Gottes Wort gilt nicht mehr: Regensburger Feinkosthändler Sarik streitet mit der Kirche
Für ein Obdachlosenprojekt muss Feinkosthändler Haritun Sarik seinen Traum von einem neuen Geschäft am Kassiansplatz aufgeben. Der Geschäftsmann hadert mit der Ehrlichkeit seiner Vermieter vom Kollegiatsstift St. Johann.
„Gottes Wort gilt“, murmelt Haritun Sarik, während er den Rechtsanwälten zuhört, die sich im Sitzungsaal 002 des Landgerichts Regensburg die widerstreitenden Argumente entgegenschleudern. Früher, da hat der Feinkosthändler und CSU-Stadtrat einmal geglaubt, dass das Wort Gottes und das eines Kirchenmannes dasselbe seien.
Doch hier vor Gericht, wo er sich mit einem Vertreter des Kollegiatsstifts St. Johann über die letzten Reste dessen streitet, was von seinem Geschäft am Kassiansplatz übrig geblieben ist, glaubt er das nicht mehr. „Ihr Wort gilt nichts“, sagt er irgendwann in Richtung des Stiftsdekans Professor Dr. Dr. Johannes Hofmann. Und als der sich dagegen verwahrt und sagt, das sei eine „Ehrabschneidung“, erwidert Sarik trocken: „Es ist aber so.“
Feinkost Sarik musste 2019 aufhören – und versprach ein Comeback
Es ist ein Streit, in dem es um mehr geht, als nur das Ende einer fast 40 Jahre währenden Erfolgsgeschichte und das Aus für einen ebenso lange andauernden Mietvertrag. Es geht um Absprachen und darum, was genau dort gesagt wurde. Natürlich auch um Geld und es geht um das Obdachlosenkonzept von Sozialbürgermeisterin Astrid Freudenstein (CSU).
Ein Blick zurück. Im Januar 2019 musste Sarik sein Geschäft am Kassiansplatz in den Räumen des ehemaligen Café Rösch nach fast 20 Jahren schließen. Mit dem dortigen Verpächter war man sich nicht über die neue Pacht einig geworden. Doch der gebürtige Armenier versprach eine baldige Rückkehr, direkt auf der gegenüberliegenden Seite, in den Räumen, die er bisher als Lager genutzt und seit 1985 vom Kollegiatsstift St. Johann, dem Bistum Regensburg, angemietet hatte.
Früher ging vieles noch per Handschlag
Vieles sei da über Handschlag gelaufen, erzählt er vor Gericht. Manchmal sei die mündlich vereinbarte Vertragsverlängerung erst mit einem Jahr Verspätung schriftlich fixiert worden. Doch auf die alten Monsignores im Stiftskapitel, Leute vom Schlag eines Heinrich Wachter, sei immer Verlass gewesen. „Wenn etwas ausgemacht war, dann hat sich da jeder dran gehalten. Das hat gegolten.“
So lief es nun mit Johannes Hofmann, der 2019 das Ruder übernommen hat, nicht mehr. Zumindest, wenn man Sarik und seinem Rechtsanwalt Dr. Friedrich Neumann glaubt. Letzterer wirkt bei der Verhandlung deutlich empörter als sein Mandant. Den er hat nach eigener Schilderung die Einigung ausgehandelt, von der Dekan Hofmann nun nichts wissen will.
Eine unerwartete Hiobsbotschaft letzten Mai
Der Sachverhalt in Kürze: Noch bis Mai 2023 habe man ihn in dem Glauben gelassen, dass der Pachtvertrag weiterlaufen und auf seinen Sohn überschrieben werde, sagt Sarik. Dafür gebe es auch entsprechenden Schriftverkehr. Entsprechend investierte der Geschäftsmann in Umbauten in den früheren Lagerräumen. Geschäft und Imbiss sollten hier entstehen. 90.000 Euro seien das mindestens gewesen. Allein für den Brandschutz weit über 10.000 Euro, so sein Rechtsanwalt.
