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Wandteppich mit NS-Propaganda

Heiraten unterm Hakenkreuz – in Regensburgs Herzogssaal ist’s möglich

Im Herzogssaal beim Domplatz hängt die originalgetreue Kopie eines beeindruckenden Wandteppichs. Hergestellt wurde er 1940 und zeigt Nazi-Propaganda inklusive Hakenkreuze. Unter Historikern ist das schon länger bekannt, doch im Saal selbst fehlt jedwede Einordnung.

1940 wurde der Wandteppich, der den deutschen Überfall auf Polen feiert, hergestellt. 2003 wurde extra eine Kopie angefertigt, die ohne irgendwelche Erläuterung im Herzogssaal hängt. Foto: privat

Der Herzogssaal im Herzogshof, gelegen zwischen Altem Kornmarkt und Domplatz im Herzen der Altstadt, direkt neben dem Achat Plaza Hotel, gehört mit zu den schönsten und repräsentativsten Veranstaltungsorten in Regensburg. „Der im Kern aus dem Frühmittelalter stammende Herzogssaal wurde um 1220 von den Wittelsbachern neu gestaltet“, heißt es auf der Homepage der Pro Gastro GmbH, die den Saal als Pächterin betreibt. „Mit seinem erhaltenen historischen Ambiente“ sei er „die perfekte Location für Veranstaltungen und Events jeglicher Art – egal ob eine schicke Hochzeit, ein bayerischer Traditionsabend oder geschäftliche Banketts, Meetings und Firmenfeiern“.

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Im Juni wurde dort auch das Stück „Auf der dunklen Seite des Doms“ im Rahmen des Bürgertheaters aufgeführt und Stadtrat Hans Teufl (Grüne) wäre, so sagt er, fast vom Stuhl gefallen, als er sah, was der ausladende Teppich an der Wand des Herzogssaals zeigt. „Ich bin richtig erschrocken“, so Teufl gegenüber unserer Redaktion. Dieser ist zwar irgendwie auch historisch, aber längst nicht so alt. Tatsächlich handelt es sich um die 2002/03 angefertigte Kopie eines mit nationalsozialistischer Propaganda aufgeladenen Wandteppichs – inklusive stilisierter Hakenkreuze.

Dollingersage trifft Nazi-Propaganda

Vordergründig zeigt der Teppich eine Szene aus der sogenannten Dollingersage, derzufolge der Regensburger Bürger Hans Dollinger im Auftrag von König Heinrich I. den heidnischen Ritter Krako abwehrte. Doch bei näherer Betrachtung geht es unmissverständlich um den Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen 1939. Auf dem Teppich befinden sich die deutschen Namen damals eroberter Städte wie Gdańsk („Danzig“), Kraków („Krakau“) und Katowice („Kattowitz“). Schild und Rossharnisch des siegreichen Ritters zeigen stilisierte Hakenkreuze.

In Auftrag gegeben und hergestellt wurde der 1941 aufgehängte Originalteppich von der Reichspostdirektion Regensburg. Spiritus Rector war der NS-Kreiskulturwart und Museumsdirektor Walter Boll, unter dessen Ägide Teile des Herzogshofs abgerissen und zur Dompost umgebaut wurden. Der erhalten gebliebene Herzogssaal erhielt im Sinne einer „schöpferischen Denkmalpflege“ romanische Fenster, willkürliche Säulen aus dem Museums-Depot und historische Blindfenster – so entstand der heutige Prachtsaal, in dem Regensburger Geschichte und deutsche Identität vermittelt bzw. gestiftet werden sollte.

Verantwortlich: NS-Kulturwart Walter Boll

Unter Historikern ist dieser Umstand schon länger bekannt. Erwähnt wird es unter anderem in Publikationen der Historiker Peter Morsbach (Regensburg) und Karsten C. Ronnenberg (Köln), der süffisant anmerkt, dass es in Regensburg möglich sei, unterm Hakenkreuz zu heiraten. Größer thematisiert wurde all das auch bei der Ausstellung „Broken Boll“ im Neuen Kunstverein, die im vergangenen Jahr von Stadtrat Jakob Friedl und Max Erl organisiert wurde und zu der unser Autor Robert Werner die Texte beigesteuert hat, auf die wir für diese Recherche zurückgegriffen haben.

Sogar Walter Boll selbst publizierte zu seinen denkmalpflegerischen Ergebnissen und verdiente nebenbei als städtisch geförderter Autor des Kunstführers „REGENSBURG“, der von 1955 bis 1983 in vier Auflagen in der Reihe „DEUTSCHE LANDE – DEUTSCHE KUNST“ im „DEUTSCHEN KUNSTVERLAG“ erschien.

