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Sonderfonds „Innenstädte beleben“

Geschenktes Geld und Ideenklau

Fast 900.000 Euro bekommt die Stadt Regensburg vom Freistaat, um die Innenstadt zu fördern. Der Katalog von Maßnahmen, die damit finanziert werden sollen, erinnert verdächtig an frühere, damals noch abgelehnte Vorschläge aus der Opposition.

„Herbstfest“ 2015 in der Regensburger Altstadt. Die Stadt bekommt vom Freistaat nun 880.000 Euro, um die Innenstadt zu beleben. Foto: Archiv/Staudinger

Im Großen und Ganzen findet Grünen-Fraktionschef Stefan Christoph die Vorlage der Verwaltung richtig gut. Das liegt allerdings vor allem daran, dass – so sagt es er – die Grünen entsprechende Vorschläge bereits im März gemacht haben. Damals aber wurden diese noch in Bausch und Bogen abgelehnt. Sitzung des Ferienausschusses im Regensburger Stadtrat. Es geht wieder einmal um die Belebung der Innenstadt. Doch dieses Mal sind eines keine neuerlichen Fördergelder für den Verein „Faszination Altstadt“, die das Gremium bewilligen soll. Im Gegenteil: Regensburg bekommt Mittel aus einem Sonderfonds „Innenstädte beleben“, den der Freistaat Bayern aufgelegt hat. Geschenktes Geld sozusagen. „Bayerns Städte und Gemeinden sollen durch den Sonderfonds in die Lage versetzt werden, den Folgen der Pandemie in den Innenstädten und Ortskernen durch aktives Handeln entgegen zu wirken und etwas Neues auszuprobieren“, heißt es unter anderem in den Förderrichtlinien.

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Eislaufbahn, Wasserfläche, Innenstadtmanagement…

880.000 Euro wurden von der Regierung der Oberpfalz bereits bewilligt, die Stadt muss selbst 220.000 Euro obendrauf legen. Und dann drängt die Zeit. „Wir müssen das Geld spätestens nächstes Jahr ausgegeben haben“, sagt Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung. Und weil es so eilt, habe die Verwaltung den Stadträten schon mal „eine erste Ideensammlung“ vorgelegt.

Die bereits beschlossene 175.000 Euro teure Eislaufbahn auf dem Neupfarrplatz – eine Forderung von Regensburger Kaufleuten, für die der Stadtrat bereits Mittel eingestellt hatte und an deren Kosten die „Faszination Altstadt“ mit 20 Prozent beteiligt werden sollte – will man nun über Mittel aus dem Sonderfonds finanzieren. Von einer „begehbaren Wasserfläche“, ähnlich wie die Bodensprinkleranlage auf dem Ernst-Reuter-Platz, ist in der Vorlage die Rede. Diese soll angemietet werden. Auch das soziokulturelle Zentrum in der Maxstraße (unser Bericht) soll Mittel aus dem Fördertopf erhalten.

Weitere Ideen in der Vorlage sind eine Studie zu innerstädtischen Stadtbahnhaltestellen, die Beauftragung eines Innenstadtmanagements (200.000 Euro), die vorübergehende Anmietung leerstehender Räumlichkeiten durch die Stadt, um sie zu einer „reduzierten Miete (…) an innovative und frequenzbringende Nutzungen“ weiterzuvermieten (150.000 Euro) sowie 150.000 Euro für notwendige bauliche Anpassungen von Zwischennutzungen, etwa in der Maxstraße oder für die „bauliche Aufwertung des Kiosks am Neupfarrplatz“. Kiosk-Betreiber und Brücke-Stadtrat Florian Rottke will dort auf 15 zusätzlichen Quadratmetern eine kleine Galerie einrichten. Außerdem soll von dem Geld ein „Marktkonzept für die Innenstadt“ entwickelt werden.

Ideen von Grünen und Brücke geklaut?

