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Bis zu 40 Künstler müssen gehen

Intendanten-Streit: Jetzt melden sich die Schauspieler zu Wort

Vergangene Woche gab es harsche Kritik von der Brücke-Fraktion für den neuen Theaterintendanten Sebastian Ritschel. Hintergrund ist geplante Entlassung („Nichtverlängerung“) von bis zu 40 Beschäftigten. Nun melden sich die Betroffenen selbst zu Wort und sagen: Außer der Brücke habe zunächst niemand auf ihren Hilferuf reagiert.

Das Ensemble der Carmen am Regensburger Stadttheater 2016. Wie viele von ihnen sind zur Spielzeit 2022/23 noch dabei? Foto: Jochen Quast

„Die Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer sowie weitere künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theater Regensburg“. Auch wenn kein Namen unter dem Schreiben steht, das am frühen Montagnachmittag verschickt wird, ist klar: Hinter der Stellungnahme steht der überwiegende Teil des künstlerischen Personals am Theater Regensburg. Es geht um die Kritik der Brücke-Fraktion am neuen Intendanten Sebastian Ritschel.

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Wie berichtet sollen bis zu 40 Beschäftigte das Theater nach dem Intendantenwechsel zum 31. August 2022 verlassen. Brücke-Chef Joachim Wolbergs sprach in diesem Zusammenhang von der „Allmachtstellung eines Intendanten“ und von „Existenzzerstörungmacht“. Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer fordert die Brücke-Fraktion, „diesem Treiben des Intendanten umgehend einen Riegel vorzuschieben und sich gegenüber dem Personal des Theaters klar solidarisch zu positionieren“.

Nach Hilferuf an Verwaltungsrat: Nur die Brücke meldete sich.

Sitzt für die Brücke im Verwaltungsrat des Theaters: Thomas Mayr. Foto: pm

Von verschiedenen Seiten wurde der Brücke und Joachim Wolbergs anschließend vorgeworfen, sich mit einem Thema, das jeder Intendantenwechsel mit sich bringe, politisch zu inszenieren. Das sehen die Künstlerinnen und Künstler am Theater offenbar deutlich anders. Zwar verwahre man sich dagegen, politisch vereinnahmt zu werden. „Wir reden allerdings gerne mit jedem/r, der/die bereit ist, uns zuzuhören.“ Und die Brücke-Fraktion sei die einzige politische Gruppierung gewesen, die sich gemeldet habe auf einen Hilferuf, den die Ensembles Musik, Tanz, Junges Theater und Schauspiel bereits am 7. Oktober an die Mitglieder des Verwaltungsrats des Theaters Regensburg geschickt haben – namentlich an Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die beiden CSU-Stadträte Erich Tahedl und Bernadette Dechant, Yasmin Hopp und Wiebke Richter von den Grünen sowie Astrid Lamby (ÖDP), Kerstin Radler (Freie Wähler) und Brücke-Stadtrat Thomas Mayr.

Von „Bestürzung“ und einer „gewissen Ohnmacht“ ist angesichts der bevorstehenden Entlassungen die Rede. Das grundsätzliche Recht, eines neuen Intendanten, die Verträge mit Schauspielerinnen und Schauspielern nicht zu verlängern, wird in dem Schreiben nicht infrage gestellt. „Das entspricht zwar leider der gängigen Praxis im Theaterbetrieb in den letzten Jahrzehnten, aber was war, muss nicht richtig sein.“ Und ähnlich wie ein Betroffener mit dem regensburg-digital bereits vergangene Woche gesprochen hat, bemängeln die Unterzeichnerinnen des Schreibens vor allem die Art und Weise, wie die De-Facto-Entlassungen vonstatten gehen.

„Wir sind mehr als nur Verfügungsmasse.“

„Es geht uns um bessere Kommunikation. Man kann mit Arbeitnehmenden reden und sie nicht nur als Verfügungsmasse betrachten. Man kann interne Gespräche führen, Arbeitsproben vereinbaren, etc.“ Doch tatsächlich seien so gut wie keine Gespräche im Vorfeld geführt worden. „Die, die gehen müssen, hatten keine Chance, die neue Leitung kennenzulernen und die, die bleiben, müssen die ‘Katze im Sack kaufen’, denn deren Verhandlungsfristen laufen Ende Oktober ab.“ Was das künstlerische Konzept sei, mit dem sich Sebastian Ritschel für Regensburg beworben habe, „das wissen wir bis heute nicht“.

Die Reaktionen der Theaterfreunde Regensburg, der Lokalpolitik, aber auch die flankierende Berichterstattung zu dem Thema wird in dem Schreiben mit den Attributen „Kälte und Einseitigkeit“ belegt. Mit Argumenten wie „War schon immer so“ und „ist doch juristisch korrekt“ werde eben nicht „Alles anders“ bleiben, so das Motto der laufenden Spielzeit, sondern eben so bleiben wie es ist. „Das kann nicht unser Ziel sein.“

Beschäftigter: Intendant verhält sich respektlos

Vergangenen Novemer hat der Verwaltungsrat des Theaters Regensburg Sebastian Ritschel als neuen Intendanten bestellt. Foto: Pawel Sosnowski

Ein Beschäftigter, der sich mit seinen Schilderungen ebenfalls an den Verwaltungsrat gewandt hat, selbst aber nicht von der Kündigung betroffen ist, geht mit seiner Kritik am Vorgehen Ritschels noch mehr ins Detail. Er bezeichnet es als „problematisch“ und „respektlos“ vom neuen Intendanten, dass dieser sich seit seiner Berufung im November 2020 kaum für das Haus und die Künstlerinnen und Künstler interessiert habe, zumindest nicht so, dass dies hätte wahrgenommen werden können.

