Insassen geschlagen? Freispruch für JVA-Beamte
Zwei Sicherheitsbeamte sollen 2019 in der JVA Straubing ihre ganz eigenen Verhörmethoden angewendet haben. Wegen Gewalt im Amt mussten sie sich nun vor dem Amtsgericht Regensburg verantworten.
Es ist der 12. Juni 2019, vormittags in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Ein Teil der Insassen ist gerade in der anstaltsinternen Lagerhalle einer Zuliefererfirma für Krones beschäftigt. Bis dahin ein normaler Tag in der JVA. Doch dann herrscht plötzlich Aufregung. Einem der Firmenmitarbeiter ist ein PNA-Gerät abhanden gekommen. Das Funkgerät dient zur hausinternen Kommunikation. Je nach Sicherheitsstufe können darüber im Zweifel auch hochsensible Gespräche der Beamten mitverfolgt werden. Zwar ist das entwendete PNA nur für einen begrenzten Bereich freigegeben. Dennoch löst der Vorfall damals eine groß angelegte Suchaktion aus. Mehrere Insassen werden befragt.
„Es kommt regelmäßig vor, dass Gefangene sich über etwas beschweren.“
Vergangenen Mittwoch vor dem Amtsgericht Regensburg schildert ein in der Lagerhalle zuständiger Beamter die Ereignisse aus seiner Sicht. „Ich sollte meine Schäfchen zusammenhalten.“ Während die Sicherheitsbeamten die Anstalt auf den Kopf stellen, fällt ihm auf, dass ein Insasse abhanden gekommen ist. In einem Nebengang der Halle sieht er dann die zwei angeklagten Sicherheitsbeamten Quirin T. und dessen direkten Vorgesetzten Karl O. (alle Namen geändert). Die befragen gerade einen Insassen zum Verbleib des PNA – auf etwas uncharmante Weise. „Die haben ihn da am Krawattel gepackt und ein paar Mal gerüttelt“, erinnert sich der Zeuge. Erlaubt sei das „natürlich nicht“. „Aber mei“, so schlimm sei das nun auch nicht gewesen (der Fall spielt vor Gericht keine weitere Rolle). Karl O. gibt dem Lagerhallenbeamten dann zu verstehen, zu seinen „Schäfchen“ zurück zu gehen.
Tags darauf kommt Jan M. zu dem Zeugen, der aufgrund seiner Funktion auch eine gewisse Vertrauensperson darstellt. „Ich habe ja täglich mehrere Stunden mit denen zu tun und natürlich auch einen ganz anderen Umgang als die Sicherheit.“ M., der im Verfahren vor dem Amtsgericht Regensburg als Nebenkläger auftritt, ist ziemlich aufgelöst und wütend, will sich kaum beruhigen lassen. „Es kommt regelmäßig vor, dass Gefangene auf einen zukommen und sich über etwas beschweren“, so der Beamte. Sehr oft seien das Erfindungen und Lügen über andere Insassen oder das Verhalten der Justizbeamten. Auch wenn der Kiosk teurer geworden ist, ein Besuch oder Telefonat nicht genehmigt wurde, gäbe es Beschwerden. Jan M. habe er daher auch nur so halb zugehört und versucht, zu beschwichtigen.
Der S-Trakt: „Da hört dich erstmal niemand, wenn was passiert.“
Dabei treibt den Häftling etwas ganz anderes um als teure Zigaretten. Auch M. wird tags zuvor von den beiden Angeklagten aufgesucht. Die bringen ihn in den sogenannten S-Trakt. Es sei nicht ungewöhnlich, „dass man in einen anderen Bereich geht, der nicht unmittelbar an den Haftraum angrenzt“, erklärt der damalige Abteilungsleiter, der ebenfalls als Zeuge geladen ist. „Da würde ja sonst sofort geredet werden, wenn das die anderen Häftlinge mitbekommen.“ Und das sei auch für den Insassen nicht schön.
Der S-Trakt gilt als eher abgeschieden. „Da hört dich erstmal niemand, wenn was passiert“, sagt der Abteilungsleiter und zieht daraus vor allem sicherheitsrelevante Aspekte für die Kollegen. Die Videokameras dort werden nur auf Antrag der Leitung eingeschaltet. Was genau dort also an jenem Tag geschehen ist, wissen nur die Beamten und der Insasse. Wäre er in der Sicherheit tätig, er würde einen Gefangenen auch erst einmal auf gefährliche Gegenstände durchsuchen, sagt der damalige Abteilungsleiter im Zeugenstand. Wie es eben auch seine Kollegen am 12. Juni 2019 machen. Zumindest darüber gibt es vor Gericht keine großen Zweifel. Inwieweit von M. damals wirklich eine hohe potentielle Gefahr ausgeht, bleibt vor Gericht hingegen unklar. Seine Rechtsanwältin sieht das Vorgehen der Beamten bereits hier als fragwürdig an.
