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Eine späte Hommage an Michael Hinz, genannt Punker-Mike

XV. Station: Der Heiland kippt am Fischmarkt nach hinten

Michael Hinz, genannt Punker-Mike (1960 – 2011). Bild: Nadine Trautzsch/ as

Nachdem städtische Ehrenkränze auf Gräbern von Kriegsverbrechern und SS-Offizieren herumliegen, hier als kleiner Ausgleich – etwas verspätet zum ersten Todestag (hier ein Nachruf) und 52. Geburtstag – ein Kranz für einen Punker, der sich um die Stadt Regensburg verdient gemacht hat.
O Faulheit, erbarme Du Dich des unendlichen Elends! O Faulheit, Mutter der Künste und der edlen Tugenden, sei Du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit! Paul Lafargue
Man ging ihm aus dem Weg, so gut es ging. Meistens ging es nicht gut, er hatte verdammt scharfe Augen, noch im Delirium, und er war oft im Delirium. Es war Anfang der 90er Jahre, ich wohnte am Fischmarkt. Der Punker-Mike war ein Faktotum in der Stadt. Er terrorisierte die Leute allein durch seine Anwesenheit, durch seine Ekelhaftigkeit, durch seine Hartnäckigkeit, ich kann mich zum Beispiel an eine solche Szene im „Flex“ erinnern, einer kurzlebigen Kneipe im Weißgerbergraben. Selbst der Martin und der Stefan, meine älteren und abgebrühteren Freunde, fürchteten ihn. Aber dann war da diese Begegnung am Fischmarkt: Der Punker-Mike, wieder mal. Doch diesmal hatte er sich was besonderes ausgedacht. Er hatte sich eine Matratze auf den Rücken geschnallt. Wenn ich’s nicht selber gesehen hätte! Ich weiß nicht, wie er das technisch gemacht hat, jedenfalls funktionierte es astrein. Es war eine eher schmale und auch nicht übermäßig lange Matratze, sie saß ihm wie maßgeschneidert. Natürlich ragte sie über ihn hinaus und bog sich über seinen Kopf nach vorn herunter, sodaß sie gleichzeitig auch noch als Kopfbedeckung diente. Auf jeden Fall war ich sprachlos ob dieser genialen Erfindung und bin es im Grunde noch heute. Hinter all der Widerborstigkeit und manchmal auch aggressiven Feindseligkeit steckte eben doch ein Philosoph! Und was für einer! Diogenes mit seiner Tonne kann einpacken gegen den Punker-Mike mit seiner Matratze! All die Schlaumeier und Dampfplauderer, die jahrzehntelang die „menschliche Unbehaustheit“ beklagten und die „existenzielle Obdachlosigkeit“ beschworen – der Punker-Mike hat ihnen für immer das Maul gestopft: Laßt das lamentieren! Schnallt euch eine Matratze um! Problem gelöst! Nie mehr auf den Rücken fallen und wehrlos wie ein Käfer herumzappeln! Stattdessen: jederzeit auf den Rücken fallen können und auf der Stelle selig einschlafen! (Wie man mit einer Matratze auf dem Rücken allerdings wieder hochkommt – das geht vermutlich doch eher in Richtung strampelnder Käfer, ich hab’s nicht gesehen, wie’s der Punker-Mike gemacht hat.) Auf jeden Fall war sich der Punker-Mike des Problems bewußt: daß man jederzeit als ungeheures Ungeziefer aufwachen kann. Bzw. daß man als berufsmäßiger Punker eh schon von allen als Zecke und sonstwas angesehen wird. Soviel ist sicher: Kafka hätte sich totgelacht, wenn er Anfang der 90er am Regensburger Fischmarkt vorbeigekommen wäre. War Gregor Samsa ein Punker? Nach hundert Jahren emsiger Kafkaexegese eröffnen sich ganz neue Perspektiven! Nicht minder für die Heiligenverehrung im Bistum Regensburg. Die Resl von Konnersreuth war sieben Jahre lang ans Bett gefesselt, Anna Schäffer ihr Leben lang. Die eine wird dafür seliggesprochen, die andere heilig. Der Punker-Mike hat sich immerhin freiwillig – nein, nicht ans Kreuz schlagen, aber doch an die Matratze binden