Jahresrückblick I
Was ist 2014 in Regensburg passiert? Ein ausgewählter und ausdrücklich subjektiver Jahresrückblick unserer Redaktion in drei Teilen. Heute: Januar bis April.
Januar
In eigener Sache: Einschüchterungsversuch gescheitert
Gute Nachricht für unsere Redaktion: Ein gewalttätiger Neonazi scheitert mit seinem Versuch, uns einzuschüchtern. Weil wir über seine Prügelattacke bei einem Aufmarsch des Kameradschaftsnetzwerks Freien Netz Süd berichtet haben, zeigt uns Marcel Finzelberg wegen übler Nachrede an. Außerdem kündigt er zivilrechtliche Schritte an. Wir bleiben bei unserer Darstellung. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Von Finzelberg hören wir auch ansonsten nichts mehr. Einige Monate später wird das Freie Netz Süd verboten.
Fragwürdiger Saubermann
Unternehmer, Mäzen, Katholik: Der Putzunternehmer Karlheinz Götz gehört zum Who is Who der Regensburger Gesellschaft. In einer akribischen Recherche deckt unser Autor Robert Werner auf: Die Doktorarbeit von Götz ist ein von Plagiaten und Dilettantismus durchzogenes Machwerk. Mehrere Wissenschaftler melden sich kritisch zu Wort. Zahlreiche Medien berichten über den Fall. Erst nach Wochen zieht auch die Mittelbayerische Zeitung nach. Götzens Alma Mater, spanische Universität Oviedo, duckt sich weg und erklärt schließlich: „Alles in Ordnung.“ Eine Strafanzeige gegen Götz stellt die Staatsanwaltschaft Regensburg ein. Doch die offensichtlichen Ungereimtheiten und Pfuschereien bleiben. Peinlich: Just als die Affäre öffentlich wird, erhält Götz das Bundesverdienstkreuz. Kurz zuvor hat die Stadt Regensburg dem Unternehmer, der mehrfach wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingungen und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen in die Schlagzeilen geriet, auch noch die Runtinger-Medaille verliehen. Die ganze Affäre Götz zum Nachlesen.
Mietwucher dank Mietspiegel
Es dürfte ein bundesweit einmaliger Fall sein: Die Mieter-Vertreter weigern sich, den Regensburger Mietspiegel mitzutragen. Im Stadtrat hat das nicht all zu viele Folgen. Der qualifiziert das Zahlenwerk mir breiter Mehrheit. Kritiker müssen sich von der CSU verbal abwatschen lassen. Bereits kurz darauf zeichnet sich ab: Die Kritiker hatten nicht unrecht. Der Mietspiegel ist ein Preistreiber. Die Baugenossenschaft Margarentenau kündigt im Dezember an, konsequent unter den Berechnungen des Mietspiegels zu bleiben. Anders die Stadtbau GmbH. Von dort hört man nur: Wir halten uns doch sowieso an den Mietspiegel, obwohl wir auf dem freien Markt mehr erzielen könnten. Diese Haltung ändert sich bis zum Jahresende nicht.
Die Kandidaten im Gespräch
Piraten, CSB, CSU, SPD, ÖDP, Grüne, FDP, Freie Wähler und Linke: Noch nie gab es so viele OB-Kandidaten bei einer Kommunalwahl in Regensburg. Sogar die Frauenquote liegt über zehn Prozent. Wir knöpfen sie uns alle in ausführlichen und teils sehr persönlichen Interviews vor. Der eine kriegt's besser hin, der andere schlechter. Tatsächlich antworten die meisten Kandidaten auch auf die ihnen gestellten Fragen. Hier nochmal alle Interviews zum Nachlesen.
Alle Berichte vom Januar gibt es hier.
Februar
Harte Linie gegen Nazi-Blockierer
Nach der Eskalation bei der Auflösung einer NPD-Blockade im September 2013 setzt die damals scharf kritisierte Polizeiführung nun auf eine harte Linie. Im Februar wird bekannt: Gegen zahlreiche Personen, die an der friedlichen Sitzblockade teilgenommen haben sollen, laufen Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Nötigung. Die Betroffenen wehren sich, auch öffentlich. Mit Erfolg: Am Ende werden die Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einsatzleitung des harten und auch gefährlichen Polizeieinsatzes erhält vom Innenministerium Absolution.
Sozialministerium zwischen Lügen und Ignoranz
Weil dort auch eine Regensburgerin untergebracht ist, berichtet unsere Redaktion häufiger über Zustände in der Forensik Taufkirchen. Patientinnen werden hier tage- und wochenlang fixiert. Wir decken die genauen Zahlen auf, veröffentlichen ein Tonband. Auf Basis von Recherchen des Bayerischen Rundfunks und Regensburg Digital kommt heraus: Dem bayerischen Sozialministerium, der zuständigen Kontrollinstanz, waren die Missstände schon lange bekannt, Doch dort blieb man untätig und behauptet nun, von nichts zu wissen. Überregionale Medien greifen unsere Recherchen auf.