Während des Lockdowns habe Ritschel niemanden der Betroffenen auf der Bühne sehen können. Danach habe er weder ein Vorsprechen noch ein Vorsingen organisiert. „Mit den Kolleginnen und Kollegen, die nicht auf der Bühne arbeiten, hat er so gut wie gar nicht gesprochen. Auf Mails wurde oft nicht geantwortet.“ Bei zufälligen Treffen sei man vertröstet worden und habe danach keine Rückmeldung mehr erhalten. „Es macht uns, die wir in der nächsten Spielzeit noch am Theater Regensburg arbeiten dürfen, traurig, zu sehen, wie Kolleginnen und Kollegen, die mit uns dieses Theater Ausmachen, behandelt werden.“ Der Verwaltungsrat solle Ritschel zumindest auffordern, den Menschen am Theater mit Offenheit und Respekt zu begegnen. „Das hat nichts mit Einschränkung von Kunstfreiheit zu tun.“

Fair Quote von Nichtentlassungen gefordert

Die Ensembles am Theater Regensburg fordern vom Verwaltungsrat, sich für eine faire Quote von Nichtentlassungen einzusetzen. Der erwartete Effekt: Der neue Intendant müsste sich tatsächlich mit den Beschäftigten auseinandersetzen anstatt sie pauschal zu entlassen. Bereits vergangene Woche hatte ein Betroffener moniert, dass die rechtlich vorgesehenen Anhörungen meist eine reine Formsache und die Nichtverlängerung bereits beschlossene Sache sei.

Regensburg können dagegen Vorreiter sein für einen anderen Umgang mit den Beschäftigten – für „eine faire Quote für Nichtverlängerungen, ein behutsames Abwägen der Nichtverlängerungen, ein sozialeres Sicherheitsnetz für aus dem Beruf gedrängte Künstlerinnen und Künstler und nicht zuletzt einen respektvollen, menschlicheren Umgang“. Und auch, auf übergeordneter Ebene, für einen besseren Tarifvertrag. Theater sei nämlich auch ein „Zukunftslabor für neue Leitungsformen“.

Auch Grüne mischen sich nun ein

Auf politischer Seite haben am Montag nach der Brücke nun auch die Grünen reagiert. In einer Pressemitteilung fordern sie eine „Abkehr von Massenentlassungen bei Intendant*innenwechsel“. Den zugrunde liegenden „Normalvertrag Bühne“, in dem diese Möglichkeit festgelegt ist, ebenso wie die generell schlechten Arbeitsbedingungen an deutschen Theatern, bezeichnet Fraktionschef Stefan Christoph als „schlechten Witz“. Seine Forderung: „Das Theater Regensburg ist Mitglied im Deutschen Bühnenverein und sollte sich dort konkret für einen besseren Tarifvertrag einsetzen.“ Am Theater selbst solle mehr mit den Beschäftigten kommuniziert werden.

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Kommentare (5)

  • Mutter

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    Selbst schuld, wer sich jemanden von der “Firma” ins Haus holt.
    Ich sage nur: I.M. Theater.

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  • J_D

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    Der Intendant an sich ist doch eigentlich weniger das Problem. Das Problem sitzt eigentlich viel tiefer im “Normalvertrag Bühne”. Dieser Tarifvertrag ist für eine dauerhafte Befristung der Künstler bis zum Intendantenwechsel ausgelegt. Da werden Verträge auch mal nur ein Jahr verlängert, weil dann eh der nächste Intendant kommt. Sich darüber aufzuregen, das dieses mal überdurchschnittlich viele Künstler auf die Straße gesetzt werden, ändert nichts an dem Grundproblem. Dieser Tarif- oder Sklavenvertrag verursacht allgemein Arbeitsbedingungen und Machtverhältnisse, die Schauspieler in eine absolute Abhängigkeit zu einem Intendanten zwingt.
    Ich hoffe die Stadt Regensburg nimmt die aktuelle Diskussion zum Anlass um die Struktur des Theaters zumindest in Ihrer Stadt zu reformieren und vernünftige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
    Ich fände es angebracht die Tätigkeiten der Geschäftsführung und der künstlerischen Leitung bzw. der Regie strickt und personell zu trennen.

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  • Quodlibet

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    Vielleicht sollte die Stadt einmal daran arbeiten, dieses anachronistische Standrecht aus dem 19. Jahrhundert abzuschaffen?

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  • Madame

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    Verkehrte theaterwelt. Die kunden sind das publikum. Vielleicht kommt 2022 die erleuchtung für das theater regensburg

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  • xy

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    Man kann den allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag natürlich einen “Sklavenvertrag” nennen, wie man überhaupt jeden Vertrag einen “Sklavenvertrag” nennen kann. Richtig ist jedoch, dass er versucht, die grundrechtlich garantierte Kunstfreiheit mit Arbeitnehmerrechten unter einen Hut zu bringen. Und wenn jeder weiß, worauf er sich einläßt und es überall ebenso gehandhabt wird, ist das auch in Ordnung. Es heisst:

    “Anders als bei Tarifverträgen üblich, dient der NV Bühne weniger dazu, die Arbeitnehmerschaft zu stärken. Er soll vielmehr Freiheiten schaffen, die im Idealfall eine künstlerisch sinnvolle Theaterarbeit erst möglich machen. Dazu zählen zum Beispiel agile Probenzeiten, Planungsflexibilität, regelmäßiger Vorstellungsbetrieb an Wochenenden und Feiertagen und die Möglichkeit, MitarbeiterInnen für eine Spielzeit ohne Kündigungsrecht zu verpflichten oder aus rein subjektivkünstlerischen Gründen bestehende Verträge nicht zu verlängern.”, vgl. https://nv-buehne.de/nv-buehne.html

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