„Illegale“ Gedenkplakate: Anwalt beantragt Aufhebung des Bußgeldbescheids
Im Streit um einen Bußgeldbescheid, den das Regensburger Ordnungsamt in Zusammenhang mit einer Gedenkaktion erlassen hat, ist nun ein Rechtsanwalt eingeschaltet. Der moniert so Einiges am Vorgehen der Stadt.
Als „etwas fragwürdig“ bezeichnet Rechtsanwalt Klaus Hafner, einen Bußgeldbescheid, den die Stadt Regensburg gegen ein Mitglied des a.a.a. wegen einer Plakataktion erlassen hat und der derzeit das Amtsgericht Regensburg beschäftigt.
Unbekannte hängen illegale Plakate, Anmelder erhält Bußgeldbescheid
Wie mehrfach berichtet, hatte der Kommunale Ordnungsdienst Mitte März 2021 am Neupfarrplatz und in der Drei-Mohren-Straße 34 falsch aufgehängte Plakate festgestellt. Sie waren Teil der Gedenkaktion „Say their Names“ im Rahmen Internationalen Wochen gegen Rassismus, die jedes Jahr von der Stadt organisiert werden.
Auf dem Neupfarrplatz wurde dabei des früheren Regensburgers Fatih Saraçoğlu gedacht, eines der neun Opfer des Attentates von Hanau am 19. Februar 2019. In der Drei-Mohren-Straße hingen Plakate in Erinnerung an May Ayim. Die frühere Regensburger Studentin, hatte sich bis zu ihrem Suizid 1996 gegen Rassismus eingesetzt.
Die Plakataktion hatte ein Mitglied des a.a.a. bei der Stadt per Sondernutzung beantragt. Mehrere Monate später flatterte ihm dann ein Bußgeldbescheid über 253,50 Euro ins Haus – wegen der besagten „verbotswidrig angebrachten“ Plakate. Dreh- und Angelpunkt der Geldbuße ist die Tatsache, dass der Betroffene die ursprünglich genehmigte Aktion bei der Stadt angemeldet hatte. Wer hingegen die anderen, nicht genehmigten Plakate angebracht hat, wissen weder er noch die Stadt Regensburg.
„Die Stadt hätte hier sicherlich mehr Kulanz zeigen können.“
Der Beschuldigte legte Einspruch gegen den Bescheid ein. Mittlerweile liegt der Fall beim Amtsgericht Regensburg und der a.a.a. hat einen Rechtsbeistand konsultiert: Rechtsanwalt Klaus Hafner.
Von einem rechtswidrigen Vorgehen der Verwaltung will der Jurist gegenüber regensburg-digital zwar nicht sprechen. „Aus Sicht der Stadt kann man den Fall grundsätzlich erst einmal so bewerten.“ Betrachte man allerdings den Kontext der Aktion und den Fakt, dass selbst die städtische Stabsstelle für Erinnerungskultur diese kürzlich lobend erwähnte, sagt Hafner: „Die Stadt hätte hier sicherlich mehr Kulanz zeigen können.“
Fehlendes Rechtswissen bei Sachbearbeitern
Dabei zeigt der Rechtsanwalt einerseits ein gewisses Verständnis dafür, wie der Fall zunächst einmal gelaufen ist. Die zuständigen Sachbearbeiter innerhalb der Verwaltung hätten nicht zwingend juristisches Fachwissen. Wenn dann vom Ordnungsamt eine Anzeige komme, würden die Mühlen erst einmal in gewohnter Weise mahlen. „Überprüft werden solche Verfahren erst in höherer Instanz.“ Und hier wolle man dann nicht unbedingt den eigenen Mitarbeitern in den Rücken fallen, so Hafner, der immer wieder mit Ordnungswidrigkeiten zu tun hat.
