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Fotoausstellung zum Lager Moria

„Ich finde, Kinder sollten nicht ins Gefängnis.“

Noch bis kommende Woche ist vor dem Westportal des Regensburger Doms eine kleine Ausstellung zu sehen. Die Fotografien dokumentieren das Leben und die Zustände in den Flüchtlingslagern auf Lesbos.

Am Sonntag kamen etwa 80 Personen zur Kundgebung auf den Domplatz. Die Ausstellung steht noch zwei Wochen. Foto: bm

Etwas seltsam mutet es schon an, wie die Bauzaunelemente inmitten des Platzes vor dem Dom stehen. An dem Arrangement, das teilweise mit verrostetem Stacheldraht umwickelt ist, sind zwei Dutzend Bilder angebracht. Darauf zu sehen sind Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos. Es ist eine eher unkonventionelle Ausstellung. Doch für Alea Horsts Bilder ist es der passende Rahmen. Denn die Fotografin will durch ihre Arbeit die Betrachter mit einem möglichst direkten Blick auf die Welt konfrontieren und „dem Elend ein Gesicht geben“. So sagt es Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer am Sonntag bei einer Kundgebung zur Eröffnung der Ausstellung „Moria“.

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Eigentlich ist Alea Horst im rheinland-pfälzischen Reckenroth als professionelle Fotografin vor allem auf Hochzeiten und für Familien im Einsatz. Doch die Bilder der 2015 zu tausenden nach Europa gekommen Geflüchteten haben sie nachhaltig geprägt und bis heute nicht mehr losgelassen. „Da wurde bei mir persönlch eine Linie überschritten und ich wollte mich einsetzen“, erzählt Horst einige Jahre später in einem Interview.

Lesbos, Sri Lanka, Mexiko

Ein warmes Zuhause und ein eigenes Zimmer zum Spielen, solche Wünsche äußerten Kinder gegenüber Horst.

Anfang 2016, zwei Tage nach Silvester, fliegt Alea Horst zum ersten Mal nach Lesbos, leistet dort Nothilfe und lernt das Elend der Menschen im Flüchtlingslager Moria auf eindrückliche Weise kennen, wie sie später berichtet. Von da an habe sie eine neue Leidenschaft gepackt, die soziale Fotografie. Wenige Monate nach ihrem Aufenthalt in Moria reist sie nach Jordanien in eines der größten Flüchtlingslager der Welt und besucht dort auch Trauma-Kindergärten. Eine Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdörfern bringt sie in der Folge nach Kroatien und Sri Lanka. Dort versucht sie mit ihrer Fotografie die soziale Ungleichheit und Armut einzufangen. 2019 folgen weitere Reisen, unter anderem nach Mexiko.

Auch die Besatzung des Seenotrettungsschiffs Sea-Eye begleitet sie einmal bei einem Einsatz auf dem Mittelmeer. Der Gründer von Sea-Eye und deren Schwester Organisation Space-Eye, der Regensburger Unternehmer Michael Buschheuer, ist am Sonntag auch auf dem Domplatz. Auf dem linken Arm eines seiner Kinder tragend, rechts ein altes Stück Holz mit einem eingewachsenen rostigen Stück Stacheldraht dankt Buschheuer für Horsts „wichtige und eindrückliche Arbeit“.

„Draht hat noch nie gute Geschichten erzählt.“

Das Holz habe er mit seinen Kindern tags zuvor im Wald gefunden. „Der Baumstamm hat sich schon vor längerem mit dem Draht arrangiert.“ Doch mit den Drähten und Mauern in den europäischen Flüchtlingslagern und den Außengrenzen dürften sich die Menschen nicht arrangieren. Schließlich seien „mit Draht noch nie gute Geschichten“ erzählt worden, sagt Buschheuer und fordert die etwa 80 Umstehenden zum Brückenbau auf.