lassen, und wie er so geringfügig gebückt mit seiner leichten Last am Rücken daherkam, das war natürlich auch eine schier jesusmäßige Allegorie, die Vollendung des Kreuzwegs, die 15. Station: Nach einer endlosen Via dolorosa bricht der Heiland am Fischmarkt zusammen, er kippt nach hinten, doch wer fängt ihn mit sanften Armen auf? Seine weiche Matratze! Angesichts der nichtendenwollenden Sympathie- und Solidaritätsbekundungen westlicherseits mit den für ihren Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale zu Straflager verurteilten Pussy Riots und der unausgesprochen dahinterstehenden Überzeugung, „bei uns im Westen“ sei so ein drakonisches Urteil nicht möglich, muß man sich nur mal vorstellen, irgendein teuflisch veranlagter Mensch hätte dem Punker-Mike seinerzeit eine Fahrkarte nach Altötting gekauft, der Punker-Mike hätte seine Matratze umgeschnallt und sich auf den Weg gemacht, um den Pilgern, die, ein Holzkreuz auf den Schultern, auf den Knien um die Gnadenkapelle rutschen, Gesellschaft zu leisten… Mit zwei Jahren Straflager wär der Punker-Mike nicht davongekommen! Sondern vermutlich mit lebenslanger Einweisung in die Psychiatrie! Und die Zeitungen hätten darüber einen höhnisch-belustigten Einspalter gebracht, aus, fertig, amen. Das Pussy-Riot-Fieber im Westen ist eine späte Freilichtinszenierung von Tschechows „Drei Schwestern“: „Nach Moskau! Nach Moskau!“ Doch wer rühmt den Propheten daheim am Fischmarkt? Der Punker-Mike war wahrlich nicht der geringste unter den Aufrührern! Unzählige Polizeieinsätze hat der Punker-Mike ausgelöst. Panische Reaktionen angstbesessener Bürger. Wer ihm furchtlos in die Augen schaute, kam mit ihm zurecht. Doch die ganze Stadt war in neurotischer Abwehr auf ihn fixiert. Beim alltäglichen Glockenspielterror von St. Johann oder bei den Vorstandswahlen der Altstadt-CSU ruft niemand die Polizei. Aber wehe, ein Punker provoziert die arbeitsame Bevölkerung mit einer umgeschnallten Matratze! Jeder hat so sein Päckchen zu tragen! Der Punker-Mike hat das bürgerliche Elend glasklar erkannt. Und mit einem genialen Kunstgriff ein entwaffnendes Erlösungsangebot gemacht, die Melodie kommt, wie der Punk, aus Engelland: Just take a look at the bright side of life! Und dafür wird er ja auch, wie diese Hagiographie zeigt, heute noch verehrt. Der heilige St. Emmeram steht seit tausend Jahren scheinheilig mit seiner Leiter herum, Don Juan kriegt seinen Fuß nicht vom Türkenkopf herunter, doch der stille Held dieser Stadt ist ein Mann, dessen Insignium die Matratze ist: In hoc signo vinces! John Lennon hätte sofort ein Lied über ihn geschrieben, die ultimative Weiterentwicklung des bed-in hätte ihm auf der Stelle eingeleuchtet. Jajaja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt! Räder müssen rollen für den Sieg! Da packt den Punker-Mike gleich die Arbeitswut, er kämpft vergeblich dagegen an, er fällt nach hinten um. Wumm. Graz hat Werner Schwab hervorgebracht, London Sarah Kane, Dortmund Martin Kippenberger, Oberhausen Christoph Schlingensief, Regensburg (neben Wolfgang Grimm) immerhin den Punker-Mike. Seine Bühne: der Haidplatz. Der Fischmarkt. Seine Mitspieler: jeder, der es wagte, über den Haidplatz zu gehen oder der ihm auf dem Fischmarkt in die Quere kam. „Wir sind der Schmerz, nicht die Ärzte.