Viel entscheidender sind für den Juristen allerdings andere Umstände. Der Anmelder hatte im Vorfeld der zweiwöchigen Plakataktion mit der Stadt besprochen, dass auch andere Gruppen und Initiativen plakatieren werden. „Das war ja keine Übertragung, wie von der Stadt moniert wird, sondern eine Aufgabenverteilung.“ Und das sei auch bekannt gewesen.
Stadt hätte auf den Verstoß hinweisen müssen
Hinzu komme, „dass unser Mandant gar keine Chance hatte den Verstoß zu korrigieren“. Nur wenige Stunden, nachdem die „illegalen“ Plakate festgestellt worden waren, wurden die Verstöße am Nachmittag bereits zur Anzeige gebracht. „Nun wird ihm vorgeworfen, er sei seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen“, sagt Hafner. Es sei allerdings schwierig, „jemanden zu verpflichten, schon ein paar Stunden nach Beginn sofort zu kontrollieren, ob alles ordnungsgemäß ist“.
Der Anzeige durch das Ordnungsamt hätte dann zumindest erst ein Hinweis an den Anmelder folgen müssen, meint Hafner. Das sei zum einen bei Wahlplakaten von Parteien ein ganz normales Vorgehen. Die Stadt hatte sich in den Auflagen für die Aktion zudem dazu verpflichtet, „demjenigen, der die Plakatiererlaubnis inne hat, so einen Verstoß mitzuteilen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, das zu beheben“. Genau das sei aber nicht geschehen. Erst per Bußgeldbescheid erfuhr der a.a.a., dass es offenbar ein Problem gegeben hat.
„Von der Rechtslage her müsste der Bescheid aufgehoben werden“, ist Hafner nach Sichtung des Falls überzeugt. Genau das habe man nun auch beantragt. Der Ball liegt jetzt beim Amtsgericht Regensburg. Wann das darüber entscheiden wird, ist noch offen.
joey
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“Gleiches Recht für alle” – das kriegt auch ein Sachbearbeiter in seiner Beamtenausbildung getrichtert. Wenn es bei anderen politischen Akteuren andere Verfahrensweisen gibt, ist das vom Leitungspersonal zu korrigieren. Die im höheren Dienst sind Juristen (oder?). na gut, wenn die Stadt einen Prozeß verliert, geht das die Leitungspersonen nichts an oder? Prozeßrisiken sind ja nur was für Bürger, der dadurch strukturell benachteiligt ist.
Hase
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Kommentar gelöscht. Bitte sachlich.
Bruckmandlsepp
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@Günther: Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer wenn ich mich nicht täusche.
Norbert
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Warum werden zum Beispiel die anderen Illegalen Plakate respektive Aufkleber,die überall an Laternen und Verkehrszeichen rumhängen oder der weggeworfene beschriftete Müll mancher Fastfoodbuden nicht auf gleicher Art und Weise verfolgt?
Mr. T.
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Norbert, weil das keine als Links oder Sozial gelesenen Organisationen sind. So einfach, so traurig. Warum reissen sie denn rechtsextremen Parteien nicht den Arsch auf, deren Wahlplakate regelmäßig in ein paar Metern Höhe hängen bleiben?
Julian86
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Die mitgeteilte Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Verfassungsprinzip,103 GG) lässt erste Zweifel an einem fairen Bußgeldverfahren aufkommen. Auch das Gebot der Fairness ist ein Verfassungsprinzip.
Die versagte Anhörung macht den Bescheid aber alleine noch nicht rechtswidrig. Das rechtiche Gehör muss bei Gericht nachgeholt werden.
Ergibt bereits die Verhandlung, dass dem Betroffenen kein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nachzuweisen ist, ist der Bescheid der Stadt aufzuheben; müssen die Fakten noch verifiziert werden, geht die Sache zurück an die Verwaltung mit der Vorgabe des Gerichts, die Sachlage unter Berücksichtigung der Einlassung etc. des Betroffenen neu zu wägen.