Doch dann kam die Hiobsbotschaft. Es wird nun doch nichts mit dem Pachtvertrag und dem neuen Geschäft. Die Sariks müssen raus. Der Hintergrund, von dem Sarik erst später erfuhr: Die Stadt Regensburg war beim Bistum offenbar vorstellig geworden. Für das Obdachlosenkonzept von Sozialbürgermeisterin Freudenstein sucht man Partner und entsprechende Räumlichkeiten. Und nun soll, so der Plan, eine Begegnungsstätte für obdachlose Frauen in den Räumlichkeiten entstehen. Betreiber: InVia.
Doch was ist mit dem Geld, das Sarik in gutem Glauben in den Umbau gesteckt hat? Und was mit den Pachtzahlungen, die bis zum Ende des Vertrags noch auflaufen?
Einigungsgespräch: Wurden 35.000 Euro versprochen?
Es gab mehrere Gespräche und bei einer Runde im August 2023 habe es schließlich eine Einigung gegeben, erzählt Rechtsanwalt Neumann. Der war selbst dort, in Vertretung von Haritun Sarik. Stiftsdekan Hofmann und er hätten sich dort darauf verständigt, dass mit einer Zahlung von 35.000 Euro an Sarik alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten seien.
Zwar habe Sarik mehr als das Doppelte in die Umbauten investiert. Aber es sei ja noch Pacht zu zahlen – rund 14.000 Euro. Außerdem sei ein Wort ein Wort und er sei ein Freund von pragmatischen Lösungen. Er habe es nicht machen wollen, „wie auf dem türkischen Basar“ und deshalb habe er eingeschlagen.
Zwar habe Hofmann erwähnt, dass es noch die Zustimmung des Stiftskapitels brauche, aber die sei, das habe ihm die Geschäftsführerin versichert, eine „reine Formsache“. Bereits im September sollte der entsprechende Beschluss gefasst werden.
Kollegiatsstift bietet an: Wir sind quitt.
Der Stiftsdekan widerspricht. Dabei hält Johannes Hofmann immer wieder ein Heftchen mit den Statuten des Stiftskapitels in die Höhe. Er eben habe dort eben nur eine Stimme, auch wenn er die Einigung „wohlwollend“ gegenüber gestanden sei.
Auch Rechtsanwalt Rüdiger Franke, der das Kollegiatsstift vertritt, schaltet sich ein. Man könne von den Umbauten, die Sarik vorgenommen habe, „nix brauchen“, sagt der. Im Gegenteil. Rückbauen müsse man das, weil es Mängel gebe und einiges nicht dem Denkmalschutz entspreche. Und Sarik könne froh sein, dass man ihm das nicht in Rechnung stelle.
Das Kollegiatsstift biete deshalb seit einem halben Jahr an, dass man einfach quitt sei – ohne irgendwelche Zahlungen. „Das sei „dermaßen fair“, dass er sich kaum etwas anderes vorstellen könne. Aber darauf gingen Sarik und sein Rechtsanwalt ja leider nicht ein.
Drohszenarien von beiden Seiten
Der angesprochene Rechtsanwalt Neumann wird zunehmend sauer. Dafür, dass der Denkmalschutz irgendetwas bemängelt habe, gebe es keinerlei Beleg. „Legen Sie doch mal was vor.“ Das sei alles mit diesem Amt abgestimmt und das könne „ganz schön ekelhaft“ werden, wenn etwas nicht passe. Nichts sei da „hopplahopp“ gemacht worden, ergänzt Sarik.
Allein bei den beiden Stahlträgern, die man eingebaut habe, könne man pro Stück mit Kosten von 30.000 Euro rechnen, fährt Neumann fort. Aber wenn das Kollegiatsstift das wünsche, dann könne man gerne rückbauen – und zwar alles. „Rosinenpickerei“ gebe es da nicht. Doch dann dauere es eben noch länger, bis das Obdachlosenprojekt dort starten könne. Und das Kollegiatsstift werde sich wundern, wie viel es dann investieren müsse, um die Räume dafür herzurichten.
Man könne auch die Klage erweitern, gibt Rechtsanwalt Franke zurück. Dann gehe es eben nicht nur um 14.000 Euro Pacht, sondern um über 20.000. Außerdem könne man auch den Rückbau als Schadenersatz veranschlagen. Dann sei man schnell bei 50.000 Euro.