Entwurf stammt von überzeugtem NS-Anhänger

Zurück geht der Wandteppich auf einen Entwurf des Münchner Professors Karl Heinz Dallinger, der „weder in seiner Biografie noch in seinem Oeuvre Berührungsängste gegenüber dem Nationalsozialismus“ gezeigt habe, wie Ronnenberg ausführt. „Eine große Gruppe seiner Arbeiten zeigt eindeutig propagandistische Züge.“ In der NS-Presse wurde der damals 28-jährige Dallinger 1935 überschwänglich gelobt: „Weltanschauliche Haltung und Festigkeit sowie Einsatz für den nationalsozialistischen Staat: einwandfrei!“ Seit 1933 war Dallinger NSDAP-Mitglied.

Der Rest des 1937 abgerissenen Herzogshofs. Der von Walter Boll historisierend umgestalteten Herzogssaal befindet sich im ersten Stockwerk. Foto: rw

In ihm habe die „Bewegung“ einen „überzeugten Vertreter gefunden, den man – wäre er als Künstler zu größerer Berühmtheit gelangt – als einen prägenden Gestalter der Ästhetik des Nationalsozialismus betrachten müsste“, so Ronnenberg in einem kürzlich erschienenen Aufsatz („Die ‘Goldene Bar’ im Haus der Deutschen Kunst 1937“).

Für diese Ästhetik des Nationalsozialismus steht auch der erwähnte Wandteppich, der (seit 2003 als eigens angefertigte Kopie) ohne irgendeine Erläuterung an der Wand des Herzogssaals hängt.

Teppich und Saal gehören einer privaten GmbH & Co KG

Einer Anregung von Stadtrat Teufl und dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Daniel Gaittet den Dollinger-Teppichs abzuhängen und gegebenenfalls später im Museum auszustellen, verbunden mit entsprechender Einordnung, musste Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer kürzlich eine Absage erteilen. Man habe „keine Möglichkeit, die Abhängung zu veranlassen“, heißt es auch auf Nachfrage bei der städtischen Pressestelle. Ähnlich regiert auch der Pächter des Herzogssaals und verweist auf die Eigentümer.

Tatsächlich gehören der Stadt Regensburg weder der Herzogssaal noch der mittlerweile eingelagerte Originalteppich oder dessen 2003 aufgehängte Kopie. All dies befindet sich im Eigentum der Domplatz 3 und Kornmarkt 10 GmbH & Co. KG, ursprünglich in Regensburg gegründet, heute mit Sitz in Planegg im Landkreis München. Geschätzter Jahresumsatz: gut drei Millionen Euro.

Geschäftsführer reagieren nicht

Gesellschafterin ist eine Beteiligungs und Verwaltungs GmbH, alleinige Kommanditistin eine Steuerberatungsgesellschaft, beide angesiedelt in München. Auf eine entspreche Anfrage per E-Mail zu dem Nazi-Teppich in ihren Räumen reagieren die verantwortlichen Geschäftsführer nicht.

Allerdings scheint Teufl nicht der einzige Besucher des Herzogssaals zu sein, der sich daran stört, Gast unterm Hakenkreuz zu sein. Nachdem die TechBase Regensburg dort Ende 2023 eine Tagung durchgeführt hatte, postete man im Nachgang zunächst noch freudig Bilder von der Veranstaltung im historischen. Nach einem Kommentar, der darauf hinwies, dass der NS-Teppich im Hintergrund vielleicht nicht ganz so passend sei, wurde der Beitrag zumindest gelöscht.

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Kommentare (26)

  • Wolfi

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    Da muss man schon sehr kreativ sein um da was zu sehen. Man kanns auch übertreiben.

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  • Stunkfrau Maria

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    @Wolfi: ja mei! Wenn einem jetzt nicht direkt ein Hakenkreuz im typischen Farben ins Gesicht springt kann man ein Nazi Teppich, welcher einen Angriffskrieg verherrlicht schon eh einfach hängen lassen..*Ironie Ende*

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  • Ein ganz anderer Wolfi

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    Man muss aber schon auch gänzlich ignorant sein, um, angesichts der Geschichte des Teppichs, nichts zu sehen.
    Zu oft wird‘s immer noch untertrieben.