Wenn Mauern einmal errichten seien, werde es umso schwieriger, sie wieder einzureißen. Das habe die deutsche Geschichte gezeigt. „Vor einigen Jahren bestand auch hier bei uns eine Mauer. Und diese Mauer besteht in vielen Köpfen noch bis heute fort.“ Horsts Bilder seien ein Appell an die Menschlichkeit und daran, die Politik immer wieder in die Verantwortung zu nehmen.

Zwischen Elend und Hoffnung

Als letztes Jahr Anfang September das Lager Moria abbrennt, zögert Horst nicht lange und fliegt kurzerhand erneut auf die Insel. Wieder möchte sie dem Elend ein Gesicht geben und berichtet auch in Live-Schalten mit Fernsehsendern über die chaotischen Zustände.Es entstehen eindrucksvolle Bilder. Wenn etwa Kinder auf einem Hügel lachend spielend und direkt im Hintergrund Stacheldraht zu sehen ist. Wenn die Lager vom Regen überflutet werden und eine Frau mit einem Kind auf dem Arm zwischen den Zelten scheinbar verloren steht.

Immer wieder werden die Lager vom Regen überschwemmt. Die Menschen sind dem schutzlos ausgeliefert.

Fotografieren, das bedeute nicht Distanz, auch wenn die Kamera natürlich dazwischen stehe, davon ist die Profifotografin überzeugt. Es sei wichtig, „Kontakt zu den Personen aufzubauen“, erklärt sie immer wieder in Interviews. Erst dann komme sie wirklich nah heran. Und dann zeige sich auch: „In Kriegs- und Krisensituationen ist nicht immer alles nur schlecht.“ Auf ihren Reisen habe sie „phantastische Kämpfer“ gesehen, Mütter, die ihre Kinder „zu tiefst lieben“ und engagierte Helfer. Stets sei an diesen Orten auch Hoffnung gewesen, wenn auch nicht immer offensichtlich, sagt Horst. Mittendrin im Geschen und direkt an den Menschen, bekommt sie auch viele persönliche Geschichten mit. Dass diese Menschen ihr dieses Vertrauen schenken, motiviere sie, weiter zu machen. Es sei sogar ein Stück weit zu einer „Verpflichtung“ geworden, Menschen durch die Bilder sprechen zu lassen.

Das Vertrauen der Menschen als Motivation

Am vergangenen Sonntag lässt Alea Horst lieber Kinder aus Moria zu Wort kommen und liest deren Erzählungen vor. „Seit fünf Tagen haben wir jetzt in unserem Bereich keinen Strom“, berichtet da einige Tage nach dem verheerenden Brand in Moria Tajala (10). „Wir können uns weder eine Wärmflasche machen, noch Tee kochen.“ Auch Heizgeräte gäbe es nicht. Und dabei sei es in den Nächten und manchmal auch tagsüber sehr kalt. Damals habe es fast täglich stark geregnet, teilweise sogar gehagelt. „Ich habe immer wieder Albträume“, sagt Quidbuddin (8 Jahre). Die größte Angst sei, dass der Regen „in unser Zelt kommt und es kaputt geht oder wegfliegt“. Das sei schon bei anderen passiert. „Ich weiß gar nichts mehr. Ich möchte einfach nur hier raus“, liest Horst auch die Worte von Fares (11) vor. „Es gibt keine schöne Erinnerung mehr an einen schönen Moment in meinem Gedächtnis.“

Alea Horst ist seit 2016 regelmäßig in Flüchtlingscamps und anderen Brennpunkten unterwegs. Ihre Fotos sind derzeit auf dem Domplatz zu sehen. Foto: bm

„Meine Erinnerungen sind voll von Bomben und Krieg“

17 Kinder zwischen acht und vierzehn Jahren zitiert die Fotografin. Deren Erzählungen sind geprägt von Kriegserfahrungen – „Meine Erinnerungen an die Heimat sind voll von Bomben und Krieg“ – und den Erlebnissen auf der Flucht. Ein achtjähriges Kind berichtet von einer Hafterfahrung in der Türkei und meint: „Ich finde, Kinder sollten nicht ins Gefängnis.“

Bauzaun und Stacheldraht. Dazwischen Bilder von den Lagern auf Lesbos. So präsentiert Horst ihre Bilder.

