Harte Bandagen im Klinik-Streit in Bad Abbach
Profitstreben auf dem Rücken der Patienten wirft Professor Joachim Grifka, Leiter der in Bad Abbach angesiedelten Universitätsklinik für Orthopädie, dem Klinikkonzern Asklepios vor. Im Gegenzug erhoben mehrere Führungskräfte in einem Offenen Brief Betrugsvorwürfe gegen den renommierten Mediziner. Während Universität und Asklepios sich dazu nicht wirklich verhalten, hat eine Strafanzeige nun die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen.
Der Haussegen hängt gewaltig schief in der Asklepios-Klinik in Bad Abbach. Und die Auseinandersetzungen, die nun zunehmend öffentlich geworden und in einen Offen Brief gemündet sind, der bundesweit beispiellos sein dürfte, betreffen nicht nur den Ruf eines Mediziners, der über Deutschland hinaus als Koryphäe gilt. Sie betreffen auch den Ruf von Asklepios und den des Universitätsklinikums Regensburg. Dessen Orthopädie-Klinik ist bei Asklepios in Bad Abbach angesiedelt, inklusive der Ausbildung zukünftiger Medizinerinnen und Mediziner.
Professor kritisiert geplante Strukturen und neue Abteilung
Es wird mit harten Bandagen gekämpft, zwischenzeitlich muss sich sogar die Staatsanwaltschaft mit der Angelegenheit beschäftigen. Und auch das Vertrauen von Patientinnen und Patienten in die Arbeit am Klinikum wird auf eine harte Probe gestellt, angesichts der Tatsache, dass es zwischenzeitlich zum offenen Bruch innerhalb der Ärzteschaft gekommen ist und mehrere Führungspersonen dem Direktor der Orthopädie das Vertrauen aufgekündigt haben, darunter der Chefanästhesist.
Vordergründig geht es zunächst einmal um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen Professor Joachim Grifka und dem Asklepios Klinikum Bad Abbach. Grifka, 64, Mitglied der Leopoldina, Direktor der Universitätsklinik für Orthopädie und Inhaber des entsprechenden Lehrstuhls an der Universität Regensburg, klagt gegen die Einführung einer sogenannten Departement-Struktur in der Orthopädie-Klinik. Vor allem aber nutzte er die öffentliche Gerichtsverhandlung Mitte Juli, um die neue Orthopädie-Abteilung zu kritisieren, die Asklepios in Bad Abbach Anfang des Jahres ins Leben gerufen hat.
Professor Grifka: Ein Kritiker überflüssiger Operationen
Diese „Orthopädie II“ wurde auch im Hinblick auf die Tatsache geschaffen, dass Grifka in wenigen Jahren in Pension geht und bislang noch nicht klar ist, wie es nach seinem Weggang mit der Kooperation mit der Uniklinik weitergehen wird, heißt es von Asklepios. Grifkas Vorwurf vor dem Arbeitsgericht: Dem Klinikkonzern gehe es mit der Orthopädie II ausschließlich um Gewinnoptimierung. Mehr lukrative Operationen anstelle von, so formulierte es der Professor vor dem Arbeitsgericht, „ehrliche Medizin für meine Patienten“. Seiner Abteilung würden hingegen Räume und Kapazitäten entzogen – zum Schaden eben dieser Patienten.
Der dahinter stehende Streit ist grundsätzlich und in Fachkreisen schon länger bekannt: Joachim Grifka ist ein Verfechter der konservativen Therapie, dem Vermeiden von überflüssigen Operationen. Unter anderem 2017 sprach er anlässlich der Eröffnung des neuen Zentrums für Rückenpatienten in Bad Abbach recht freimütig darüber, dass beispielsweise ein Großteil der stetig steigenden Wirbelsäulenoperationen in Deutschland vermieden werden könne, wenn eine eingehende Untersuchung und umfassende fachübergreifende Diagnose im Vorfeld erfolge. Nur eines von vielen Beispielen.
Asklepios-Geschäftsführer spricht von „Affentheater“
Ist das einem millionenschweren Klinikbetreiber wie Asklepios, für den Operationen weitaus lukrativer sind als konservative Ansätze, ein Dorn im Auge? Folgt man Grifkas Ausführungen vor dem Arbeitsgericht, über die die MZ Mitte Juli berichtete, dann beantwortet er diese Frage mit einem klaren Ja: „Klinik II dient ausschließlich der Gewinnoptimierung. Hier geht es um Profit durch Operationen.“ Deshalb gelte er mit seiner Haltung als geschäftsschädigend.
