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Vortrag an der OTH

In eigener Sache: Keine Schlagzeilen für Flüchtlinge?

Stefan Aigner über die Flüchtlingsproteste und die Rolle der Medien. Ein Vortrag an der Hochschule Regensburg. Von Dike Attenbrunner Asyl„Oh mein Gott, wir wollen wirklich Menschen zu Menschen stecken?!? Das geht ja gar nicht!“ Stefan Aigner kann nicht anders, er ist zynisch: Der Herausgeber von Regensburg Digital hält an der OTH Regensburg einen Vortrag zum Thema „Flüchtlingsproteste und die Rolle der Medien“. Und das, was er über deren Berichterstattung zu sagen hat, ist, nun ja, wenig schmeichelhaft. Aber irgendwelche Lobeshymnen helfen in dieser Sache nicht weiter, am allerwenigsten nützen sie denjenigen, um die es im Rahmen der Vortragsreihe „Menschen wie Menschen behandeln“ (organisiert vom Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer, der BI Asyl, der Studendenvertretung der Fakultät Sozialwissenschschaften und der Petra Kelly Stiftung) geht, nämlich den Flüchtlingen. Vor Krieg, Hunger und sozialem Elend fliehen sie, um in unserem reichen und friedlichen Lande Schutz zu suchen.

„Wenn sie mal hier sind, behandeln wir sie wie den letzten Scheißdreck, und für all das sollen sie gefälligst auch noch dankbar sein!“

Und als wäre ihr Gepäck an seelischen Traumata oder körperlichen Misshandlungen noch nicht schwer genug, erwartet sie in Deutschland nicht etwa endlich ein normales Leben. Nein. Flüchtlinge werden mit ihnen unbekannten Menschen auf kleinstem Raum in Flüchtlingsübergangswohnheimen zusammengepfercht. Sie dürfen hierzulande weder arbeiten, noch sich frei bewegen. Sie dürfen auch keine Deutschkurse besuchen, genauso wenig wie sie selbst bestimmen dürfen, was sie essen möchten. Es leben die Essenspakete! „Wenn sie mal hier sind, behandeln wir sie wie den letzten Scheißdreck, und für all das sollen sie gefälligst auch noch dankbar sein!“, empört sich Aigner. Das sei in etwa die Haltung, mit der er sich tagtäglich auf sozialen Plattformen wie Facebook konfrontiert sehe. Sobald man den Flüchtlingen auf einem Medium Gehör schenke und ihre Forderungen nach außen trage, werde man teils wüst beleidigt. Kommentare wie „Jetzt werde ich sicher wieder als Nazi beschimpft, aber…“ oder „So etwas darf man heutzutage gar nicht mehr sagen, aber…“ seien keine Seltenheit auf Regensburg Digital, wenn er über die Flüchtlingsproteste schreibe. „Medien halten sich oft aus Angst vor genau solchen Reaktionen mit einer dementsprechenden Berichterstattung zurück“, so der 40-jährige Journalist, der sich schon seit über zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt. Eine positive Auslegung entspreche eben nicht der Meinung der gesellschaftlichen Mehrheit.

„Den Flüchtlingen bleibt doch gar nichts anderes übrig, als den eigenen Körper als Waffe einzusetzen.“

Doch obwohl Medien das Thema nach wie vor sehr behutsam behandeln, es zum Teil immer noch nicht oder nur selten aufgreifen würden, hätte sich seit den bundesweiten Flüchtlingsprotesten zumindest etwas getan. Selbst wenn manche Presseartikel Aigners Meinung nach für das Anliegen der Flüchtlinge verheerend gewesen seien. „Im Januar 2012 hat sich ein 29jähriger Flüchtling in Würzburg erhängt“, erzählt Aigner von den Anfängen der Flüchtlingsproteste. „Selbstmordversuche oder Selbsttötungen sind in Flüchtlingslagern an sich nichts Ungewöhnliches. Nur dieses Mal ist eine kleine Gruppe an iranischen Flüchtlingen infolgedessen in den Hungerstreik getreten. Sie haben sich sogar den Mund zugenäht.“ Und daraufhin sei ein regelrechter Aufschrei erfolgt. „Was ist denn das für eine Form des Protests?“, so lautete der allgemeine Tenor. „Was das für eine Form des Protests sei?“, entgegnet Aigner ungläubig. Den Flüchtlingen bleibe doch gar nichts anderes übrig, als ihren Körper als Waffe einzusetzen.