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  • BvG

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    Ich sehe auf dem Wandteppich (der wie groß ist?) noch mehr Symbole, die kunstgeschichtlicher Ausdeutung bedürfen. Wen stellt der Ritter rechts mit dem Löwenschild dar?

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  • Js

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    Ich denke es würde dem Eigentümer nicht Schaden, wenn man den Wandteppich abhängt und ins Historische Museum mit entsprechender Einordnung aufhängt. Vielleicht könnte die Stadt ja einen Künstler oder eine Künstlerin beauftragen um einen neuen zu gestalten.

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  • Mr. T.

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    Auch wenn der Teppich seine Bezüge zum Nationalsozialismus verklausuliert in einer mittelalterlichen Ritterszene darstellt, handelt es sich dabei ganz klar um eine Nazi-Devotionalie. Die Tatsache, dass dieser Dreck vor gut 20 Jahren noch einmal neu angefertigt wurde, um ihn der Nachwelt zu präsentieren und für diese zu erhalten, ist ein Skandal. So etwas tut man sicher nicht aus kunsthistorischen Aspekten heraus. Wenn überhaupt sollte man so etwas nur im musealen Kontext mit glasklarer kritischer Einordnung darstellen. Die alten Gemäuer und Säle in Regensburg haben schon so viele Ausstattungsgegenstände kommen und gehen sehen, warum muss man gerade diesen, nicht einmal 100 Jahre alten Nazi-Propagandafetzen präsentieren? Das haben weder die alten Räume noch die jungen Besucher:innen verdient. Eigentlich müsste der Staatsschutz auf den Plan treten und den Teppich abhängen und diejenigen in die Schranken weisen, die so etwas präsentieren.

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  • Jakob Friedl

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    Aktualisierte Infos: https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#herzogssaal

    Der Orginal-Teppich befindet sich im Museums-Archiv der Stadt Regensburg:

    Auf eine mündliche Nachfrage meinserseits in der Kulturausschusssitzung Mi, 15.03.2023 unter Ö7 ” Zwischenbericht zu den Nachforschungen über Dr. Walter Boll; Antrag von Herrn Stadtrat Friedl vom 01.01.2023″* ob es möglich sei den Orginalteppich zu präsentieren antwortete Herr Dersch, dass der Aufbewahrungsort des Dollinger-Teppichs ihm nicht bekannt sei, gerne
    jedoch danach recherchiert werden könne.** (Vgl. *https://ribisl.org/provenienzforschung-dr-walter-boll/ **https://ribisl.org/wp-content/uploads/2024/08/Protokoll_Kultuausschuss_April2023_Oe7_Boll.pdf) Das hat er getan:

    In Vorbereitung des “Broken Boll” Betrags zur Regenbogenpräludium-Ausstellung “Noctural” (siehe oben) hat das Museums Feuchtwangen am 22. Märl 2023 beim regensburger Kulturreferenten Wolfgang Dersch angefragt, ob der Dollinger-Dallinger-Teppich (1938 – 40) als zeitgeschichtliches Dokument und Anschauungsobjekt entliehen werden kann. Die Anfrage wurde von der Stadt Regensburg am 3. April 2023 negativ beschieden. “Zur Ausleihe muss ich Ihnen mitteilen, dass das Original nicht entliehen werden kann. Aufgrund des sehr schwierigen Zustands lehnt unsere Restauratorin eine Leihe ab. Die Replik ist nicht in städtischem Besitz und ich kann auch nicht sagen wem sie gehört. Der Herzogssaal gehört zum Wirtshaus „Weltenburger am Dom“.”

    :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

    Das Original des Dollinger Kriegsteppichs (nennen wir ihn doch einfach “Göringteppich”) von Prof. Dallinger stammt aus dem Jahr 1940. Da das Historische Museum aktuell inventarisiert und Artefakte für den Umzug ins neue Depot in Burgweinting verpackt, erscheint der Zeitpunkt günstig, um den Originalteppich wieder zu finden… um ihn anschließend in einem geeigneten Rahmen z.B. im historischen Museum neu zu präsentieren, z.B. neben den historischen Schlachtenteppichen mit Angabe der Jahreszahlen der Herstellung und des Erwerbs und Hinweisen zur Ausstellungsgeschichte – Denn nicht nur der Dollingersaal – auch die Sammlung und das Arrangement des Historische Museums, dessen Sammlung von Walter Boll für das Ostmarkmuseum zusammengetragen bedarf einer Kontextualisierung.