Auch mit seiner Skepsis gegenüber der Einführung einer Department-Struktur steht Grifka nach eigenen Worten nicht allein. Auch die Universität Regensburg, für die Grifka in seiner Doppelrolle arbeitet, genauer gesagt, der Dekan der Medizinischen Fakultät, sehe deren Einführung kritisch.
Asklepios-Geschäftsführer Johann Bachmeyer widersprach alledem heftig. Das sei ein „Zickenkrieg“, ein „Affentheater“ – und er könne jeden Kritikpunkt Grifkas widerlegen. Am Ende wurde der Termin ergebnislos beendet. Der Richter riet zu einer gütlichen Einigung. Doch was dann folgte, dürfte bundesweit beispiellos sein.
Ein beispielloser Offener Brief
Wenige Tage später wandten sich mehrere Führungskräfte der Asklepios-Klinik Bad Abbach mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit, der in der MZ erschien. Die darin erhobenen Kritikpunkte sind mindestens rufschädigend und in Teilen wohl auch strafrechtlich relevant.
Es beginnt mit „ehrabschneidenden“ Behauptungen und „Tatsachenverdrehungen“, die Grifka in die Öffentlichkeit getragen habe. Von einer „unerträglichen Selbstüberschätzung“ des Ärztlichen Direktors ist in dem Schreiben die Rede. Schließlich wird der Vorwurf erhoben, dass Grifka „über zwei Jahrzehnte Operationen abgerechnet haben soll, die er nicht erbracht hat und auch fachlich nicht erbringen konnte“. Zudem habe er bei seinen „privat erstellten Rechnungen Steigerungssätze angesetzt (…), die nicht selten den üblichen Chefarzt-Satz um bis das Zehnfache übersteigen“. Und ganz grundsätzlich stellt man die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Professor Grifka „geschlossen in Frage“.
Unterzeichnet ist der Brief von Dr. Georg Bonnländer, Ärztlicher Direktor Chefarzt Anästhesie, und Privatdozent Dr. Patrick Hoffstetter, dem stellvertretenden Ärztlicher Direktor Chefarzt Radiologie. Beide wurden erst im vergangenen Jahr auf diese Leitungsposten gewählt. Ebenfalls unterschrieben hat Professor Heiko Koller, Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums in der neuen Orthopädie II; Dr. Robert Morrison, Chefarzt im Wirbelsäulenzentrum der neuen Orthopädie II und schließlich Andrea Schmalfuß, Gesamtleitung Pflege, und Armin Kolb, Leiter der Physiotherapie.
Nach Offenem Brief: Asklepios reagiert kaum
Angesichts der Massivität der Vorwürfe – Abrechnungsbetrug über zwei Jahrzehnte – muss man einerseits die Frage stellen, warum die Unterzeichner dieses Briefes zuvor geschwiegen haben. Andererseits aber auch, welche Konsequenzen Asklepios daraus nun zieht. Die kurze Antwort auf letztere Frage lautet: so gut wie keine.
Man legt, das wird uns im Gespräch mitgeteilt, Wert darauf, dass Asklepios diesen Brief weder bedingt habe noch dass dieser mit der Geschäftsführung abgestimmt gewesen sei. Man sei schockiert und überrascht angesichts der Vorwürfe und Wortwahl.
Doch konkret unternehmen will man nichts, heißt es. Zum einen wisse man nicht, ob Professor Grifka über zwei Jahrzehnte falsch abgerechnet hat oder nicht. Er habe „ein unmittelbares Liquidationsrecht, d.h. er rechnet direkt mit seinen Patienten in eigener Regie ab und trägt dafür auch die alleinige Verantwortung“. Ob dieser Vorwurf zutreffe, könne man also nicht sagen.
