15 Jan2009
Global Dinner, deutsche Waffen
Global Dinner. Wenn die „AG Globale Gerechtigkeit“ an der Uni Regensburg dazu einlädt und sich die Besucher per Platzkarten in der FH-Mensa niederlassen, ist dieser Name Programm. Während einige wenige an reich gedeckten Tischen ein erlesenes Menü mit Rotwein speisen dürfen, muss sich die Mehrheit der Besucher – auf dem Boden sitzend – mit Reis und Wasser begnügen, das per Schöpflöffel aus Metallbottichen verteilt wird. So geht’s global eben zu. Doch das „Dinner“ ist nur der Auftakt zu der Veranstaltung am Dienstagabend: Es geht um das „Bombengeschäft mit Waffen“. Und Deutschland spielt dabei nach den USA und Russland eine zentrale Rolle.
Paul Russmann, den die Studis als Referenten gewinnen konnten, redet Klartext: „Es wird an jedes Land geliefert, das zahlen kann.“ Der 53jährige arbeitet hauptberuflich für die ökumenische Friedensorganisation „Ohne Rüstung leben“ und ist Gründungsmitglied der Kritischen Aktionäre bei DaimlerChrysler (KADC). Eine der spektakulärsten Aktionen der KADC: Als Kellner verkleidet boten sie bei einer Hauptversammlung „Daimlers Blutcocktail“ an. Über die Beteiligung bei EADS verdient die Daimler AG an der Herstellung von französischen Atomraketen, Minenverlegesystemen und Streumunition. Mit der Aktion „Wir kaufen keinen Mercedes“ ruft unter anderem die Organisation „Ohne Rüstung leben“ zum Boykott des Konzerns auf. Doch Daimler ist nur eines von vielen Unternehmen, die Deutschland den Titel „Europameister beim Rüstungsexport“ bescheren. Nach den USA und Russland liegt man weltweit an dritter Stelle. Ob nun Rheinmetall, Diehl, Thyssen-Krupp oder Heckler & Koch: Sie alle verdienen kräftig mit beim Geschäft mit dem Tod.
Das von Heckler & Koch produzierte Gewehr G3 hat Russmann zufolge rund 1,5 Millionen Menschen das Leben gekostet. Unter anderem der Iran erhielt von dem Unternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Oberndorf die Lizenz, dieses Gewehr herzustellen.
Russmann spricht vom „Massenvernichtungsmittel Kleinwaffe“; 90 Prozent aller Kriegsopfer werden durch solche Kleinwaffen – Gewehre, Pistolen, Minen oder Handgranaten – getötet. „Sie passen perfekt in Kinderhände, je mehr Kleinwaffen desto mehr Kindersoldaten“, so Russmanns eingängige Rechnung. Weltweit gibt es 300.000 Kindersoldaten, die entweder zwangsrekrutiert oder aus purer Not, um nicht zu verhungern, Soldaten werden. Doch nicht nur die Gewehre sind das Geschäft, es ist vor allem die Munition. Russmann: „Jedes Jahr werden pro Erdbewohner zwei Schuss neue Munition produziert.“ Ein Bombengeschäft.
Doch wie kommt es dazu, dass deutsche Waffen ein Exportschlager sind? Trotz Artikel 26 Grundgesetz („Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.“) und trotz Kriegswaffenkontrollgesetz? „80.000 Arbeitsplätze und nationales Interesse“, lauten die Begründungen. Diesem „nationalen Interesse“ folgend wollte etwa die Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder die Waffenexporte nach China wiederaufnehmen. Das klappte nicht.
Doch auch so finden sich Waffen „Made in Germany“ in zahlreichen Krisenregionen. Russmann nennt unter anderem den Sudan, Uganda, Malawi, den Irak oder den Libanon. Der Export von drei U-Booten modernster Bauart an die Atommacht Pakistan wurde kürzlich von der Bundesregierung genehmigt und per Hermes-Bürgschaft – aus Steuergeldern – abgesichert.
Über die Rüstungsexporte „wacht“ der Bundessicherheitsrat. Dort sitzen die Kanzlerin und sieben Minister. Er tagt geheim, unterliegt keuiner parlamentarischen Kontrolle und beschließt – seit Rot-Grün – per Mehrheit. Zuvor brauchte es einstimmige Beschlüsse. Bis die Öffentlichkeit Konkretes über die Rüstungsexporte erfährt, kann es dauern. Mit dem entsprechenden Bericht lässt sich die Bundesregierung stets Zeit: Die Zahlen für 2007 wurden im Dezember 2008 veröffentlicht(Zum Bericht). Mit den letzten drei Berichten der Bundesregierung (2004 bis 2006) hat sich das Parlament erst gar nicht befasst.
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) beziffert in ihrem Bericht für 2007 das Exportvolumen für Waffen und Zubehör aus Deutschland auf 8,7 Milliarden Euro. So viel Umsatz wie nie zuvor. Zwischen 1990 und 2005 stellte die Bundesregierung laut Russmann Hermes-Bürgschaften der in Höhe von 5,9 Milliarden Euro zur Verfügung, um Rüstungsunternehmen bei Zahlungsausfällen unter die Arme zu greifen. Die Euler Hermes-Kreditversicherung gehört zur Allianz Group.
Vor dem Hintergrund all dieser wirtschaftlichen Interessen – die der Bundesregierung augenscheinlich stark am Herzen liegen – mag Russmanns Schlusswort wie eine schwache Hoffnung klingen: „Wir können nicht verhindern, das Menschen Krieg führen, aber wir können verhindern, dass Waffen geliefert werden.“ Gemeint ist es als Aufforderung.
Richard Sorge
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Rüstungsexporte sind kritisch zu sehen, keine Frage. Allerdings Scheint Herr Russmann mehr Ahnung von Waffen als von den Konflikten zu haben. Denn welcher Konflikt herrscht bitt in Malawi? Und welche Waffen werden dorthin geliefert?