“ Soll Gottfried Benn im Namen der Künstler gesagt haben. Oder stammt der Satz doch vom Punker-Mike? Adenauer hat das beleuchtete Stopfei erfunden, Samuel Cohen die Neutronenbombe, der Punker-Mike die Immerdabeimatratze. Heimat bist du großer Söhne: Don Juan d’Austria bewahrte das christliche Abendland vor der Herrschaft der Türken, Ratzinger hielt eine Rede im Audimax, die die halbe islamische Welt in Aufruhr versetzte, der Punker-Mike schlief am Fischmarkt den Schlaf der Gerechten. Auf daß das Wort des Propheten erfüllt werde: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. „In einer Welt, die vor Tüchtigkeit aus den Fugen gerät“ (Kurt Marti, Leichenreden, 1969), war der Punker-Mike ein Schlummerapfel auf zwei Beinen, ein Sandmännchen in höherer Mission, ein Propagandist der Faulheit und Prediger des Nichtstuns, ein Botschafter der Verweigerung und der Sabotage, der Patron der Faulenzer und Taugenichtse, der Erzfeind aller Gschaftlhuberei und Emsigkeit, der Bloßsteller der allseitigen Beflissenheit und Betriebsamkeit, der Verächter und Verarscher aller Arbeitsamkeit. Arbeit schändet nicht!? Arbeit macht frei!? Das einzige, was nicht schändet und was frei macht, ist die allgegenwärtige und allzeit verfügbare Matratze! Da schaut der biedere Bürger: Da legst di nieder! Liebe Brüder und Schwestern, gedenket allzeit des Punker-Mikes! Der da war ein großer Schlendrian vor dem Herrn! Sehet die Lilien auf dem Felde, sie säen nicht, sie ernten nicht, und doch werden sie vom Bauern mit einem Breitbandherbizid ausgemerzt! Sehet dagegen den Punker-Mike auf dem Fischmarkt! Er werkelt nicht, er wuselt nicht, und doch fällt er nach getaner Arbeit immer auf eine weiche Matratze! Wer dem Punker-Mike nachfolgen will, der verleugne die nationale Arbeitsfront und nehme seine Matratze auf sich! Und so, wie schon der Märtyrer des Matratzenlagers von Horst Seehofer in die Walhalla aufgenommen ward, so wird auch der Punker-Mike dereinst auf marmorner Matratze ruhn! Ein Hinz ist uns geboren, ein Punk ward uns geschenkt! Michael Hinz – andere Leute, die so heißen, legen sich einen zweiten Vornamen zu, oder zumindest einen abgekürzten: Michael J. Hinz, Michael Maria Hinz. Der Punker-Mike begnügte sich damit, seinen Familiennamen abzuwerfen und seinem Vornamen die Berufsbezeichnung hinzuzufügen: Punker-Mike. Schlichte Erhabenheit. Wie Papst Benedikt. Oder Jack the Ripper. Die Schlichtingers und Viehbachers und Schaidingers dieser Stadt sind austauschbar, von den Grabers und Müllers ganz zu schweigen, man wird sie miteinander verwechseln, sie werden in Vergessenheit geraten. Allein der Punker-Mike wird vor der Geschichte bestehen. Der Adel der Einzigartigkeit umweht ihn. Ein erratischer Solitär, ein Widerporst von Gottes Gnaden, ein Punkerprinz, als sei er vom Himmel gefallen, ein Aristokrat der Armut, ein so aufrichtiger und bedingungsloser Punk, daß er ein Dutzend Dandies in die Tasche gesteckt hätte. Eine Thurn und Taxis und ein Gerhard Ludwig Müller ließen sich PRhalber zusammen mit Folklore-Punkern ablichten. Vor dem Punker-Mike hätten sie Reißaus genommen und nach ihren Bodyguards gerufen. Eine Stadt, in deren Ehrenbürgerliste unauslöschlich der größte Domspatzenfan und -förderer aller Zeiten, unser geliebter Führer Adolf Hitler, verewigt ist, die aber seit dem 8. Mai 1945 auf ihr Recht pocht, davon nichts mehr hören zu wollen, eine solche Stadt hat sich den Punker-Mike allemal redlich verdient! Besser gesagt: auch so gesehen ist der Punker-Mike allzu früh von uns gegangen! Er hätte diese verkommene Stadt von Rechts wegen noch tausend weitere Jahre piesacken müssen! Als Kardinalstaatssekretär erteile ich der allseitigen Verehrung des Punker-Mikes hiermit das Nihil obstat! Regensburg, im November 2012+ Paul Casimir Marcinkus
Schikanen gegen Flüchtlingsprotest