Hinnehmbar sei es selbstverständlich nicht, „dass im Rahmen der Kooperation zwischen der Universitätsklinik Regensburg und Asklepios in unserer Klinik in Bad Abbach ein Lehrbeauftragter Professor möglicherweise falsch abrechnet“. Die von Grifka kritisierte Department-Struktur „hätte den Zweck, ihn administrativ zu unterstützen und würde gleichfalls sicherstellen, dass die von ihm aktuell allein veranlassten Abrechnungen frei von Auffälligkeiten wären“, heißt es weiter. Man werde nun „arbeitsrechtlichen Handlungsoptionen“ prüfen. Alles andere müsse die Staatsanwaltschaft klären.
Staatsanwaltschaft ermittelt nach Strafanzeige gegen Grifka
Allerdings hat Asklepios laut eigener Aussage bislang weder straf-, noch zivilrechtliche Schritte veranlasst. Doch immerhin weiß man dort Bescheid darüber, dass es eine Strafanzeige gibt, deren Erstatter aber nicht bekannt ist. Mit dieser Anzeige beschäftigt sich nach gesicherten Informationen unserer Redaktion nun die für Abrechnungsbetrug zuständige Staatsanwaltschaft in Nürnberg, wo die Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) angesiedelt ist.
Ob tatsächlich ein Anfangs- oder gar dringender Tatverdacht gegen Professor Grifka besteht, will ein Sprecher der Strafverfolgungsbehörde weder bestätigen noch dementieren, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden. Es sei aber Usus, dass in Folge einer Anzeige zunächst ein Ermittlungsverfahren aufgenommen werde – unabhängig davon, wie begründet ein Tatverdacht sei.
Die Universität Regensburg hält sich bedeckt
Professor Grifka hat sich auf eine Nachfrage unserer Redaktion bislang nicht zurückgemeldet. Gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung hat er die in dem Brief erhobenen Vorwürfe als „unhaltbar“ bezeichnet. Allerdings verbiete ihm sein Arbeitsvertrag, dazu im Detail Stellung zu nehmen.
Völlig bedeckt hält sich die Universität Regensburg angesichts der Auseinandersetzungen und Vorwürfe, die immerhin einen renommierten Lehrstuhlinhaber betreffen. Man habe mit Asklepios Gespräche geführt und werde diese weiter führen, heißt es auf Nachfrage von der dortigen Pressestelle. Dazu sei allerdings Vertraulichkeit vereinbart worden.
Bisherige Kooperation Uni – Asklepios: Win-win-Situation
Bislang war die Kooperation zwischen dem Privatkonzern Asklepios und der staatlichen Universität bzw. dem Universitätsklinikum Regensburg eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Das Asklepios-Klinikum Bad Abbach genießt angesichts der von Grifka geleiteten Orthopädie einen ausgezeichneten Ruf, schafft es in die Bestenlisten von Focus, Newsweek und anderen. Für das Universitätsklinikum Regensburg löst die Auslagerung der Orthopädie ein historisch gewachsenes Problem. Als sich nach der Gründung des Universitätsklinikums der Bund aus der Finanzierung zurückzog, wurden verschiedene klinische Bereiche ausgelagert anstatt sie direkt am Campus einzurichten – so auch die Orthopädie in Bad Abbach.
An alledem kratzen der von Grifka öffentlich gemachte Streit, die massiven Vorwürfe in dem Offenen Brief, das nun begonnene Ermittlungsverfahren einer auf Betrug im Gesundheitswesen spezialisierten Staatsanwaltschaft, aber auch das Schweigen bzw. die Tatenlosigkeit von Uni und Asklepios.
Asklepios scheitert mit Abmahnung
Die auf der Hand liegende Frage, ob eine insbesondere bei Operationen notwendige Zusammenarbeit zwischen dem Chefarzt der Orthopädie, Professor Grifka, und jenem der Anästhesie, Unterzeichner des Offenen Briefs, in dem das Vertrauen aufgekündigt wird, überhaupt noch möglich ist, wiegelt man bei Asklepios ab. „Die Professionalität unserer Mediziner im Umgang mit Patienten steht für uns vollkommen außer Frage“, heißt es knapp. Ob künftige Patientinnen und Patienten das auch so bewerten, bleibt abzuwarten.