Stefan Christoph klingen bei einigen dieser Vorschläge die Ohren. Bereits Mitte März hatten die Grünen im Planungsausschuss ein Leerstandmanagement beantragt, das die Stadt auf den Weg bringen solle. Ebenso, dass die Stadt Leerstände anmieten solle, um sie zu einem vergünstigten Preis weiterzuvermieten. Die Koalition lehnte dieses Ansinnen damals ab.

Stefan Christoph: „Die Koalition legt eine Kehrtwende um 180 Grad hin.“ Foto: Archiv/Staudinger

„Das ist nicht Aufgabe der Verwaltung“, es gebe kein eklatantes Leerstandsproblem in der Altstadt, davon werde „dringend abgeraten“, das sei „nicht der richtige Ansatz“, zitiert Christoph die Argumente von Koalition und Verwaltung aus dem damaligen Sitzungsprotokoll. Insofern sei die aktuelle Vorlage eine „Kehrtwende um 180 Grad“, über die er sich aber nichtsdestotrotz freue, so Christoph. Man habe diese Maßnahmen ja schon länger für richtig gehalten. „Das sind zentrale Forderungen der Grünen.“

Wolbergs beklagt „alte CSU-Masche“

Ähnlich geht es Joachim Wolbergs mit der Vorlage. Seine Brücke-Fraktion hatte im Juni beantragt, einen regelmäßigen Viktualienmarkt in der Innenstadt zu prüfen – vornehmlich auf dem Neupfarrplatz, eventuell auch auf dem Kornmarkt. Auch das lehnte die Koalition damals ab. Dafür gebe es keine Interessenten, keinen Bedarf, keine potentiellen Betreiber, so die damalige Argumentation von Rechtsreferent Walter Boeckh und Marktmeister Reinhard Kellner. Außerdem habe man so etwas ja auf dem Neupfarrplatz schon. Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer verwies seinerzeit darauf, dass man zunächst das gesamtstädtische Marktkonzept abwarten solle, das – obwohl vor über einem Jahr beschlossen – nach wie vor nicht vorliegt. Und überhaupt müsse man sich auch mehr um dezentrale Märkte in anderen Stadtteilen bemühen.

Dass man nun plötzlich doch ein Marktkonzept für die Innenstadt prüfen wolle, sei doch sehr überraschend, so Wolbergs. Aber offenbar verfahre die aktuelle Regierungskoalition mittlerweile konsequent gemäß der „alten CSU-Masche“. „Die gute Ideen von anderen beiseite hauen und später selbst einbringen.“ Und das treffe dieses Mal eben nicht nur die Brücke, sondern auch die Grünen.

„Mit den Summen kann jongliert werden.“

Maltz-Schwarzfischer versucht, ein anderes Bild zu zeichnen. Die Anmietung von Leerständen sei nach wie vor keine Aufgabe der Kommune, sagt sie. Aber jetzt gebe es eben ein zeitlich begrenztes Förderprogramm. Und das greife man auf. Eine Kehrtwende sei das ganz und gar nicht. Es gehe auch weniger um ein reines Leerstands-, sondern ein Innenstadtmanagement, mit dem man den Wandel in der Altstadt begleiten wolle. Beispielsweise könne man prüfen, ob man eine „Antiquitätenstraße“ oder „Kneipenstraße“ in gewissen Bereichen etablieren könne.

Überhaupt seien auch keine Anmietungen im größeren Stil geplant, ergänzt Sedlmeier. Im Grunde gehe es nur um eine Immobilie, in der man mal eine Art Mobilitätsbüro „ausprobieren“ wolle, sagt er und relativiert damit die Formulierung in der Beschlussvorlage, in der ausdrücklich auch von einer weitergehenden „Bespielung von Leerständen“ die Rede ist. Ganz grundsätzlich sei man aber ohnehin erst „am Anfang der Überlegungen“. Vorschläge seien durchaus erwünscht. „Mit den Summen kann jongliert werden.“

Nicht wirklich rausreden können sich Verwaltung und OB in Sachen Marktkonzept für die Innenstadt, das nun doch entwickelt werden soll. Die Verwaltung sei sich „auch nicht immer einer Meinung“, sagt Sedlmeier nur auf mehrfache Spitzen von Wolbergs. Diese eher schwache Argumentation scheint allerdings verschmerzbar – schließlich stimmt der Ferienausschuss am Ende einstimmig zu, das Geld aus München zu verbraten. Irgendwie.

