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Kolumne

HEIMKOMMEN #3: Meine Meinung

Heimatstolz. Heimatsound. Sogar Heimatministerium. Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren so sehr missbraucht wie das Dahoam. Flo Neumaier ist Nachwuchsautor, Humorazubi beim Fernsehen und Regensburger a.D. – Für regensburg-digital schreibt er ab sofort regelmäßig über seine Besuche, sein Heimweh, sein Regensburg.

Hallo, ich bin Flo und ich bin zu viel im Internet.

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So oder so ähnlich funktioniert der erste und einzige Satz, der uns vom Klischee der Selbsthilfegruppe aus amerikanischen Vorstadt-Sitcoms und deutschen Schweighöfer-Schmonzetten im Gedächtnis geblieben ist: Hallo ich bin und ich…. – Ich bezweifle, dass das wirklich jemand sagt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so Gruppentherapie funktioniert. Ich könnte das recherchieren, aber ich habe ja bereits eine Meinung. Also: Was soll‘s.

Trotzdem: Der Satz ist gut, die absolute Verortung, die maximale Selbsterkenntnis. Mehr gefällig?

Hallo, ich bin Flo und ich beginne zu oft Sätze mit dem Wort „Ich“.

Hallo, ich bin!

Hallo, ICH!

Geil oder? Einfach mal selber ausprobieren! Geht runter wie das Fassbier lokaler Kleinbrauereien den Ausguss. Dieser Schrei nach Aufmerksamkeit, die Betonung der Identität, des Individualismus. Wie kriege ICH da jetzt wieder die Kurve zu einem Text, den ICH aus der ICH-Perspektive schreibe?

Gar nICH. Verzeihung.

Regensburg.

Hallo, ich bin Flo und ich fahre jetzt nach Regensburg.

Die Zeit der großen Unsicherheit, die Findungsphase, die mich noch im Februar beschäftigt hat, ist vorbei. Ich habe mich radikalisiert. Twitter und Facebook waren meine Ausbildungscamps. Mein Leben ist jetzt viel bequemer, vor allem aber effizient.

Seid ihr noch da? Aufpassen! Wichtig: Ich bin jetzt Meinungsextremist. Mein Ziel? Immer die Nummer 1 in den Twitter Trends, die erstbeste Sau am Dorfeingang, im Gepäck 280 Zeichen purer oberpfälzer Grant.

Und dann: Masken.

In 132 Zeichen. Die Maskenpflicht in der Altstadt nervt. Oh ja, sie nervt! Und deshalb gehört sie weg, so wie die Politiker, Birkenpollen und andere Autofahrer. Aufwachen!

In 126 Zeichen. Lockerungen? Seid ihr wirklich so dumm? Friseure, Baumärkte und here weg go again. Wir brauchen Zero Covid, Metal Gear Lockdown, bis zur letzten Bar.

Geschäfte auf! Geschäfte zu? Ich halte das nie lange durch mit der absoluten Position. Auch das nervt. Sprich Bewegung:

Ich entscheide mich für Stadtamhof. Man heiratet zwar nicht über Donau, aber spazieren geht wohl klar. Ich tue das auch, weil ich hier nicht dauerhaft meine Maske tragen muss. Da kommt der Raucher durch; bin ich nicht stolz drauf.

Ich bin für Vorsicht. Ich finde eine sich ständig ändernde Inzidenzpolitik problematisch, aber vor allem habe ich so viel Ahnung von der Bekämpfung einer globalen Pandemie wie von Landschaftsarchitektur. Das sehe ich ein.

Ich möchte nicht, dass wir unseren kritischen Blick verlieren, aber es besteht ein Unterschied zwischen einem kritischen Blick und der Überzeugung, wir würden von Bill Gates regiert. Vielleicht will Tim Cook, dass wir das alle denken! Schonmal daran gedacht? Nein? Eben. Auf meinen Iphone-Kopfhörern läuft „Mad World“.

Die Donauufer sind voll. Bestes Wetter. Ich will mich kurz echauffieren, dann merke ich, dass ich ja selber da bin. Weiter unter der Steinernen Brücke durch. Ziellos genießen. Was reimt sich eigentlich auf Corona? Ich habe meine Sonnenbrille vergessen.

Alle sind Experten, alle schlauer als der Rest. Dass das rein rechnerisch nicht aufgeht… Wurscht!

Und versteht mich nicht falsch. Ich liebe Meinung. So sehr, manchmal habe ich ganz viele. Ich unterscheide sie nur von Tatsachen. Manchmal.

Aber hey: Wir sind alle fertig, alle drüber, alle gereizt. Jeder Hasskommentar jedes Querdenkers ist der verzweifelte Schrei eines Menschen, den wir an den Wahnsinn verloren haben und im Subtext steht immer dasselbe: Hallo, ich bin … und ich bin noch da. Entschuldigt das irgendwas? Nö.

Ich schlendere an einer Litfaßsäule am Oberen Wöhrd vorbei. Fast leer, viel weiße Fläche wo eigentlich Konzerttermine sein sollten. Wieder sein werden. Nur ganz unten klebt ein rotes Plakat von der Stadt. In weißen Buchstaben prangt über einem kleinen Textblock nur ein einziges großes Wort in weiß: „Zusammenhalt“.

ICH für meinen Teil halte jetzt einfach meinen Mund, ziehe die Maske drüber und mache mein Handy aus. Ich muss das nicht, ich mach das einfach. Frei nach dem Motto:

Hallo, ich bin Flo und ich bin jetzt mal raus.

Zumindest bis heute Nachmittag. Dann kommen neue Infos aus den Bund-Länder-Beratungen. Vielleicht macht ja jemand mit.

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