Vorwürfe und Beteuerungen
Richterin Stempfhuber hört den Parteien, bei denen ein Wort das andere gibt, geduldig zu und versucht immer wieder die Gespräche in Richtung einer Einigung zu lenken. Wirtschaftlich sei das ja für beide Seiten nicht, hier weiter zu streiten. Wie wäre es den zum Beispiel mit 10.000 Euro, schlägt sie vor. „Nein, da kommen wir nie hin“, kommt es wie aus der Pistole geschossen von Neumann. Auf die 15. oder 20.000 Euro, die dann im Raum stehen und auf einen früheren Vorschlag Neumanns zurückgehen, geht wiederum Franke nicht ein.
Und immer wieder kommt der Ärger bei Neumann hoch über das Gespräch mit Stiftsdekan Hofmann und das Versprechen von 35.000, das der ihm gegeben habe. „Wir sind direkt gegenüber gesessen. Das war so.“ Hofmann streitet das beharrlich ab, wedelt immer wieder mit den Statuten. „Sie können so etwas nicht gehört haben. Nicht mit einem Buchstaben. Nicht mit einem Wort.“ Ihm gegenüber schaut Sarik zu Boden – und schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf.
Wurde aus Vertragstreue Vertragsreue?
Es sei schon seltsam, dass man nach der Einigung im August 2023 lange nichts gehört habe. Im November sei stattdessen ein Mahnbescheid wegen der offenen Pachtzahlungen gekommen und im Dezember ein Schreiben, demzufolge man den „Vergleichsvorschlag“ von 35.000 Euro nicht annehmen könne.
Erst später habe er davon erfahren, dass es dazwischen, am 9. November 2023, eine Besprechung im Stiftskapitel gegeben habe, bei der auch Sozialbürgermeisterin Astrid Freudenstein dabei gewesen sei, sagt Rechtsanwalt Neumann. Was genau dort besprochen wurde, das wisse man nicht, weil die Gegenseite das Protokoll dieser Besprechung vor Gericht nicht vollständig vorlege. Das Ergebnis sei aber gewesen, dass beim Stiftskapitel und Dekan Hofmann „aus Vertragstreue plötzlich Vertragsreue wurde“, so Neumann.
„Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr“, ruft Hofmann von gegenüber. Er sei nie wortbrüchig geworden. Und Haritun Sarik murmelt wieder halblaut: „Doch, das haben sie gemacht.“
Gibt es noch eine Verständigung?
Eine Einigung gibt es bei dem Verhandlungstermin am Donnerstag nicht. Sollten die beiden Parteien nicht außergerichtlich zu einer Verständigung kommen, geht es in die Beweisaufnahme. Mit Zeugen und Fragen danach, was nun genau besprochen wurde, was davon gilt und was nicht. Ob der Umbau für das Obdachlosenprojekt derweil schon starten kann? „Wir wollen so bald wie möglich loslegen.“ Diese Frage kann Richterin Stempfhuber dem Stiftungsdekan nicht beantworten. Da hilft im Sozialreferat der Stadt Regensburg wohl nur beten.
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Günther Herzig
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Dr. Friedrich Neumann, ein hoch qualifizierter und seriöser Rechtsanwalt. Ihm glaube ich aus langjähriger Erfahrung was er sagt.
Roche-Dirac
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Offene Pachtzahlungen von Sarik seit 2023? Was soll man da sagen? Kein Vermieter, ob kirchlich, gewerblich oder privat, mag so was.
Dass da das Tischtuch dann mal zerschnitten ist, liegt auf der Hand. Kein Vermieter macht das ewig mit.
Regelmässige und zuverlässige Mietzahlungen sind wohl die Basis für halbwegs geordnete geschäftliche Beziehungen. Wenn das schon nicht funktioniert, dann sollte man sich über alles weitere nicht mehr wundern.
Stefan Aigner
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Die offenen Pachtzahlungen sind, so wie ich es bei der Verhandlung verstanden habe, ab Mai 23 bis zum offiziellen Ende aufgelaufen. Vor der Kündigung wurde also die Pacht immer ordentlich gezahlt. Danach war sie Teil der Verhandlungsmasse.
xy
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Mit dem „Prinzip Handschlag“ kann man heute im Geschäftsleben und vor Gericht leider nicht mehr punkten.