Das große Job-Wunder(n)
Von Mittelbayerischer Zeitung bis FAZ: Bundesweit wird über das angebliche Job-Wunder Regensburg berichtet. Tatsächlich beziehen alle Medien sich auf die fragwürdige Studie eines Suchmaschinenbetreibers. Regensburg Digital deckt auf: Alles Blödsinn. Die Untersuchung hat keinerlei Aussagekraft. Sämtliche Medien haben sich vor den PR-Karren eines Suchmaschinenbetreibers spannen lassen.
Wahlkampf bizarr I
Christian Schlegl hat die Wirte, Joachim Wolbergs die Kinder und beide zusammen scheinen ziemlich am Rad zu drehen: Die beiden Favoriten auf das Amt des Oberbürgermeisters greifen zu immer seltsameren Methoden, um das Herz der Wähler zu erreichen. Wir bedenken ihre Aktionen mit einigen Kommentaren und ernten damit nicht bei jedem Leser Begeisterung. Führende SPD-Mitglieder rufen dazu auf, uns die Unterstützung zu entziehen und von der JU werden wir wohl nie wieder Dosen-Prosecco bekommen.
Wahlkampf bizarr II
Ende Februar verliert die CSU die Nerven. Unter der Beratung des Veranstalters und Stadtzeitungs-Herausgebers Peter Kittel entscheidet sich das Führungstrio Christian Schlegl, Franz Rieger und Hermann Vanino dazu, die Koalition mit der SPD aufzukündigen. Die Begründung ist an den Haaren herbeigezogen, ein offensichtlich taktisch motiviertes Manöver und wer genau hinhört, merkt: Die CSU lässt sich ein Hintertürchen offen. Am Ende vergeblich.
In eigener Sache: Wir sind im Fernsehen
„Blogger: Engagierter als Lokalpresse.“ Unter dieser Überschrift berichtet das Medienmagazin ZAPP im Februar über Regensburg Digital. Es geht um unsere Recherchen zu „Dr.“ Karlheinz Götz. Bei der Mittelbayerischen Zeitung, vor deren Gebäude das NDR-Team Aufnahmen macht, reagiert man zerknirscht.
Alle Berichte vom Februar gibt es hier.
März
Die CSB implodiert
Einst angetreten, die CSU das Fürchten zu lehren, ist die CSB bereits im Kommunalwahlkampf zu einer Splittergruppe unter Ägide von Immobilienmakler Christian Janele mutiert. Kurz vor der Wahl geht der frühere Fraktionsassistent Tom Oberberberger bei Regensburg Digital mit Details aus dem Innenleben der Partei an die Öffentlichkeit. Von da ab dauert es nur noch wenige Tage, bis es die CSB komplett zerlegt. Spitzenkandidat Janele schließlich schafft den Sprung in den Stadtrat nicht und Dr. Eberhard Dünninger, der grade so reingewählt wurde, wechselt zur CSU. Doch Janele gibt nicht auf: Kurz vor Weihnachten wird er bei der Verteilung von Nikoläusen gesichtet.
Machtwechsel in Regensburg
Götterdämmerung in Regensburg: Die CSU fährt am Wahlabend des 17. März das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Den Spitzenkandidaten Christian Schlegl retten 18 Stimmen in die Stichwahl. Die Gigantomanie von CSU und SPD im Wahlkampf fand bei den Bürgerinnen und Bürgern keinen Niederschlag. Die Wahlbeteiligung ist mies. Am besten gelaunt am Wahlabend ist Hans Schaidinger. Warum? Er habe doch immer gute Laune, sagt er. Anders ist das bei Christian Schlegl. Er legt wenige Tage später den Fraktionsvorsitz nieder und übergibt an Hermann Vanino. Die Wochen bis zur Stichwahl übersteht er mit Ach und Krach, um dort mit unter 30 Prozent eine erneute Demütigung zu erfahren. Für die Strategie-Genies hinter dem Wahl-Debakel bleibt all das folgenlos. Ebenso für hochrangige Redaktionsmitglieder einer Tageszeitung, die sich bei fragwürdigen Hinterzimmer-Gesprächen als CSU-Wahlhelfer betätigt haben.
