprechend einzugreifen. Aber das politische Ziel ist klar: Die Stadtbau muss mit gutem Beispiel voran gehen. Sie muss sozialer und mieterfreundlicher sein als andere.
Warum haben die Freien Wähler dann im Aufsichtsrat der Stadtbau gegen eine vorzeitige Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen gestimmt? Das hat dazu geführt, dass die Stadtbau noch hunderte Mieterhöhungen verschickt hat, ehe die Kappungsgrenze für ganz Regensburg eingeführt wurde. Das passt doch nicht mit dem zusammen, was Sie eben gesagt haben.
Ich bin nicht persönlich im Aufsichtsrat der Stadtbau. Ich war nicht in diese Entscheidung involviert. Ich kenne nicht die Argumente, die dazu geführt haben, dass die Mehrheit des Aufsichtsrats dagegen war. Ich weiß es nicht. Und selbst wenn ich es wüsste – das sind Dinge aus einer nichtöffentlichen Sitzung. Das ändert aber nichts an der politischen Bewertung, die ich vorher getroffen habe: Die Stadtbau darf die gesetzlichen Spielräume nicht so ausnutzen, wie jeder andere Investor. Wenn nach dem Beschluss des Stadtrats für die Kappungsgrenze und vor deren offizieller Einführung noch Erhöhungen über 15 Prozent eingeleitet wurden, die nicht schon früher in Gang gesetzt worden sind, dann wäre das bedenklich. Das geht nicht. Und so etwas darf es in Zukunft auf keinen Fall mehr geben. Da würden wir eingreifen, sofern wir politische Verantwortung tragen.
„Unser Wahlerfolg war keine Eintagsfliege“
Glauben Sie, dass Sie in eine solche Position kommen werden? Bis zur letzten Wahl war Günther Riepl ein einzelner Guerilla-Stadtrat. Zwar kamen die Freien Wähler mit vier Leuten in den Stadtrat und haben bei der OB-Wahl mit 13 Prozent einen Achtungserfolg erzielt. Aber Sie haben doch damals nur davon profitiert, dass die CSU zerstritten war. War Ihr Wahlerfolg mehr als nur eine Eintagsfliege?
Sie haben natürlich recht. Die letzte Wahl war ein Quantensprung. Und natürlich haben wir das letzte Mal von der zerstrittenen CSU profitiert. Ich wurde ja als OB-Kandidat damals sogar von der CSB unterstützt. Die haben jetzt einen eigenen Kandidaten. Aber ich bin überzeugt, dass ich die letzten fünfeinhalb Jahre gute Arbeit geleistet habe. Ich war auch relativ gut in den Medien präsent. Und dass das keine Eintagsfliege ist, hat man auch an der letzten Landtagswahl gesehen. Die Freien Wähler in Regensburg haben als einzige in der ganzen Oberpfalz nicht verloren, sondern zugelegt. Darauf will ich aufbauen, wenngleich das unter den momentanen Umständen sicher schwierig ist.
Zumindest haben Sie jetzt einen neuen Freund gewonnen. Früher waren Sie der Lieblingsfeind von Christian Schlegl. Das galt auch umgekehrt. Plötzlich verstehen Sie sich richtig gut. Sind das schon die Koalitionsvorbereitungen?
Am Anfang hatte ich schon das Gefühl, dass ich der Hauptgegner von Herrn Schaidinger und Christian Schlegl war. Schlegl war der Haudrauf des Oberbürgermeisters. Aber er hat sich geändert. Nicht nur, was den Umgang mir gegenüber anbelangt, sondern ganz allgemein. Wir beide haben jetzt eine gute Arbeitsebene gefunden. Das heißt aber nicht, dass eine wie auch immer geartete Verbrüderung stattgefunden hätte. Als es zuletzt um das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum ging, habe ich auch die CSU kritisiert. Die Mietsteigerungen und die Wohnungsnot sind ja Ausdruck der Versäumnisse der Politik der letzten sechs bzw. 18 Jahre. Und Hauptverantwortlicher dafür ist die CSU. Ich habe mich also nicht geändert, was den Umgang im Stadtrat betrifft. Ich bin versöhnlich im Umgang. Ich habe Respekt vor dem anderen. Aber in der Sache bin ich hart wie ehedem. Geändert hat sich Schlegl.
Liegt die gute Arbeitsebene vielleicht daran, dass Sie schon immer recht gut mit dem Rieger-Lager konnten und es nach dem CSU-Frieden plötzlich keinen Grund mehr gibt, Herrn Schlegl anzugehen?
Sowohl Franz Rieger wie auch Herrmann Vanino sind persönliche Freunde von mir und wir haben uns darüber hinaus auch schon immer politisch gut verstanden. Die beiden sind Leute, die nicht mit einem Brett vorm Hirn durch die Landschaft laufen, sondern zeigen sich auch durchaus offen für andere Vorstellungen. Das ist auch mein Verständnis von Politik. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Mich interessiert dieses CSU-SPD-und-sonstwas-Gerede nicht. Es geht um Themen. Es geht um Probleme. Und da muss man schauen wie man zu einer vernünftigen Lösung kommt, unabhängig von diesen Sandkasten-Spielen.