Was 2011 in Regensburg alles hätte passieren können – und was tatsächlich passiert ist (oder auch nicht): ein höchst selektiver und nicht ganz ernster Jahresrückblick in sechs Teilen.
Zu einer ungewöhnlichen Aktionsgemeinschaft haben sich die in Regensburg ansässigen Unternehmen BMW, SchumaFrucht, Mittelbayerische Zeitung und Bischofshof zusammengeschlossen: Sie gründeten ein „Regensburger Bündnis für Arbeit“ und wollen damit die Bedingungen für Mitarbeiter verbessern und einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten.
Leiharbeit, untertarifliche Bezahlung und Arbeitszeitüberschreitungen waren gestern. In ihrer Gründungsdeklaration waren sich die beteiligten Unternehmen einig, ihre Mitarbeiter künftig überdurchschnittlich zu entlohnen und ihnen Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, die man angenehmer kaum vorfinden kann: Auf Leiharbeit und Outsourcing soll in diesen Unternehmen zukünftig verzichtet werden.Damit wolle man die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen stärken, sagte Peter Esser, der als MZ-Verleger und IHK-Präsident (Foto) in einer besonderen moralischen Verantwortung Arbeitnehmern gegenüber steht.
„Ein fairer Umgang steht im Mittelpunkt“
Außerdem sollen die neuen Regelungen Mitarbeiter davor schützen, von dubiosen externen Personal-„Dienstleistern“ ausgebeutet zu werden. „Die Kontrolle darüber, dass es meinen Mitarbeitern gut geht, übernehme ich lieber selbst“, so Esser. Bischofshof-Geschäftsführer Hermann Goß pflichtet ihm bei und und ergänzt: „Ein fairer Umgang, der das menschliche und wirtschaftliche Wohl unserer Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt, ist uns wichtig – gerade bei unserem katholischen Firmenhintergrund!“
Dass geregelte Arbeitszeiten und faire Entlohnung die Motivation und damit auch die Produktivität steigern, weiß Schuma-Inhaberin Margit Schuster-Lang. Deshalb werde sie in Zukunft besonders darauf achten, dass Pausenzeiten eingehalten werden und den Mitarbeitern zwischen den Schichten genügend Zeit für Erholung zur Verfügung steht.
Zudem beteuerten alle am Bündnis beteiligten Unternehmen, ihren Auszubildenden unbefristete Verträge anzubieten, sobald diese ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben. „Die Sorge um die sichere Zukunft unserer Kinder ist bei uns nicht nur ein Lippenbekenntnis“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. BMW hat zusätzlich angekündigt, bisherige Leiharbeiter in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu übernehmen.
„Qualifizierte Kräfte sind bei uns immer willkommen, nicht nur bei Produktionsengpässen“, verlautbart BMW-Pressesprecherin Martina Grießhammer. Außerdem wolle man die Idee eines Bündnisses für Arbeit auf lokaler Ebene in andere Städte und Landkreise tragen. Die Stellen der „Bündnisbotschafter“ sollen mit Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge besetzt werden, die es auf dem Arbeitsmarkt oft besonders schwer haben. „Junge Geisteswissenschaftler finden mit ihrer Kompetenz im Umgang mit Menschen, Inhalten und Medien und ihre Fähigkeit, überzeugend zu argumentieren, sind bei uns gern gesehene Arbeitskräfte“, heißt es auf der Homepage.
Was wirklich geschah…
Streiks, Anfeindungen, Drohungen: Das Jahr 2011 war trotz guter Arbeitsmarktzahlen ein anstrengendes für viele Arbeitnehmer in Regensburg. Die Mittelbayerische Zeitung wurde gleich zweifach bestreikt: Einmal wollten die Drucker verhindern, dass ihre Arbeitsplätze weiterhin von Leiharbeitern besetzt werden, dass sich ungelernte Arbeitskräfte an die Maschinen stellen dürfen, dass die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich um fünf Stunden erhöht und dass weitere Stellen aus dem Konzern in ominöse GmbHs ausgelagert werden.
Die Gewerkschaftsforderung nach 5,5 Prozent mehr Gehalt wurde nicht erfüllt, aber immerhin bleibt der Manteltarifvertrag in Kraft, kleinere Gehaltssteigerungen in der Größenordnung des Inflationsausgleichs gibt es auch. Im anderen Fall waren es die Redakteure, die sich gegen Gehaltskürzungen von bis zu 30 Prozent, vor allem bei Berufseinsteigern, Kürzungen in der Altersvorsorge und einer Deckelung der Urlaubstage zur Wehr setzten.Auch hier war das Maximum des Möglichen, die alten Bedingungen im Wesentlichen zu erhalten.
Lohndumping bei Citymail
Die Unzufriedenheit der Zeitungsausfahrer und der Mitarbeiter der MZ-Tochter „Citymail“ sind seit langer Zeit bekannt, blieben aber folgenlos. Auf eine Verbesserung hofft in dieser Branche wohl ohnehin niemand mehr.
