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Misslungener antifaschistischer Schutzwall

Regensburger Extremismusklausel

Regensburg hat letzte Woche seine eigene Extremismusklausel bekommen. Selbst innerhalb der SPD gab es Widerstand – die Opposition stimmte hingegen einhellig zu. Jetzt braucht es neue Kunstaktionen.Hitler-Zwerg2

Ein Kommentar von David Liese

david_morgen„Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.“

Mit diesem Passus mussten sich Antragsteller bis vor kurzer Zeit noch zu Demokratie und Verfassung bekennen, um vom Bund Förderung für kulturelle Programme zu erhalten. Das sorgte nicht nur in der antifaschistischen Szene für Unmut: Projekte gegen Nazis wurden massiv behindert und indirekt als linksextremistisch diffamiert. Die sogenannte „Extremismusklausel“ gehört dank der neuen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) mittlerweile der Vergangenheit an.

Seit letztem Mittwoch hat Regensburg eine eigene „Extremismusklausel“. Die Stadtspitze ist stolz drauf. Im Kulturausschuss wurde folgender schöne Satz in die neuen Kulturförderrichtlinien hineingestimmt:

„Begründete Zweifel an der politischen und weltanschaulichen Offenheit oder an der Toleranz gegenüber Andersdenkenden können zu einem Ausschluss aus der Förderung führen.“

Eine Art antifaschistischen Schutzwall

Statt zur Freiheitlich Demokratischen Grundordnung muss man sich als Förderbedürftiger nun also zu „politischer“ und „weltanschaulicher Offenheit“ bekennen, statt zum Grundgesetz zur „Toleranz gegenüber Andersdenkenden“. Oberbürgermeister Wolbergs sieht darin nicht etwa einen Eingriff in die Kunstfreiheit, sondern eine Art antifaschistischen Schutzwall.

Davon waren nicht alle im Kulturausschuss überzeugt. Der Widerstand kam aus der Koalition – von der Piratin Tina Lorenz und von SPD-Stadtrat Tobias Hammerl. Beide sind als Theaterwissenschaftlerin und Museumsleiter nah am Thema. Näher jedenfalls, als ein Joachim Wolbergs, der schon im Wahlkampf panische Angst vor kommunal geförderten Kunstaktionen der NPD hatte. Nazis, die Kunst machen? Ein ausdruckstänzerischer Hitlergruß, vorgetragen von pummeligen Neonazis in Bomberjacken auf dem Haidplatz: Eine Vorstellung, die eher amüsant als erschreckend wirkt. Das wäre doch mal was: Kunst statt Ku Klux, Gestalten statt Gewalt, Bildhauen statt verhauen. Sollen Faschisten ihren Fremdenhass doch lieber auf Bühnen spielen, statt an Flüchtlingsheimen zu zündeln.

Das Kuriosum: Auch die Linke stimmt zu

Hitler-Zwerg2Dass ausgerechnet Irmgard Freihoffer, die Linken-Vertreterin im Kulturausschuss, einer selbst aus Koalitionskreisen scharf kritisierten Extremismusklausel made in Regensburg zustimmt, ist ein Kuriosum für sich. Sie halte den Passus zwar „für gefährlich“, verstehe aber „die gute Absicht“. Ohne Not und sehr tolerant hob Freihoffer denn auch die Hand für den verkorksten Versuch, die Kulturförderrichtlinien derart zu pervertieren.

Denn „gute Absicht“ hin oder her, der Eindruck drängt sich auf: Förderanträge, die dem Kulturamt zu politisch, zu heikel oder irgendwie nicht „weltanschaulich offen“ genug erscheinen, können mit Verweis auf die Richtlinien künftig ganz einfach abgelehnt werden. Immerhin wies man seinerzeit ja sogar die abhitlernden Gartenzwerge von Otmar Hörl zurück. Ganz ohne Klausel ging das übrigens. Was mit der bundesweiten Extremismusklausel vom Familienministerium, die sich ja auf Bildungsprogramme richtete, irgendwie noch pädagogisch zu erklären war, ist in einem Kontext, in dem es um die öffentliche Förderung und Unterstützung von künstlerischen und kulturellen, meist frei organisierten Projekten und Aktionen geht, schlichtweg ein Skandal.

Ein Skandal, auf den man nicht anders reagieren kann, als eine Aktion „Gegen Toleranz, weltanschauliche und politische Offenheit“ anzumelden und dafür eine Förderung beim Kulturamt zu beantragen. Auf solch einer Aktion gehört der entsprechende Passus tausendfach kopiert und vor dem Rathaus verbrannt. Davor ein Schild: „Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Regensburg.“

Unser Mitarbeiter David Liese ist in Regensburg selbst als Künstler und Filmemacher tätig.

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