Ungleich per Gesetz

Wenn es um Verwaltungsauflagen geht, müssen in Deutschland alle Menschen gleich behandelt werden. Das ist klar. Ein fester Grundsatz. Bei den Menschenrechten gilt das selbstverständlich nicht. Eine Reise von Regensburg nach Berlin.

Kämpferische Kanalarbeiten

Zitiert nicht, baggert!

Kampfesmut braucht es nicht nur als Soldat bei Wehrmacht und Bundeswehr, sondern auch bei der tagtäglichen Arbeit – zum Beispiel auf einer Baustelle in Regensburg. Da überschneiden sich auch die Durchalteparolen.

DSDS und SPD casten in Regensburg

Wer wird der Superkandidat?

Deutschland sucht den Superstar, die SPD den Super-Kandidaten. Beide Castings finden am 5. September in Regensburg bzw. ganz in der Nähe (Obertraubling) statt. Beide versprechen eine bundesweite Karriere, das eine auf der Showbühne, das andere auf dem politischen Parkett. Der Unterschied: Bei DSDS ziehen die Jury-Mitglieder von Ort zu Ort, um sich immer wieder neue mehr oder weniger viel versprechende Kandidaten anzuschauen, bei der SPD gehen die Kandidaten auf Tour, um sich einer immer neuen „Jury“ aus SPD-Mitgliedern vorzustellen.

Tierschutz bizarr

PETA blau

Was hat der Spitalgarten in Regensburg mit der Überfischung der Meere zu tun? Das wissen auch die Aktivisten von PETA nicht so genau. Sie haben dazu aber trotzdem eine Pressemitteilung geschrieben.

Morgen, Regensburg!

Bürgermeister Gaga

„Eigentlich ist es egal, weswegen Du in der Zeitung stehst. Hauptsach’, Du stehst in der Zeitung!“ So lautet der Rat, den ein altgedienter Regensburger CSU-Stadtrat in kleiner Runde schon mal jüngeren Polit-Einsteigern mit auf den Weg gibt. „Wenn dei Gsicht koaner kennt, hilft Dir de ganze Politik nix.“

Pseudo-Prominenz ohne Rückgrat

Fürstliches Dschungelcamp

Schlossfestspiele: Der fürstliche „Überraschungsgast“ Viktor Orbán erregt weiter die Gemüter. Zumindest bei manchen. Betrachtet man aber, wen Gloria in der Vergangenheit von den Festspielen profitieren ließ, ist Orbáns Einladung nur konsequent. Dem Gros der Pseudo-Prominenz ist das egal.

A weißes Blattl Papier

Dass man im Kulturreferat manchmal vor dem Nichts steht, mag den einen oder anderen Kritiker nicht mehr überraschen. Dass man diese Tatsache allerdings frank und frei einräumt und sichtbar im Jahresbericht zur Schau stellt, ist als frappierender Akt der Ehrlichkeit zu bewerten. Nachzusehen im Jahresbericht 2011. Nachlesen wäre etwas schwierig…

drin