Wenig freundlich verliefen auch die Auseinandersetzungen bei zwischen Beschäftigten und Geschäftsführung bei Bischofshof: Ein „radikaler Strukturwandel“ im Brauereigewerbe würde Bischofshof zu „klaren Konzepten“ zwingen. Diese „klaren Konzepte“ sehen unter anderem vor, dass auch hier Geschäftsbereiche in neu gegründete GmbHs auszulagern. Klar an dem Konzept ist auch, dass vor allem neue Mitarbeiter zu deutlich weniger Gehalt dort anfangen als bisher. Klar gemacht hat Geschäftsführer Goß offenbar auch, dass er Arbeit aus dem Unternehmen auslagern und so Arbeitsplätze vernichten will, wenn die Mitarbeiter streiken. So berichten zumindest Teilnehmer von einer Firmenversammlung.
Billige Arbeitskräfte durch die Hintertür
BMW hingegen holt sich Mitarbeiter offenbar gerne einmal durch die Hintertür im Untergeschoss über die Geheimtreppe in die Firma. Nicht einmal Leiharbeiter sind hier die Betroffenen von Lohndumping. Über so genannte Werkverträge kommen Mitarbeiter, die eigentlich wo ganz wo anders beschäftigt sind, in den Betrieb. Diese arbeiten dann zwar bei BMW für BMW, sind aber bei einem externen „Dienstleister“ zu dessen Konditionen beschäftigt – und die sind deutlich schlechter als die von BMW selbst.
Was genau bei Schuma-Frucht los ist, wird vor Gericht geklärt. Die meisten der derzeitigen Mitarbeiter zeigen sich auffällig loyal der Unternehmensführung gegenüber und haben viel Verständnis dafür, dass sie so viel arbeiten, dass es bereits strafrechtlich relevant ist. Dass der eine oder andere mit der Firmenchefin verwandt ist, spielt angeblich keine Rolle. Auffällig ist lediglich, dass von den 20 Mitarbeitern, die Anfang 2011 einen Betriebsrat ins Leben gerufen haben, 16 gekündigt haben oder wurden und der von der alten Belegschaft gewählte Betriebsrat mittlerweile von der Arbeit freigestellt ist – trotz angeblichen Personalmangels.
Zum Nachlesen:
http://www.regensburg-digital.de/t/mittelbayerische/
http://www.regensburg-digital.de/bmw-lohndumping-per-werkvertrag/
http://www.regensburg-digital.de/t/bischofshof/
http://www.regensburg-digital.de/t/schuma/
mkveits
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Die fiktionale Beschreibung der CSR passt wunderbar in die neue EU-Strategie zur sozialen Verantwortung der Unternemen. Gesucht sind, um es mit dem BP Wulff zu sagen, Unternehmer, die sagen, was sie denken, und tun, was sie sagen.
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/corporate-social-responsibility/index_de.htm
thomas reitemeyer
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HOFFNUNG
ich bin wirklich kein gläubiger mensch, aber ich hoffe inständig, dass es für leute wie herrn esser (und auch die anderen) einen himmel und eine hölle gibt. und ich hoffe dass sie für all das, was sie sagen und in der realität dann machen dort den gerechten lohn bekommen. weil hier auf erden anscheinend niemand ist, der deren sozialen ader herr werden kann.
weiter finde ich es toll, dass diese soziale ader noch mit knapp 30euro im monat von den leuten unterstützt wird und leute.
liebe leute ich sag nur einfach weiter so!
Ulrich Beer
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Also, mal langsam: Peter Esser ist eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit. Sonst wäre er nicht der Präsident der IHK. Seine Zeitungen sind zwar belanglos, tragen sich aber weitestgehend durch Umsatzerlöse aus Anzeigenverkauf. Redaktion ist eigentlich wurscht. Wer liest heute schon noch Zeitung? Und das ewige Gemotze über Leiharbeit und Dumpinglöhne? Ist doch immer noch besser als im Sklavenheer der Hartz-IV-Armada Schiffbruch zu erleiden. Früher, ja viel früher, mein Kind, gab es den Begriff des ehrbaren Kaufmanns. Da aber war dieser Herr Esser noch nicht auf der Welt. Und der Kapitalismus hatte noch eine soziale Abfederung erfahren. Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Sieht man sich das Imperium des Essers an, zweifelt man an seinem Vespasian. Natürlich stinken die Verhältnisse im Reich des Medienzaren zum Himmel. Seine Restredaktion dafür in Anspruch zu nehmen, wäre voreilig. Der Fisch stinkt vom Kopfe her… Zum Kotzen!
thomas reitemeyer
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ich sag dazu einfach nur: AMEN.
und wer sagt ihm das ganze mal persönlich?
thomas reitemeyer
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gibts da keine flashmobs, die diesen lieben menschen mal ehren könnten? bist auf ein paar herausragende lichter, habe ich leider bisher in regensburg nur lauter leute kennengelernt, die angst haben, feiglinge sind oder nur egoistisch.
könnt ihr mich nicht mal vom gegeteil überzeugen?
e.s.
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Das who is who der Arbeitswelt in Regensburg, fehlen nur noch zwei,drei andere.
Manche Chefs kann man nicht beschreiben , man muss sie erleben oder auch lieber nicht.