„Weil man eine Heidenangst davor hatte, dass die Demonstranten mitten in München sterben, wurde das Lager schließlich mit roher Gewalt geräumt.“

Im vergangenen Juni, als Flüchtlinge in München erneut in einen Hungerstreik traten, um für die Anerkennung ihrer Asylanträge zu kämpfen, fielen die Reaktionen ähnlich aus. „Weil man eine Heidenangst davor hatte, dass die Demonstranten mitten in München sterben, wurde das Lager schließlich mit roher Gewalt geräumt. Von der gewaltsamen Räumung war jedoch wenig zu lesen. Stattdessen wurde den Beteiligten vorgeworfen, sie hätten sich von ihrem Demonstrationsleiter dazu instrumentalisieren lassen, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Von den 50 Flüchtlingen hat das jedoch kein einziger bestätigt. Alle handelten aus freien Stücken!“ Der Einsatz ihres Lebens sei nun mal die einzige Möglichkeit, die den Flüchtlingen bleibe, um die Öffentlichkeit auf ihre unmenschlichen Lebensbedingungen aufmerksam zu machen, betont Aigner. Sie würden sonst schlichtweg nicht wahrgenommen werden. „Nehmen wir doch mal den Refugee Struggle Congress, der vom Aktionskreis unabhängig protestierender Flüchtlinge im vergangenen März in München veranstaltet wurde“, führt Aigner als Beispiel an. „Nachdem sich der Protest von Würzburg aus auf Deutschland und einige europäische Länder ausgeweitet hatte, wollten die Flüchtlinge sich treffen, um die bisherigen Aktionen zu hinterfragen und weitere Ideen für einen künftigen Protest zusammenzutragen.“ Nur: Das Gros der Medien sei nicht erschienen, um darüber zu berichten…

Von der fehlenden Relevanz…

„Flüchtlinge sind halt eine Randgruppe“, konstatiert Aigner. Das ZDF habe sich beispielsweise im Herbst letzten Jahres zunächst geweigert, über den Hunger- und Durststreik von Flüchtlingen vor dem Brandenburger Tor zu berichten. „So ein paar Flüchtlinge haben keine Relevanz“, ließ der Redakteur des ZDF-Hauptstadtstudios Dominik Rzepka damals verlauten. „Wie und worüber sollte denn dann in den Medien berichtet werden?“, wird aus dem Publikum gefragt. „Die Medien sollten eine Grundsatzdebatte anstoßen“, antwortet Aigner, „darüber, dass wir unseren Wohlstand auf dem Rücken der Flüchtlinge und deren Herkunftsländern austragen. Und dass die Tragödie vor Lampedusa auch uns etwas angeht, das ist nicht nur das geografische Pech der angrenzenden Länder. Sie sollten darüber informieren, dass Essenspakete teurer sind, als den Flüchtlingen Geld zu geben, damit sie ihr Essen selber kaufen können. Oder ihren Lesern erklären, dass Flüchtlinge dem Staat lange nicht so viel Geld kosten, wie gemeinhin angenommen wird.“

Rolle der Medien überschätzt?

Wie dem auch sei, möglicherweise werde die Rolle der Medien sowieso überschätzt, schließt Aigner seinen Vortrag. „Vielleicht findet Bewusstseinsveränderung größtenteils auf der Straße statt. Zum Beispiel dort, wo Flüchtlinge ihre Zeltlager aufgeschlagen haben und sie mit Passanten ins Gespräch kommen.“

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Kommentare (5)

  • Student

    |

    Oh, ich glaube die Rolle der Medien ist hier keineswegs
    überschätzt. Wer sonst sollte es der Gesellschaft sonst erschweren,
    das eigene verlogene Gebaren zu verdrängen? Die Passanten, mit
    denen die Flüchtlinge an den Zeltlagern ins Gespräch kommen, sind
    nur ein kleiner Bruchteil derer, die die Medien erreichen. Und
    meistens ohnehin diejenigen, die am wenigsten erreicht werden
    müssten – sie sind immerhin schon vorurteilslos genug, um sich auf
    ein Gespräch mit Flüchtlingen einzulassen.