„All das geschieht in unserem Namen, um das Leid fernzuhalten“, sagt dann Johannes Rückerl vom Verein Seebrücke Regensburg. In Kooperation mit Space-Eye haben er und seine Gruppe die Ausstellung mit organisiert. Man müsse „hinschauen“ und die bestehenden Verbrechen im Umgang mit Geflüchteten „scharf kritisieren“. Genau das tue Alea Horst mit ihrem Bildern. Eine Arbeit, für die auch die Oberbürgermeisterin großen Dank und viel Respekt entgegenbringt.

Hochzeiten begleitet die Rheinland-Pfälzerin auch weiterhin. Der Kontrast helfe ihr, die Erlebnisse verarbeiten zu können. Und es sei eben auch ihre Einnahmequelle, mit der sie ihre Reisen an die Krisenorte der Welt finanzieren könne.

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Kommentare (7)

  • Piedro

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    Die europäische Wertegemeinschaft steht schon längst über ihren angeblichen Werten. Sie entwertet uns alle nachhaltig. Historiker werden irgendwann über diese Barbarei urteilen. Vielleicht verstehen die dann besser als ich.

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  • Gscheidhaferl

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    @Bernd
    UNICEF ist sicherlich eine Organisation, die guten Gewissens unterstützt werden kann. Freilich dürfen von so großen Organisationen keine Wunder erwarten. Ärzte ohne Grenzen sind sicher auch nicht verkehrt.

    Aber hier vor Ort (in Regensburg) kann man sich z.B. wirklich bei Herrn Buschheuers Organisation aktiv oder fördernd einbringen:
    https://space-eye.org/
    Aus meiner Sicht eine sehr beeindruckende und wirklich unmittelbar wirksame Sache.

    Mittel-/langfristig kann ich aber nur an Sie selbst als Bürger appellieren, im Kleinen zu tun, was geht, von Ihren/Unseren Abgeordneten entsprechende Aktivitäten einfordern, sich entsprechend in dieeinschlägigen Diskurse einbringen…

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  • Mr. T.

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    Bernd: space-eye.org

    Vielleicht kommt die Organisation etwas zu kurz im Artikel 😉

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  • Hthik

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    @Piedro 22. April 2021 um 11:58

    “Die europäische Wertegemeinschaft steht schon längst über ihren angeblichen Werten.”

    Darauf, dass Menschenrechte nicht aufgehoben, sondern “nur” aufgrund alternativloser multilateraler Vereinbarung im Einzelfall und mit Einvernehmen der vor Ort zuständigen Behörden unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte für nicht anwendbar erklärt werden, hat uns Schöngeister die Lektüre von “Farm der Tiere” unzureichend vorbereitet.

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  • Gscheidhaferl

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    Es sind übrigens wirklich sehr eindrucksvolle Bilder. Der Kontrast zu den Zitaten aus der EU-Charta (und anderen Dokumenten) macht betroffen. Sehenswert! Leider verlieren sich die Fotos ein wenig auf dem Platz. Es hätten so gesehen ruhig mehr sein können. Vielleicht hätte es auch geholfen, wenn die Bauzäune noch irgendwie (undurchsichtig) bespannt worden wären, um einen klaren Hintergrund zu schaffen, von dem sich die Foto-Text-Panelen besser abheben. Aber sei’s drum. Die Qualität der Bilder ist letztlich nicht zu übersehen.

    Und @Bernd:
    Dort finden Sie ggf. auch Flyer, die darüber informieren, wie Sie unterstützend tätig werden können.

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