Vom Rammelfleisch zum Gammelfleisch
Einst machte er mit dem Porno-Pranger Schlagzeilen und mutmaßlich auch gutes Geld: der berühmt-berüchtigte Abmahnanwalt Thomas Urmann. Von Anfang an hatte Regensburg Digital auf die dubiosen Praktiken Urmanns hingewiesen. Nach seinem gescheiterten Versuch, mutmaßliche Redtube-Nutzer abzuzocken, wächst die Kritik auch in anderen Medien. Ein dubioser Abzock-Prozess, über den wir schon lange berichtet hatten, wird Thema. Schließlich stolpert Urmann über die Insolvenz einer Wurstfabrik, als deren Retter er zunächst aufgetreten war. Vom Amtsgericht Augsburg wird er wegen Insolvenzverschleppung angeklagt. Zunächst gibt es einen Deal: Urmann gesteht und erhält eine Bewährungsstrafe. Doch wenige Tage später lässt er den Deal platzen und legt Berufung gegen das Urteil ein. Die Staatsanwaltschaft zieht nach. Kurz vor Weihnachten wird dann bekannt: Die Rechtsanwaltskammer hat Urmann die Zulassung entzogen. Seine Rechtsanwalts GmbH hat Urmann da bereits in eine Gesellschaft zur Verwaltung eigenen Vermögens umgewandelt. Regelmäßig gibt es Verfahren vor dem Arbeitsgericht wegen nichtbezahlter Gehälter. Alle Urmann-Berichte gibt es hier.
Alle Berichte vom März gibt es hier.
April
Amokfahrt ohne Schuldigen
Es ist ein Fall der Regensburg bewegt hat: Am 1. August 2013 rast ein Mann mit einem Sportwagen durch die Stadt. Auf seiner Flucht vor der Polizei rast er in einen Waschsalon und tötet ein fünfjähriges Mädchen. Wie sich herausstellt, war der 46jährige psychisch krank. Am 8. April fällt vor dem Landgericht Regensburg das Urteil: Der 46jährige muss in die geschlossene Psychiatrie. Der Richter spricht in seiner Urteilsbegründung von einer „Katastrophe“, einer „menschliche Tragödie“, für die es aber „keinen Schuldigen“ gebe, sondern nur „einen Verantwortlichen im Sinne einer Kausalkette“. Der Volksmob auf Facebook tobt - wie üblich. Alles zum Prozess
Entmietung brutal
Seit über einem Jahr versucht ein Regensburger Rechtsanwalt eine schwerkranke Frau aus ihrer Wohnung zu klagen - mit allen Mitteln und äußerst rücksichtslos. Wenig Hilfe bietet der 72jährigen das Amtsgericht Regensburg. Dort weigerte sich ein Richter erst monatelang über einen Antrag ihres Rechtsanwalts zu entscheiden, ein anderer ordnete versehentlich ihre Zwangseinweisung an. Im April deckt Regensburg Digital auf: Ein gerichtlich bestellter Gutachter drohte der Frau mit Zwangsvorführung. Ohne jede Rechtsgrundlage. Folgen hatte das für den Gutachter keine. In dem Verfahren ist nach wie vor keine Entscheidung gefallen. Wir werden weiter berichten. Alles über den Fall.
Mahnwache mit NPD-Klaus
War es Zufall, Schicksal oder hatten doch die Lenker der globalen Weltverschwörung ihre Finger im Spiel? Als sich unsere Redaktion entscheidet, mal bei einer der berühmt-berüchtigten „Mahnwache für den Frieden“ vorbeizuschauen, treffen wir just auf einen Aspiranten auf den Kreisvorsitz der NPD. NPD-Klaus alias Andreas Diessinger erklärt, er sei bekennender Buddhist. Die Mahnwachler selbst reagieren auf den NPD-Aktivisten teils ablehnend, teils zustimmend, teils hilflos. Doch ganz abgesehen davon sind auch die restlichen Reden der Mahnwachler bestenfalls peinlich. Diessinger wird später nicht mehr bei den Mahnwachen, dafür bei einschlägigen NPD-Veranstaltungen gesichtet. Im Lauf der Monate bekennen sich auch die Regensburger Mahnwachen solidarisch mit den Verschwörungstheoretikern um Jürgen Elsässer und Lars Mährholz. Ob es die richtige Taktik ist, mit den "Wahnwichteln" gar keinen Dialog zu führen, wie es Jutta Dithfurt vorschlägt, sei trotzdem dahingestellt.
Der Stadtrat und die Prostituierten
Mit dem Welterbetitel will die Stadt Regensburg argumentieren, um Prostitution einzudämmen. Im Stadtrat kommt es im April deshalb zu witzigen Debatten. Christian Schlegl will gar ordnerweise Beschwerden von Anwohnern inklusive Fotos bei sich herumliegen haben. Die Prostituierten selbst finden das alles weniger witzig.
Das Ende des Hunnenplatzes
Im April muss dem geplanten Museum für bayerische Geschichte ein letztes Stück Regensburger Geschichte weichen: das letzt Haus mit der Straßenbezeichnung Hunnenplatz wird abgerissen. Ein Anlass für uns, um die bewegte Geschichte der östlichen Altstadt noch einmal aufzurollen. Man darf gespannt sein, ob sich in dem Museum dafür auch Platz findet.