Hochmut und letztes Aufbäumen
Der Entertainer, Musiker und Schriftsteller Heinz Strunk (Studio Braun, Fraktus, Der Goldene Handschuh) war am vergangenen Freitag in der Alten Mälzerei zu Gast. Er präsentierte das aus seinen Titanic-Kolumnen entstandene Buch „Nach Notat zu Bett“ sowie am Rande sein Album „Aufstand der dünnen Hipsterärmchen“. Dabei gelang ihm etwas Seltenes auf deutschen Bühnen: Humor.
„For You. Vor Ort.“ Heinz Strunk möchte liefern. Endlich dienstleisten. So zumindest kündigt er zu Beginn seine „Heinz Strunk Show“ am Freitagabend in der vollen Alten Mälzerei an. Der Claim ist der Firma Schlecker entlehnt, die 2011 ein letztes Aufbäumen vorschwindeln wollte, um kurz darauf, hochmütig bis zum Ende, abgewickelt zu werden. Mit Hochmut und letztem Aufbäumen kennt sich auch Heinz Strunk aus.
In seiner fiktiven Tagebuchsammlung „Nach Notat zu Bett“ trägt der Hamburger Autor allerlei Begebenheiten zusammen, die beides sind: Überlegenheit gegenüber dem sozialen Umfeld und mühsamer Kampf gegen das eigene Scheitern. Ein Pendeln zwischen Bewältigung des Alltags und Bewältigtwerden durch den Alltag. Strunks Tagebuchschreiber blickt aus einem zunehmend alternden Körper in die Welt, (ver)urteilt, scherzt, isst und trinkt (beides viel und oft), erfindet, debattiert und arbeitet (meist erfolglos).
„Gejammer über die eigene Unzulänglichkeit“
Strunk imitiert und persifliert das Genre „literarisches Tagebuch“, das große Schriftsteller und Künstler ganz Alltägliches mit stetem „Gejammer über die eigene Unzulänglichkeit“ kombinieren lässt. Als Referenzen dienen beispielsweise Franz Kafka, Albert Camus oder Thomas Mann. Große Geister und Witzfiguren zugleich.
Seit 2015 schreibt Strunk für die Satirezeitschrift Titanic monatlich die zweiseitige Kolumne „Intimschatulle“, aus der er sein aktuelles Buch zusammeneditiert hat. Vom 01. Januar bis 31. Dezember erzählt er in Tagebuchform „sein“ Jahr 2018 nach. Die Chronologie entspricht dabei nicht der Intimschatulle, sondern folgt einer eigenen Dramaturgie. Strunk verdichtet seinen monatlichen Titanic-Output, der oft über Jahre hinweg Running Gags und Teilrubriken gedeihen lässt. Er spart aus, fügt hinzu und kontextualisiert um.
Und doch sind die neu konfigurierten, erfundenen Erlebnisse des Heinz Strunk vertraut: Die extravaganten Dinner mit Bertram Leyendieker und Meyer-Schulau im Restaurant Diverso, die Zeitungslektüren im Café 2 Talk oder der nie um „Sprüche, Schnacks, Witze und Lebensweisheiten“ verlegene Willi von Willis Schwenk-Grill: „In seinem Loch ist jeder Käfer Sultan.“
Kannibalismus und gesungene Speisekarten
Oder auch die Themen. In seiner zweistündigen Lesung hebt Strunk besonders das Schatullen-Lebensthema Kannibalismus hervor. „Der Kannibalismus muss aus der Schmuddelecke.“ Immer wieder kommt er darauf zurück, dass es „keinen einzigen vernünftigen Grund“ für ein Verbot gebe. Strunk schmückt seinen „Kampf“ für diese Speisevariante konkret aus. Wie wäre es „mit einem Vier-Gänge-Menü ‚Mensch delikat‘ (im eigenen Saft geschmort), einem ‚Marinierten Jungmann‘ (knusprig gebratene Arschbacken, geschmorte Schenkel, Rouladen vom Arm) oder ‚Hack vom freilaufenden Vorruheständler‘?“
Überhaupt Essen. Für Strunk ein ständiger Gegenstand für Wortschöpfungen, Albernheiten und Kalauer. Die „gesungene Speisekarte“ auf Landesküchen etwa, die er mehrfach anstimmt (Österreich zum Beispiel: „Vorweg eine Suppe mit Schwammerln und Fisolen, schöne leichte Speise, Suppe wunderbar. Danach einen Eintopf mit Speck und Leberknödeln, ist ein nahrhaft Bissen, Eintopf wunderbar. …“). Strunk besingt aber nicht nur Essen, auch mit möglichen Ballermannhits liebäugelt er:
„Breit in hundert Sekunden / in alle Löcher lass es laufen / und danach breit für einhundert Stunden / immer nur saufen, saufen, saufen. / Ich will dich kotzen sehen, kotzen sehen / aus allen Löchern soll es laufen. / Ich will dich kotzen sehen / so richtig kotzen sehen / und dann immer weitersaufen.“
„Saxophone back to porn“
Gewöhnungsbedürftige Musik spielt ohnehin eine große Rolle. Strunk hat in diesem Jahr nicht nur das Buch, sondern auch das Album „Aufstand der dünnen Hipsterärmchen“ veröffentlicht, von dem er insgesamt vier verspulte Songs – den Titelsong, Braunes Gold (Coffee-Song), Drohnen und Deutsches Laub vorträgt. Der nervige elektronische Beat läuft spärlich instrumentiert vom Band, Strunk singt, spricht und rapt wahlweise die schrullig-grotesken Texte oder malträtiert das Saxophon. Letzteres möchte er wieder „back to porn“ bringen. Fraglich, ob das auf diese gelingt.
Was am Freitagabend gelingt, ist Strunks rastlose Gesamtdarbietung, die Ernst, Witz, überbordenden Schwachsinn und großen Intellekt spielend zusammenbringt. Seine Beobachtungsgabe ist außerordentlich, seine zahlreichen Einfälle sehr oft sehr vergnüglich, seine Sprache präzise und stilistisch milieu- und klassenübergreifend versiert.
Humor ist in Deutschland immer ein schwieriges Pflaster, ein Produkt von Hochmut und letztem Aufbäumen. Mitunter ist Humor aber, was Heinz Strunk daraus macht.
Empörer007
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Naja, die alten “Krampf” über “FFF” muss man nicht hochpreisen, alles alte, immer wieder aufgewärmte alte Hüte.., die aus Austria besser rüberkommen…, mal beim “alten Qualtinger u. Co.” nachhören, besser Nachlesen…, dann weiß der lustige Bursch (aus HH?), was Qualität ist…