    Der Herzogshof bedarf samt Inventar einer sachlichen Kennzeichnung und Einordnung für die Besucher*innen: Mindestens Jahreszahlen zu den Ein- und Umbauten, Entstehungsdatum und Geschichte des Teppichs.

    Willkommen in Bolliwood – der nördlichsten Stadt Italiens!
    Hier Auszüge der Fantasievolle Inszenierung und Vermarktung ohne geschichtlich fundierte Hinweise im Web, auf der Speisekarte oder am städtischen Gebäude (und der Teppichreplik) selbst (Stand 2023): “[…] Herzlich Willkommen im Herzogssaal
    Der im Kern aus dem frühen Mittelalter stammende historische Herzogssaal gilt als bedeutendster Profanbau in Regensburg. Älter als die Steinerne Brücke, und in seiner Tradition und Geschichte älter als das Alte Rathaus, bietet sich der Herzogssaal hervorragend für Ihre Feier an. In seiner Funktion als Repräsentationssaal ist der Herzogssaal mit dem Reichssaal im alten Rathaus vergleichbar. Durch seine stützenlose Bauweise eignet sich der Herzogssaal für Veranstaltungen jeglicher Art. […]”

    Saalmiete bis 2 Uhr: 1200 €, hinzu kommen die Accessoires und der Service: ” […] Kerzenlicht
    Silberfarbene Kerzenhalter 1-flammig mit einer crèmefarbenen Kerze (250 x Ø 22 mm) pro Stück 4,00 5-armige silberfarbene Kerzenleuchter mit 5 crèmefarbenen Leuchterkerzen (250 x Ø 22 mm) pro Leuchter 15,00 […]” http://www.progastrogmbh.com/download/Bankettmappe%202023%20-%20Ihr%20Event%20im%20Herzogssaal.pdf

    „[…] DER HERZOGSSAAL

    Damals & Heute

    Im Herzen von Regensburg zwischen Domplatz und Kornmarkt gelegen, befindet sich der ehemalige Herzogshof in absolut exponierter Lage – in Mitten der historischen Altstadt am Dom.

    Der im Kern aus dem Frühmittelalter stammende Herzogssaal wurde um 1220 von den Wittelsbachern neu gestaltet und bis heute erhalten. Er verfügt mit einem Grundriss von 10 x 20 Metern, seiner stützenlosen Bauweise und einer Deckenhöhe von fast 5 Metern über monumentale Ausmaße. Seit dem Jahre 976 diente der Herzogssaal den bayerischen Herzögen als Versammlungsstätte und ist nachweislich der älteste erhaltene Repräsentationsbau des bayerischen Staates.

    Der einmalige Herzogssaal ist mit seinem erhaltenen historischen Ambiente die perfekte Location für Veranstaltungen und Events jeglicher Art – egal ob eine schicke Hochzeit, ein bayerischer Traditionsabend oder geschäftliche Banketts, Meetings und Firmenfeiern.

    Das direkt angeschlossene Hotel ACHAT Plaza Herzog am Dom Regensburg macht den Herzogssaal zudem zu einer einzigartigen Tagungs- und Konferenzlocation für regionale, überregionale und internationale Unternehmen. […]“

    :::::::::::::::::::::::

    Upcomming Artefakt: Teppich-Konstruktion Ritter-Schnitter!

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  • Thewi_Grund

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    Diese Sorte von Nazi-Jagd ist schon ein bisschen provinziell und affig (frz. affiche = Plakat), oder? Dass die gesamte Bundesrepublik vom vorausgehenden NS tief geprägt ist – entweder in Kontinuität oder als Negation -, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Trotz der bekannten ostbayrischen Verzögerung: Warum verwendet Regensburg Digital denn die Schrift, die es verwendet? Warum trinken wir so gern Coca Cola? etc. Es war das Dritte Reich, das die alte Schrift beseitigt hat, das sich für das amerikanische Gesöff begeisterte. Wahre Antifaschisten verwenden Sütterlin (Vorsicht Ironie!)… Auf irgendwelche randständigen Kuriositäten zu zeigen lenkt hier ab von der NS-Analyse. Stichwort Othering. Der projektive Umgang mit dem Mittelalter, der während der Administration Hitler stattfand, ist gewiss übel: Hat sich aber jemand schon mal die hiesigen Welterbe-Festivitäten der Gegenwart ogschaut?