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Kommentare (15)

  • joey

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    Leerstände verdecken ist eine Kopfschmerztablette gegen einen Tumor.
    Ich komme nicht in diese Stadt, weil ich dort als Autofahrer nicht willkommen bin. So sehen das auch die meisten Familien in meinem Sichtkreis. Deswegen kaufen wir in Supermärkten vor der Stadt und hochwertige Sachen bei amazon&Co.

    Die Schmerztabletten werden enden, wenn die Staatskasse nach der Wahl “überraschend” leer ist und die Industrie weiter abwandert.

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  • Piedro

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    Schon beinahe traurig, da sollen jetzt Projekte umgesetzt werden, die beantragt, aber abgelehnt wurden, weil plötzlich Geld da ist, das schnell weg muss. Wenigstens das steht schon mal fest. 200.000 €ier gehen schon mal für eine Haltestellenstudie drauf, die gewiss wenig für die gewünschte “Belebung” beitragen wird. Dafür gibt es ne Eisbahn. Und ein Leerstand soll Mobilitätsfördernd befördert werden. Die Mini-Ausstellungsfläche ist, angesichts der Lage, tatsächlich interessant. Da darf man gespannt sein.
    Ein Wochenmarkt ist immer gut. Vor allem, wenn er nicht zwingend von der Stadt organisiert wird. Aber warum nur Viktualien? Ein gemischtes Angebot belebt mehr. Die ganze Gilde kracht nach dem Verdienstausfall, viele haben schon aufgegeben, die Besten und Starken suchen nach Standplätzen. Auch im Nachbarland Österreich. Macht Monatsmärkte mit ausländischen Gästen. In zwei Jahren braucht das keine Förderung mehr, das trägt sich selbst.
    Jetzt noch den Mut aufbringen und die Bürger aufzurufen, sich wirklich zu beteiligen, nicht nur als zumutbare Zurufer, sondern um Möglichkeiten zu nutzen. 50.000 Sonderfonds für Zwischennutzung und Veranstaltungen. Fragt mal, was es in “der Jugend” an Musikern gibt, auch, wenn die meisten mit elektronischen Geräten daherkommen mögen. Fragt mal die Musiker, die eh schon kennen, natürlich, aber da sind doch auch noch andere. Dilettanten olé! Das belebt.
    Für verschreckte Auswärtige lässt sich noch locker der eine oder andere P&R-Parkplatz mit kostenlosem Shuttlebus einrichten, von Freitag bis Sonntag, wenigstens wenn der Monatsmarkt mit den Auswärtigen ist. Das Geld muss ja eh weg.

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  • Andreas

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    Immobilienbesitzer mit öffentlichen Geldern subventionieren, um Leerstände zu beseitigen? Das ist in der Tat starker Tobak. Wieso senken die nicht ihre Mieten?
    Hier fehlt es offensichtlich an gesetzlichen Grundlagen, um die Immobilienbesitzer unter Androhung der Enteignung dazu zu zwingen.

    Aufgepasst, demnächst sind Wahlen.

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  • Mr. T.

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    Ja, vielleicht bräuchte es eine Art “Leerstandssteuer”, um Immobilienbesitzer zu motivieren, von sich aus Zwischennutzungen anzubieten oder die Mieten dem Markt anzupassen.

    Ansonsten finde ich es grundsätzlich fragwürdig, Mittel irgendwie auszugeben weil sie grad verfügbar sind und sonst anderen zu Gute kommen würden. Solche Verhaltensweisen gibt es ja auch in manchen Unternehmen oder Behörden wenn am Ende des Jahres noch was im Budget ist, das irgendwie raus muss, um nächstes Jahr nicht weniger zu bekommen. Das ist so eine Mentalität wie der Pauschalurlauber, der denen, die eine Minute zu spät zum Essen kommen, das Buffett über den Hunger hinaus leerfrisst.