Eine Abmahnung von Asklepios gegen Grifka hat das Arbeitsgericht Regensburg übrigens diese Woche gekippt. Er habe versucht, Personal für die neue Orthopädie II zu vergraulen, so der Vorwurf, den Grifka zurückwies. Das Gericht gab ihm am Ende recht. Eine Urteilsbegründung liegt bislang nicht vor. Bitter für den Professor: In einer zweiten Entscheidung wurde ihm untersagt, sich umfassend zu dem Streit mit Asklepios gegenüber Dritten zu äußern.
tom
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Ach wie schön, der Herr Professor unermüdlich im altruistischen Einsatz nur zum Wohle seiner Patienten. Ein wahrer Held in unser materialistischer Welt!!! Ich kann meine Tränen kaum zurückhalten.
Hthik
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Spannender als jeder Krimi.
xy
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Kommentar gelöscht. Wenn Sie Belege für Ihre Behauptungen haben, her damit. Rufschädigende Gerüchte sind hier unerwünscht.
Daniela
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“Das Asklepios-Klinikum Bad Abbach genießt angesichts der von Grifka geleiteten Orthopädie einen ausgezeichneten Ruf, schafft es in die Bestenlisten von Focus, Newsweek und anderen. ”
Das beantwortet jedwede Frage, warum Asklepios keine Stellung beziehen möchte.
“Die Professionalität unserer Mediziner im Umgang mit Patienten steht für uns vollkommen außer Frage“
Ja, wenn Professionalität der Mediziner in einem Offenen Brief liegt, der dem Zweck dienen, Grifka zu denunzieren und die Geschäftsführung davon nichts zu wissen schien. Besonders im Umgang mit Patienten, denen mal eben verkündet wurde, es bestehe der Verdacht, er begehe Abrechnungsbetrug….???
“Eine Abmahnung von Asklepios gegen Grifka hat das Arbeitsgericht Regensburg übrigens diese Woche gekippt. Er habe versucht, Personal für die neue Orthopädie II zu vergraulen, so der Vorwurf, den Grifka zurückwies. Das Gericht gab ihm am Ende recht. Eine Urteilsbegründung liegt bislang nicht vor. Bitter für den Professor: In einer zweiten Entscheidung wurde ihm untersagt, sich umfassend zu dem Streit mit Asklepios gegenüber Dritten zu äußern.”
Ohje, Asklepios, jemand denunzieren lassen durch Mitarbeiter mittels Offenen Brief und ihm dann das ‘Maul’ verbieten lassen???
Daniela
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@ Günther Herzig
3. September 2022 um 13:07 | #
Hilft nix, einfach einmal als Patient die eigene Patientenakte anfordern und dann gezielt das OP Protokoll suchen…
Da muss jeder Operateur drin stehen….
So einfach kann Aufklärung sein, wenn man sie für sich in Anspruch nehmen will.
Achim
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Kommentar gelöscht. Wir können Ihre Behauptungen nicht verifizieren. Wenn Sie sich bei uns melden, gehen wir dem gerne nach.
Martina Carl
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Kommentar gelöscht. Bitte keine persönlichen Auseinandersetzungen.
Daniela
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@Günther Herzig
3. September 2022 um 20:31 | #
“Ich weiß natürlich nicht, wer Skalpell oder Säge in der Hand hatte, als die Narkose wirkte. Nach Bemerkungen Dritter war es Privatdozent Dr. Köck, damals Oberarzt In Bad Abbach. Dass er die Orthopädie in Bad Abbach verlassen hat, soll bedingt gewesen sein durch Differenzen mit Professor Grifka, den ich nach eigenem Erleben als zu abgehoben erlebt …”
Hat leider genau so geklungen, als wollten Sie genau wissen, wer das Skalpell in der Hand hatte.
Aber Sie verlassen sich halt auf Aussagen Dritter und geben das so weiter. Ist ja auch in Ordnung, wenn einem das an Aufklärung reicht und die Versicherung anstandslos zahlt.
Harald
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Die Verlierer sind in erster Linie die Patienten, als zweites Asklepios ( denn den guten Ruf hat alleinig Hr. Prof. Grifka mit seinem Fachwissen erworben) Woher kommen viele dieser Patienten? Ich wurde hervorragend wie viele andere auch von Herrn Prof. Grifka behandelt.
Hthik
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@Günther Herzig 4. September 2022 um 14:54 | #
“Eine zu hohe Abrechnung scheidet wohl aus, weil der Versicherer die Rechnung ohne Beanstandung geprüft hat.”
Ich bin mir nicht sicher, dass jedem klar ist, dass dies eine ironische bemerkung zum Zustand der PKV ist.