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  • Günther Herzig

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    @Mr. T.
    23. August 2024 um 08:06 | #
    Zitat: “Die Tatsache, dass dieser Dreck vor gut 20 Jahren noch einmal neu angefertigt wurde, um ihn der Nachwelt zu präsentieren und für diese zu erhalten, ist ein Skandal. So etwas tut man sicher nicht aus kunsthistorischen Aspekten heraus.”
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Initiatoren für die Herstellung der Kopie wirklich im Sinn hatten durch die Präsentation eine b esondere Haltung zu dokumentieren. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Oberflächlichkeit, Dummheit und mangelnde Bildung dafür verantwortlich sind. Trifft Ihre Deutung zu, ist es ganz sicher ein Skandal! Ich war dort noch nie seit dieses Machwerk dort hängt, hätte mir aber auch bei einem Besuch wahrscheinlich absichtslos keine weiteren Gedanken gemacht. Aber was ist mit dem oder denen, die im Jahr 2002/2003 darüber nachgedacht haben dieses fürchterliche Zeugnis einer angeblich überwundenen Zeit zu reproduzieren. Dem müssen doch eigentlich Recherchen darüber vorangegangen sein, was Anlass für die Anfertigung des Originals sein sollte und welche Aussagen damit verbunden gewesen sein sollten. Die im Jahr 2002 Verantwortlichen sind anzuprangern, damit sie sich erklären!

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  • joey

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    obwohl ich mich sehr mit Nazi Geschichte beschäftige, ist mir das Hakenkreuz nicht aufgefallen – so genau habe ich da nicht hingeschaut. Danke für den Hinweis.

    Dem Originalteppich geht es vielleicht nicht mehr so gut, also fotografiert ihn und werft das schimmlige Zeug weg. Jeder Euro für eine Restaurierung ist zu viel Ehre. Museumsplatz ist kostbar und es gibt schlimmere Nazi Verbrechen als den Kitsch da, es reicht ein kleiner Fotorahmen.

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  • Dieter

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    Es spricht schon Bände, wenn sich die Besitzer bzw. Geschäftsführer des Herzogssaals nicht äußern wollen. ich gehe davon aus, dass die Gesellschaft nicht nur Besitzer, sondern auch Auftraggeber für die Kopie war? .Warum wurde diese überhaupt in Auftrag gegeben?
    Wenn den Pächtern wirklich die Hände gebunden wären, diesen Teppich abzuhängen, könnte man ihn zumindest überhängen.
    Wie sieht es eigentlich mit verfassungsfeindlichen Symbolen in diesem Kontext aus? Die Hakenkreuze sind offensichtlich und auf den ersten Blick zu erkennen. Vielleicht wäre das mal eine Strafanzeige wert?
    Über die Publicity freuen sich Regensburg, das Weltenbuger am Dom, die Besitzer und vielleicht auch der Hersteller der Replik bestimmt.

    @Thewi_Grund: Ich finde es immer wieder amüsant, wenn jemand meint, es besser als Historiker zu wissen, aber gleichzeitig mit dem eigenen Wortschatz kämpft.

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  • Jakob Friedl

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    @ Thewi_Grund
    “Der projektive Umgang mit dem Mittelalter, der während der Administration Hitler stattfand, ist gewiss übel: Hat sich aber jemand schon mal die hiesigen Welterbe-Festivitäten der Gegenwart ogschaut?” – Welterbe-Festivitäten im authentisch inszenierten Herzogssaal ist mit seinem vorgeblich seit 1200 orginal erhaltenen historischen Ambiente?
    “Auf irgendwelche randständigen Kuriositäten zu zeigen lenkt hier ab von der NS-Analyse. Stichwort Othering.” Die langjährigen und vielfältigen Recherchen von Waltraud Bierwirth und Robert Werner u.A. zum NS Kulturwart und Museumsdirektor Walter Boll, die darauf aufbauenden Anträge im Stadtrat 2022/23 und auch die sich, als Beitrag zum Thema der Neukonzeption des Historischen Museums, mit der 1970 vom Kunst-&Gewerbeverein gespendeten Bollbüste (des Nürnberger Kunstprofessors und ehem. SS-Stipendiaten Hans Wimmer) auseinandersetzende Ausstellung “Broken Boll” haben sicherlich mit dazu beigetragen, dass sich die regensburger Stadtverwaltung dazu entschlossen hat nach Münchener Vorbild gemeinsam mit der Uni das Thema Stadtverwaltung im NS systematisch als Ganzes zu erforschen (“sowie ihrer institutionell-personellen Kontinuitäten und Brüche über diese Epochenmarken hinweg”) …Beginnend mit der kommunalen Kulturpolitik und –verwaltung! Es lohnt sich wohl nachzufragen, ob die Stelle an der Uni nun schon besetzt werden konnte. Siehe 13.06.2023 Öffentliche gemeinsame Sitzung des Kulturausschusses und des Ausschusses für Bildung: https://www.regensburg.de/rathaus/stadtpolitik/regensburger-sitzungsdienst