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  • Norbi

    |

    Die Vortagsreihe wurde im übrigen nicht von der Petra Kelly
    Stiftung organisiert. Als Organisatoren treten der Arbeitskreis für
    ausländische Arbeitnehmer (a.a.a.), die Bürger_inneninitiative Asyl
    und die Studendenvertretung der Fakultät Sozialwissenschschaften an
    der OTH Regensburg auf. Die Vortragsreihe findet in Kooperation mit
    der Petry Kelly Stiftung statt.

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  • Stefan Aigner

    |

    @Norbi

    Danke. Das haben wir jetzt korrigiert.

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  • Kuno Küfer

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    @ Student “Wer sonst sollte es der Gesellschaft sonst
    erschweren, das eigene verlogene Gebaren zu verdrängen?” Na ja,
    Herr Aigner schreibt ja recht deutlich z.B.: „Medien halten sich
    oft aus Angst vor genau solchen Reaktionen mit einer
    dementsprechenden Berichterstattung zurück“, oder: “Das Gros der
    Medien sei nicht erschienen, um darüber zu berichten…” Das
    bestätigt auch meinen Eindruck. Ist da nicht eher der Umkehrschluss
    wahrscheinlicher: (Einige/Viele) “Medien” (mit Massenreichweite)
    machen es (auch bewusst) der Gesellschaft leicht, das eigene
    verlogene Gebaren zu verdrängen? Und der kleine Rest der “Medien”
    erreicht auch ohnehin wieder meist nur diejenigen, die am wenigsten
    erreicht werden müssten. Der letzte Absatz im Artikel erinnert mich
    an den Protest in Regensburg am Neupfarrplatz. Dort habe ich
    versucht, mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen. Die
    Reaktionen waren durchwegs verhalten. Schnell hat sich einer der
    deutschen Begleiter der Gruppe, sofern man ihn so bezeichnen mag,
    dazugesellt, und mich mit eher argwöhnischen Fragen ausgehorcht.
    Woher ich käme, was mich daran interessiere, usw. Das war auch
    einer der Eindrücke, den ich bei dieser Begegnungen gewonnen habe.
    Ein tiefes Misstrauen der Protestierenden gegenüber mir, als einen
    “zufälligen”, interessierten Passanten. Vielleicht noch viel
    stärker aber steckte dieses Misstrauen in einigen, die ihnen
    wohlwollend vor Ort zur Seite standen. Beinahe hatte ich das
    Gefühl, als wäre es ihnen lieber gewesen, ich wäre wieder
    “unauffällig” meines Weges gegangen. Und dennoch: Ich konnte und
    kann das Verhalten in solchen Augenblicken auch gut nachvollziehen.
    Da passt gerade wieder mal der Dresscode nicht, da gilt es dann
    aber auch, das “Anrecht” der Flüchtlinge auf deren Vorurteile zu
    respektieren, und zu viele Fragen müssen von den eh schon unter
    ständiger Beobachtung Stehenden – vielleicht einem Bedürfnis nach
    “Notwehr” folgend – als weitere Belastung empfunden werden. Und so
    entstand dann für mich eine von den Gesprochenen spürbar gewollte
    Distanz, die eben wohl auch durch fehlendes oder wenigstens oft
    missbrauchtes Vertrauen ihnen Gegenüber bestimmt war. Argwohn. Raum
    für viel Bewusstseinsänderung, sollte sie notwendig sein, wäre da
    möglicherweise leider nicht geblieben.

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  • 45 Minuten für ein Menschenleben | Regensburg Digital

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    […] Besuch der öffentlichen Verhandlungen findet sie gut. „Meine Mandanten fühlen, dass sich jemand um sie und ihr Schicksal kümmert.” Das Gericht lasse sich freilich nicht davon […]

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