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  • Mr. B.

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    Unglaublich, wie man Geld auf der einen Seite sinnlos in die Donau schmeißt!
    Anderswo fehlt es immer wieder!!!!!
    Ob es immer so weitergehen kann?
    Manchmal könnte man glauben, dass es unter Corona noch leichter geht, als es zuvor eh schon war?

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  • joey

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    @Piedro
    kostenloses P&R wäre gut. Einfach nur eine kleine Geste des Willkommens. Es reicht auch, in den Parkhäusern moderate Tarife anzubieten. Stattdessen rieht die aktuelle Situation nach “Mobilität nur für Reiche” (denen 10,- Parkgebühr für einen Einkauf völlig egal sind). Ob ich mir nun das leisten könnte oder nicht: ich mache da nicht mit.

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  • Karl Straube

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    An Andreas und Mr. T.: ich habe grad einen “Immobilienbesitzer” vertreten. Der zunächst in ordentlichem Arbeitsverhältnis stehende Mieter wandelte sich zum Messi. Räumungskosten und Schadensbeseitigung summa ca. 24.000 €. Wie viele Leerstände folgen aus solchen Erfahrungen?

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  • Hthik

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    @Karl Straube 29. August 2021 um 17:31

    Wer sich als Immoilienbesitzer überfordert oder übervorteilt sieht, der darf seine Immobilie natürlich auch verkaufen. Marktwirtschaft und der Kaukasische Kreidekreis.

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  • Mr. T.

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    Karl Straube, wem das passiert, der hat natürlich keinen Spaß als Vermieter oder Verpächter. Aber dagegen kann man sich auch wehren.
    Wenn man das allerdings als bequeme Ausrede verwendet, um sein Eigentum leer stehen zu lassen, kann man wohl auch argumentieren, dass man nicht anhält, wenn einem jemand vors Auto läuft, weil mam Angst hat, überfallen zu werden. Ist ja auch schon so vorgekommen.

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  • joey

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    Es geht hier um leerstehende Gewerbeflächen, nicht um Wohnungen.

    Stadtzentren leben sehr von externen Menschen, die zum Einkaufen, Arbeiten oder Behördengängen oder Behandlungen hierher kommen. Gerade ältere Leute (60-80) sind eine relevante Gruppe

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  • Piedro

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    joey
    Wenn es ums Beleben geht ist jede Gruppe relevant. Am meisten beleben die Bürger selbst ihre Stadt, wenn man sie lässt. Eine Innenstadt, die gewöhnlich der Auslage der immer gleichen Ketten dient, weil die Mieten kaum andere Angebote mehr zulassen. Wenn jetzt eine Belebung veranlasst werden soll, weil dafür gerade Geld ins Haus flattert, das auch noch schnell weg muss, sollten schnell mal die Bürger gefragt werden.

    Was ist eigentlich mit Herrn Friedl? Urlaub oder gar krank? Sind Eltern eine relevante Gruppe, falls die Kinder eh keiner fragt? Die Schüler haben bestimmt Ideen. Vielleicht sogar bessere als die Stadtratenden und die Verwaltung.

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  • joey

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    @piedro
    Städte gibt es seit 8.000 Jahren. Nun können Sie selbst den Unterschied zwischen Dorf und Stadt definieren. Stadt benötigt meistens Kontakt auswärts, da hilft auch kein Schülerparlament: es geht um sowas wie Naturgesetze.