Angeklagter berichtet von mehreren Schlägen
Dem Beamten aus der Arbeitshalle und bereits kurz nach der Vernehmung der damaligen Sozialarbeiterin berichtet Jan M. nun aber ein völlig überzogenes, ja gewalttätiges weiteres Vorgehen. Demnach entgegnet M. den Beamten mehrfach, dass er das PNA nicht entwendete habe und auch nichts von dessen Verbleib wisse. Quirin T. habe dann schnell genug gehört, sich schwarze Handschuhe angezogen und den Insassen am Nacken gepackt. Dann habe er ihn nach unten gedrückt und mehrfach auf ihn eingeschlagen. Karl O. sei währenddessen in der Tür gestanden. Aktiv habe der Vorgesetzte in das Geschehen nicht eingegriffen, aber auf seinen Kollegen beschwichtigend eingegriffen. „Ich weiß schon wie ich das mache, dass man nichts merkt“, habe Quirin T. entgegnet. Das jedenfalls ist die Erzählung von Jan M. Die beiden Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe vor Gericht.
Für sie steht viel auf dem Spiel. Während Karl O. aus gesundheitlichen Gründen kurze Zeit nach dem PNA-Vorfall pensioniert wurde, stünde die Karriere seines Kollegen vorerst vor dem Aus. Laut Rechtsanwalt Tim Fischer wäre sein Mandant noch weiter aufgestiegen, hätte es dieses Verfahren nicht gegeben. Nun aber drohe ihm die Verurteilung und damit auch ein Verlust der Bezüge. Überhaupt hätten beide Männer jahrelange Berufserfahrung, wüssten wie man in solchen Situationen umzugehen habe und hätten keinerlei Motive gehabt, so zu handeln wie es der Nebenkläger angibt.
Richterin hält vermeintliches Opfer für unglaubwürdig
Wie glaubhaft sind aber die Vorwürfe? Amtsrichterin Ursula Schimke-Kinskofer tut sich am Ende schwer, dem vermeintlichen Geschädigten wirklich Glauben zu schenken. Nicht, weil er als Inhaftierter von Haus aus unglaubwürdiger sei, wie sie zu verstehen gibt. Jan M. habe einfach zu viele Gründe geliefert, seinen Aussagen nicht glauben zu können.
Das fängt mit den angeblichen Verletzungen an. Gesehen hat die nämlich außer anderen Inhaftierter niemand und es gibt keine Dokumentationen dazu. In ihren Schilderungen machen die als Zeugen geladenen Mitinsassen in sich widersprüchliche Angaben dazu. Im Laufe einer Vernehmung wandern die Druckstellen vom Nacken zum Beispiel immer weiter Richtung Kehlkopf. Die Sozialarbeiterin gibt zwar an, Jan M. damals grundsätzlich authentisch empfunden zu haben. Die angeblichen Verletzungen – M. soll noch drei Tage Schmerzen gehabt haben – hat sie aber nicht gesehen.
Fragen wirft auch das Aussageverhalten des Geschädigten auf. Die Sozialarbeiterin regte damals eine Dienstaufsichtsbeschwerde an. Später kommt es zu einer Anzeige gegen die zwei Beamten. Doch als die Polizei Jan M. mehrere Wochen nach dem Vorfall erstmals vernehmen will, weigert er sich. Im Dezember 2019 dann macht er doch umfangreiche Angaben und belastet die beiden Männer schwer. Anfang 2020 verweigert er dann wieder die Aussage.
Angeklagter weint bei Freispruch
Dass er anfänglich Angst hatte, aufgrund seiner Beschuldigungen Nachteile zu erfahren, wirkt auf die Richterin wenig glaubhaft. Vor Gericht wird auch mehrfach Thema, ist M. in der Vergangenheit mehrfach durch Beschwerden gegen Justizbeamte aufgefallen. M. wendete sich auch einmal an die Süddeutsche Zeitung. Keiner der vorgeworfenen Fälle konnte im Nachgang belegt werden. Warum sollte Jan M. also ausgerechnet jetzt Angst vor Repressionen haben, fragt sich auch Rechtsanwalt Fischer.
Der klopft seinem in Tränen aufgelösten Mandanten bei der Urteilsverkündung später bestärkend auf die Schulter. Denn für die verhandelten Vorwürfe sieht die Richterin letztlich keinerlei Hinweise und spricht die Angeklagten komplett frei. Die Nebenklage will sich das Mittel der Berufung zumindest noch offen halten.
schwan68
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Warum wird in Regensburg-Digital über gerade dieses Gerichtsverfahren berichtet? Was soll der geneigte Leser daraus für Lehren ziehen? Trügt der Eindruck, dass man durch die Art und Weise der Berichterstattung Symphatien für das “Opfer” und Zweifel an der Darstellung der frei gesprochenen Beschuldigten wecken will?
Daniela
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Ich finde das sehr gut, dass rd über Verlauf und Ausgang auch solcher Gerichtsverhandlungen (ich finde auch neutral) berichtet.
Und es zeigt auf, dass es für die Justiz und die Ermittlungsbehörden dazu gehört, Vorwürfe von Häftlingen ernst zu nehmen. Gerade eben auch in Zeiten, wo es doch schon vorgekommen ist, dass Menschen bei Festnahmen verstorben sind.
Diese Vorfälle müssen verfolgt werden. Dies zeichnet ein funktionierendes Rechtssystem aus. Und die Öffentlichkeit wird darüber informiert.