    Dieses zeitlos im Indiana Jones Stil inszenierte Video von Max Erl würde ich gerne einmal im Herzen des Welterbes, z.B. auf den Großbildschirmen des document Legionslagermauer unter dem Dachauplatzparkhaus abspielen. Walter Boll – 1000 Jahre später an seinen Wirkungsstätten ausgegraben: https://youtu.be/auAM-kShfL4?si=5QELefU_KHFU8IvZ

    Kunst macht Spaß.

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  • Meier mit „ei“

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    „Übersehen“ geht schnell:
    Irgendwie fühle ich mich gerade an Claudia Roth erinnert, die als eine Verantwortliche auf der documenta antisemitische Darstellungen übersehen hatte.

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  • Mr. T.

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    Günther Herzig, natürlich sollte man nicht Böswilligkeit unterstellen, wenn etwas auch durch Dummheit hinreichend erklärbar ist. Aber die Geschichte des Teppichs, von wem und in wessen Auftrag mit welcher Intention, sollte eigentlich bekannt gewesen sein.
    Schau mer mal, ob wir zur Reproduktion oder dem Grund, warum der Nazifetzen da drin hängt, noch mehr erfahren. Bei einem mehr als 1000 Jahre alten Saal sollte so ein weniger als 100 Jahre altes Propagandawerk sicher keine ausreichend hohe historische oder kunsthistorische Bedeutung haben, dass es da unbedingt hängen muss.

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  • Daniela

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    Kommentar gelöscht. Der Teppich, das Original, stammt nicht aus dem Mittelalter, sondern von 1940. Die Kopie von 2003. Das steht alles im Text.

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  • Günther Herzig

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    @Mr. T.
    23. August 2024 um 14:51 | #
    Natürlich haben Sie Recht! Ich teile Ihren Wunsch, dass das noch bis ins letzte Detail aufgeklärt wird.

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  • Jakob Friedl

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    @Mr T
    “Bei einem mehr als 1000 Jahre alten Saal sollte so ein weniger als 100 Jahre altes Propagandawerk sicher keine ausreichend hohe historische oder kunsthistorische Bedeutung haben, dass es da unbedingt hängen muss.”
    Hier bin ich anderer Meinung: Die Teppich-Replik könnte auch entsprechend kommentiert im Rittersaal hängen bleiben und der Original-Kriegsteppich im Historischen Museum ausgestellt werden. Die Umbauten am, im und vor dem Gebäuderest am Albrecht-Altdorfer-Platz sollten mit Informationsangeboten gekennzeichnet werden. Als Kunstprojekt werden wir wohl früher oder später die Arbeit an einem neuen Ritter-Teppich wieder aufnehmen…

    Zur Verdeutlichung nochmals: Die Hälfte des 1935 von der Stadt erworbenen Herzogshofs wurde abgerissen – heute ist hier der Albrecht-Altdorfer-Platz. Der Gebäuderest des 1940 „wiederhergestellten“ Herzogshof mit seinem Kolonadendurchgang (für die autogerechte Stadt!), willkürlich eingesetzten Spolien, den Sockelsteinattrappen usw. ist das Ergebnis schöpferischer Denkmalpflege, die zum Ziel hatte das 3. Reich ideologiegemäß in die Tradition der deutschen Kaiserreiche zu stellen. Der „historische“ Herzogssaal ist ein zur Vermittlung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes erschaffenes Rittersaal-Phantasieprodukt, mit dem die regenburger NS- Verwaltung die Stadt nach dem Vorbild Nürnbergs und Rothenburgs touristisch attraktiver als „Stadt des Reichs“ gestalten wollte. Der 1938 in Auftrag gegebene Dallinger-Dollinger-Kriegsteppich dreht die erst im 16. und 17 Jhd. schriftlich fixierte Dollinger Schein-Sage im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie weiter.
    Hier eine Texttafel zum Herzogshof aus der Broken-Boll Ausstellung:
    https://ribisl.org/wp-content/uploads/2023/06/230524_Texttafeln-5-Kopie-1-1024×1321.jpg hier im Blog: https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Ausstellungstafeln_Wirkungsst%C3%A4tten