    Es gibt romantische Ideen von Stadtplanern zu mittelalterlichen Innenstädten: Wiederherstellung der Einheit von Wohnen und Arbeiten. Der Schuhmacher wohnt über dem Laden etc und das Gebäude gehört ihm. Verkehrstechnisch würde das eine gewaltige Entlastung bringen, allerdings fehlen eben die Schuhmacher in den heutigen Abiturjahrgängen. Da ist eben das Problem: eine Innenstadt wie Regensburg ist ein Museum, die Gesellschaft braucht diese Baustruktur nicht mehr in einem technischen Sinn (z.B. als kompakte Siedlung, die man verteidigen kann). Sogar die Kirchen sind vom Leerstand betroffen…-)

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  • Piedro

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    @joey
    Der Unterschied zwischen Städten kann beinahe so groß sein wie zwischen Stadt und Dorf. Im Vergleich zu anderen Städten ist R das pulsierende Leben, eine kulturelle Hochburg, ein Traum an gesellschaftlicher Teilhabe.
    Im Vergleich zur mittelalterlichen Stadt, die allein durch ihre Existenz belebt war, unterstützt durch ein heute nicht mehr vorhandenes Schutzbedürfnis, Gildenregeln und so weiter. Handwerker und Händler, dann noch ne Uni und alles wuselt. Das ist heute anders, nicht nur, weil die Leute nicht mehr über ihrem Laden wohnen (bestimmt tun das noch immer viele), auch, weil die Bewohner der öffentlichen Flächen entfremdet wurden. Die sind eigentlich nicht mehr für Begegnung und nicht kommerzielle Nutzung vorgesehen.
    Trotzdem möchte man beleben, und dazu möchte man sich der Möglichkeiten bewiesen, die gerade erst abgelehnt wurden. Damit mag man sich bescheiden, oder man kann sich bemühen.
    In dem Museum leben schließlich Leute, und denen könnte es gefallen in einer Stadt zu leben, in der sich ihr eigenes Leben auch mal spiegelt. In der die Kids auf einer Bühne stehen, die Nachbarin eine Ausstellung macht, oder der Himmel die Stadt nicht davor bewahrt hat, dass der Neffe mit seinen Freunden Dichterlesungen organisiert. In den Schulen findet sowas nicht mehr statt, die Eltern könnten ja aufs Klo gehen wollen.

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  • joey

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    @piedro
    die öffentlichen Flächen in einer MA Stadt waren auch ziemlich “fremd” und kommerziell. Pferdefuhrwerke machen Stinkdreck und fahren einem mit Eisenbändern noch schlimmer über den Fuß als ein Gummireifen.
    Auf dem Haidplatz hat damals keiner einen Kaffee oder Stuhl gekriegt. Kids waren auf den Straßen um zu betteln und Behinderte auf einer Bühne, um gegen Geld begafft zu werden.

    Leerstände bekämpft man nicht mit einem Bürgerfest, sondern mit guten Angeboten. Es geht um die “3G Regel”: Geld, Gier und Geschäft.-). Gier gibts nicht nur bei pösen Immoeigentümern, sondern auch beim Kunden. Da stehen die Händler in einer Zwickmühle und nur das ist die Garantie, daß alle hart kalkulieren. Das Gegenteil sind Preisfestsetzungen, welche sich bald in Bezugsscheine wandeln bzw in den realsozialistischen Schwarzmarkt.

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  • Piedro

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    @joey
    Wenn ich Sie recht verstehe war R im Mittelalter belebter als heute, weil es ein Schutzbedürfnis gab, Kinder in den Gassen bettelten und Behinderte zur Schau gestellt wurden, das Händlerangebot interessanter war als heute, und das obwohl es fürchterlich stank und Kaffee noch nicht bekannt war.

    Bei den Leerständen und dem Thema Belebung bringen Sie etwas durcheinander. Die Stadt möchte u.a. Leerstände zwecks Belebung mindern/nutzen. Ich denke, über Gier kann man sich Thema nur sehr bedingt annähern, das gilt für Gewerbetreibende, Vermieter wie die Kunden. Tatsächlich ist leicht zu erkennen, dass eine rein kommerzielle Nutzung öffentlichen Raums nicht zu einer Belebung führt, im Gegenteil: viele Innenstädte veröden regelrecht. Dem kann durchaus mit kulturellen und nicht-kommerziellen Angeboten entgegen gewirkt werden, was nicht zwingend heißt, dass die Gier, von wem auch immer, dann nicht befriedigt wird. “Der Markt” wird das nicht regeln, der wirkt eher gegen eine Belebung, schon allein wegen der Öffnungszeiten.

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