Die Kirche klagt, die Allgemeinheit zahlt
Warum zieht die Diözese Regensburg trotz anhaltender Erfolglosigkeit eigentlich so gern vor Gericht? Vielleicht liegt es daran, dass ein Gutteil der Kosten vom Steuerzahler übernommen werden muss.
Stellen Sie sich vor: Sie haben einen Haufen Geld und einen Haufen Macht, sind fast schon pathologisch misstrauisch, halten sich für den Inhaber der absoluten Wahrheit und setzen diese Wahrheit notfalls auch gerichtlich durch. Jetzt kommt jemand daher und bewirft Sie öffentlich mit dem Dreck, den Sie am Stecken haben. Was tun Sie? Genau! Sie nehmen sich den besten Anwalt, den Sie für Geld kriegen können und klagen vor einem Gericht fern Ihrer Heimat, weil Sie von dort schon recht viel Gutes gehört haben. Die Mühlen der Justiz beginnen zu mahlen. Dem Lügner wird fürs Erste das Maul gestopft. Er zahlt die Gerichtskosten und Ihren Rechtsanwalt. Sie freuen sich und beschimpfen ihn öffentlich als „bösartigen Lügner“, der die „belegte Unwahrheit“ verbreitet und sich dazu auch noch einiger „Komplizen“ bedient habe.
Schweigegeld-Verfahren: 2.300 Euro übernimmt der Steuerzahler
Doch am Ende – gut eineinhalb Jahre später – stellt ein höheres Gericht fest: Der Lügner ist gar kein Lügner und auch gar nicht so bösartig. Ja, unglaublich: Was er behauptet hat, ist „im Licht der Meinungsäußerungsfreiheit“ nicht nur erlaubt. Tatsächlich haben Sie, sagt dieses Gericht, „jedenfalls aus moralischen Gesichtspunkten heraus“ versagt und verlieren schlussendlich den Prozess. Sie ärgern sich und nehmen das Urteil „mit Bestürzung“ zur Kenntnis, mosern über das Gericht und bekräftigen Ihre „Wahrheit“. Dann lassen Sie sich die Gerichtskosten von der Allgemeinheit bezahlen. Unglaublich? Nein. Im „Schweigegeld-Verfahren“, das die Diözese Regensburg gegen unsere Redaktion angestrengt hat, muss die katholische Kirche lediglich die Rechtsanwaltskosten bezahlen. Die Gerichtskosten für zwei Instanzen von rund 2.300 Euro übernehmen alle Steuerzahler.
Kirchen sind von Gerichtskosten befreit
Grund dafür ist das Landesjustizkostengesetz von Hamburg. Laut §11 sind „Kirchen, sonstige Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen, die die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben“ von den Gebühren, „die ordentlichen Gerichte in Angelegenheiten der streitigen und freiwilligen Zivilgerichtsbarkeit und die Justizverwaltungsbehörden erheben“ befreit.
Regensburg: Klagen gegen Medien und Einzelpersonen
Hamburg bildet dabei keine Ausnahme. Auch wenn die Rechtssprechung dazu zum Teil sehr verworren ist, kann man festhalten, dass dieses Privileg in nahezu allen Bundesländern gilt. Es geht zum größten Teil auf ältere Regelungen aus der Weimarer Reichsverfassung und preußische Vorschriften zurück. Die Diözese Regensburg hatte in der Vergangenheit mehrere Medien verklagt, die ihr in Zusammenhang mit dem sexuellem Missbrauch von Kindern Vertuschung und damit verbundene Geldzahlungen vorgeworfen hatten. Soweit bekannt, hat die Diözese sämtliche Verfahren verloren. Ebenso erfolglos wurde etwa auch ein Leserbriefschreiber verklagt, der es gewagt hatte, Aussagen des gen Rom versetzten Bischofs Gerhard Ludwig Müller zu Kirchenaustrittszahlen zu widersprechen. Alles auf Kosten der Steuerzahler.
„Klagen fallen der Allgemeinheit zur Last“
„Gerade die Fälle im Bistum Regensburg sind ein schlagendes Beispiel dafür, dass solche Privilegien abgeschafft werden müssen“, sagt unser Rechtsanwalt Nils Pütz. Die Klagen gegen Meinungs- und Pressefreiheit dienten weder den gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken, mit denen sie begründet würden, noch der Allgemeinheit. „Sie fallen im Gegenteil der Allgemeinheit zur Last, die auch noch die Gerichtskosten dafür übernehmen muss“, so Pütz. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg im Rechtsstreit mit unserer Redaktion hat die Diözese Regensburg – wie berichtet – Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und offenbar sind wir die Einzigen, die mit einem solchen Privileg bedacht werden. Auch gegen den Spiegel und den Springer-Verlag hatte man sich über zwei Instanzen gestritten und verloren. Laut einer Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts liegen Beschwerden in diesen Fällen nicht vor. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden die (zum Teil) bereits an uns zurückgezahlten Prozesskosten auf einem eigenen Konto verwahrt.