    Und so werden Herzogshof und Herzogssaal samt Tischdekoration vermarktet:
    “[…]Der im Kern aus dem Frühmittelalter stammende Herzogssaal wurde um 1220 von den Wittelsbachern neu gestaltet und bis heute erhalten.[…]” usw…vgl. Mein Kommentar vom 23. August 2024 um 08:35

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  • joey

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    @Jakob Friedl
    eigentlich war geplant, eine Paradestraße für NS Aufmärsche zu schaffen und den “Herzogshof” ganz abzureißen. Aussage von Prof. Grunauer (Architekturgeschichte FH Regensburg ca. 1994). Grunauer war NS Verfolgter und überlebte im Exil in Basel, hatte also keinen Grund für irgendwelche Boll-Mythen.
    Das Auto als Lieblingsfeind der Linksgrünen hat damit gar nichts zu tun, es ging um NS Stiefel im Gleichschritt. Mit den angeblich historischen Säulen wurde Werbung für das “originale” Regensburg gemacht.

    Die Eigentümer sollen irgendwas anderes aufhängen – aber sicher keine Kunst, die von der Stadt vorgeschrieben wird und zufällig von einem …
    Die Diskussion hier ist richtig, weil sie die Eigentümer zum Handeln zwingt. Was die dann machen, ist deren Freiheit und Verantwortung.

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  • Jakob Friedl

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    @Joey
    “Die Eigentümer sollen irgendwas anderes aufhängen – aber sicher keine Kunst, die von der Stadt vorgeschrieben wird und zufällig von einem…”
    Wir werden es sicherlich nie erleben, dass die Stadtverwaltung meine Kunst anordnet, hahaha. Ich spiele seit 25 Jahren nur an selbstgewählten Orten in selbstgewählten Zusammenhängen.

    Auch bezüglich der unterstellen “Boll-Mythen” geht Dir Deine Phantasie aus mir unbekannten Gründen wieder einmal durch – “Joey”.

    Hier ein Link zu einem sehr lesenswerten Aufsatz “Regensburg als Denkmal deutschen Geistes im Dritten Reich” von Peter Morsbach in der Publikation zum Herbstsymposium 2010 unter dem Motto “Zum Teufel mit den Baudenkmälern”
    http://europabrunnendeckel.de/download /Regensburg%20als%20Denkmal%20deutschen%20Geistes%20im%20Dritten%20Reich%20Morsb.pdf
    S. 8-10 gehen auf den Herzogshof ein, der 1935 von der Oberpostdirektion auf Abbruch gekauft worden war, die hier einen Neu- oder Erweiterungsbau realisieren wollte. Boll setzte sich mit OB Schottenheim für den Teilerhalt des Gebäudes ein, ließ es entkernen und umbauen und gab 1938 den Dollinger-Kriegsteppich beim angesagten Künstler Prof. Karl Heinz Dallinger in Auftrag, der 1937 die Weinstube im Haus der Kunst ausgemalt hatte: https://www.hausderkunst.de/ihr-besuch/golden-bar Zur Einordnung: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/goldene-bar-das-haus-des-kitschs-1.931939

    Im Rahmen des Herbstsymposiums 2023 zum Thema”„50 Jahre Bayerische Denkmalschutzgesetz aus Regensburger Sicht“ war in den Vorträgen “Walter Boll und sein denkmalpflegerisches Konzept” von Dr. Eugen Trapp und „Hierbei ist in jedem Falle die vorher eingeholte gutachtliche Stellungnahme des Museumsdirektors Dr. Boll mitvorzulegen“ von Dr. Maximilian Fritsch zu erfahren, dass Walter Boll (als Spitzenbeamter der Vor- und Nachkriegszeit) bezüglich der Altstadt dem damaligen Zeitgeist entsprechend in 1/2 erhaltenswerten und 1/2 entbehrlichen Bestand unterschied. Die eine ausgewählte Hälfte der regensburger Altstadt hätte herausgeputzt und inszeniert, die andere bedenkenlos abgerissen werden können, z.B. für Parkhäuser. Das steht nicht in direktem Widerspruch dazu, dass sich der pensionierte Ex-Direktor Boll später gegen die geplanten und bereits begonnenen Altstadtautobahnen Gehör verschaffte. Seit 50 Jahren gibt es ein bayerisches Denkmalschutzgesetz und auch der Zeitgeist hatte sich geändert….

    “Die Diskussion hier ist richtig, weil sie die Eigentümer zum Handeln zwingt. Was die dann machen, ist deren Freiheit und Verantwortung.” Die Eigentümer wären gut beraten die Bau- und Ideologie-Geschichte des authentisch inszenierten Herzogshofs offen darzulegen. Umsatzeinbußen wären vermutlich nicht zu befürchten.

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  • Hamburger

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    Der Boden des Hamburger Rathauses besteht aus Hakenkreuzen. Da sagt auch niemand was…

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  • Herbert Grabe

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    Es erschließt sich mir nicht, weshalb »nur« auf die Hakenkreuze Bezug genommen wird. Ein Machwerk, das den deutschen Überfall auf Polen und damit den Ausbruch des zweiten Weltkriegs feiert oder verherrlicht, gehört von der Wand genommen und in den Giftschrank des Stadtmuseums.

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  • joey

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    @Jakob Friedl
    Man muß nicht alles breit beschildern. Der historische NS war so umfassend schrecklich, daß man in der gesamten Innenstadt nicht genug Platz für alles hätte. Die meisten Leute, die in den Herzogshof rein kommen, wollen jetzt einfach was essen. Ich bin aktiv in Erinnerungsarbeit und kann sagen, daß z.B. die heutigen Gymnasiasten oft schon mit NS übersättigt sind und gar nichts mehr aufnehmen wollen. Das ist ja genau nicht das, was Bildungsarbeit erzeugen will. Ich würde eine (nötige ausführliche) Darstellung eher in kostenlosen Fachmedien on demand zugänglich machen.

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  • KW

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    @Hamburger, Interessant. Mein letzter Besuch in Hamburg ist leider schon mehr als 25 Jahre her, wo genau sollen die Hakenkreuze im Hamburger Rathaus sein? Im virtuellen Rundgang konnte ich jedenfalls keine entdecken:
    https://rathaus-3d.hamburg.de/#pano=175

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  • Sarasvati

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    Obwohl ich schon mehrfach bei Veranstaltungen im Herzogssaal war, habe ich den Wandteppich nie bewusst wahrgenommen – weil immer die Events, nicht das Ambiente im Fokus standen. Was für ein böses Erwachen, wenn man als Mieter mitten in der Veranstaltung oder im Nachhinein auf den Bildern erkennen muss, in welch ekelerregenden Kontext man durch das verantwortungslose Verhalten der Besitzer gerückt wird. Vielen Dank an Regensburg digital, auch hier wird wieder kompakt wichtige Aufklärungsarbeit geleistet.

    Steckt hinter der hinweislosen Präsentation des Wandteppichs keine verachtenswerte Absicht, drängt sich mir eine einfache Lösung auf: Erwerb der Kopie durch die Stadt, so muss man weder Geld noch Zeit in das Original investieren. Dann sollte man diesen „Nazi-Propagandafetzen“ tatsächlich im Historischen Museum ausstellen. Als Musterbeispiel für die historisierende Vereinnahmung von Traditionen, die im neuen Kontext eben auch widerliche Botschaften vor dem ersten (unachtsamen) Blick verbergen können. Die 20jährige „Karriere“ der Kopie als Hintergrund unzähliger unschuldiger Veranstaltungen ist da ein guter Aufhänger für diese Art von Achtsamkeits-Arbeit, die Regensburg sowieso dringend nötig hat.

    Im 21. Jahrhundert hat das Thema „Mittelalterlicher Wandteppich“ dank einiger deutscher Studenten durch die legendären echten Bayeux Tapestries eine völlig neue, spielerische Komponente bekommen: den „Historic Tale Construction Kit Bayeux“ (http://htck.github.io/bayeux/#!/).

    Kostenlos und unterhaltsam kann man hier mit aktuellen Eigen-Kreationen u. a. auch den Ekel vor den Nazis in Szene setzen. Eine illustrierte Erläuterung zum Projekt liefert Open Culture (https://www.openculture.com/2020/06/construct-your-own-bayeux-tapestry-with-this-free-online-app.html).

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  • Mr. T.

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    Alles richtig, Saravasti, aber bitte kein Erwerb der Kopie durch die Stadt. Sollen diejenigen, die die Kopie des Naziteppichs in Auftrag gegeben haben, dafür auch noch finanziell entlohnt werden? Das Original kann man als mahnendes Stück Nazipropaganda aufheben und entsprechend kommentiert ausstellen, die Kopie hat keinen historischen Wert und kann wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingezogen und zu Putzlappen verarbeitet werden.

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drin