Geschenkt!
Im Grunde ist es eine wundervolle Idee im Grund eine wundervolle, Dinge, die man nicht mehr braucht, anderen Menschen zukommen zu lassen anstatt sie einfach wegzuschmeißen. Jedoch kippt der Hang zum Verschenken langsam in die Richtung jener Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft.
Kennen Sie den Plautus? Titus Maccius? Römischer Dichter? Nicht? Also, ich schon, weil in meinem Alter, da hat man noch ein großes Latinum gekriegt und nicht eins, weil man fehlerfrei Servus sagen kann. Also, ein Zitat von diesem Plautus ist recht bekannt und grade auch wieder recht aktuell. Homo Homini Lupus. Für die Servus-Lateiner: Der Mensch ist des Menschen Wolf. Ja, und wie es derzeit vor Wölfen wimmelt! Trotz Abstandsgebot Rudelbildung allerorten, und alles beißt mit großer Hingabe aufeinander ein. Hass und Streit, wohin man schaut. Nur noch Irre unterwegs, und jeder ist sich selbst der Nächste. Jeder? Nein, nicht jeder.
Gerade in diesen finsteren Zeiten gibt es immer mehr Menschen, die sich ihrer Mitmenschen erinnern. Die wieder merken, dass Geben seliger ist als Nehmen. Die ihre Herzen öffnen. Und ihre Kellerabteile.
Um im Anschluss Schachteln mit der Aufschrift „Zu verschenken“ vor die Türe zu stellen.
Um die, denen es schlechter geht, teilhaben zu lassen an ihrem Überfluss.
Und um ihren ganzen Schrott endlich loszuwerden.
Denn, in der Schlechtigkeit meines Denkens, scheint mir da eine gewisse Beziehung zwischen der Öffnung der Herzen und der Schließung der Wertstoffhöfe zu bestehen. Ist das nun der alte Defätismus in mir, der keiner Blume beim Blühen zuschauen kann, ohne zu betonen, auf welchem Misthaufen sie gedeiht?
Freilich: der Gedanke ist schön und lobenswert, dass das, was der eine nicht mehr brauchen kann, dem anderen zum Nutzen sein möge. Stichwort Wegwerfgesellschaft. Und viele, die Dinge verschenken, werden dabei ganz offensichtlich von reiner Güte und Mildtätigkeit geleitet. Wirklich! Aber nicht alle. Und schön langsam scheint sich die Waage auf die andere, die dunkle Seite zu neigen. Auch das Verschenken-to-go wird immer mehr zu einem Bequemlichkeitsritual mit Güte-Siegel, wie der Biopressack vom Aldi.
Beleuchten wir mal das Geschehen.
Wie bei so manchem wurde die Sache durch den Corona-Katalysator beschleunigt. Die Pandemie sorgt für Not, Angst, Unsicherheit – und vor allem Zeit. Menschen sitzen zuhause rum und entdecken, dass der Gesprächsstoff mit dem Partner kaum mehr ein Halbzeitpause füllt und man die Gangsterrapperkarriere des eigenen Zöglings schon deshalb unterstützen würde, um ihn künftig möglichst nur noch alle zwei Wochen sehen zu müssen. Zu den offiziellen Besuchszeiten der JVA.
Also, was macht man? Man heimwerkt. Man mistet aus. Schließlich hat man auch jahrelang alles mögliche Gerümpel in den Keller oder in den Speicher oder in die Garage gestopft, um es „später mal“ wegbringen zu können.
Tja, und jetzt ist plötzlich später.
Wie immer ist das Problem, dass alle gleichzeitig dieselbe Idee haben. Alle rennen bei Sonnenschein gleichzeitig raus, alle kaufen Klopapier und Hefe, und alle entrümpeln im Kollektiv. Und dann stehen auch alle gemeinsam vor dem Wertstoffhof, der entweder komplett geschlossen hat oder halt im Pandemiemodus fährt. Autoschlangen wie früher mit den Eltern am Brenner Richtung Bibione.
Seit jeher zeigt dem Deutschen nichts deutlicher die Krise auf als der Stau. Am Wertstoffhof hilft ja nicht mal Hupen. Und was ist das überhaupt für eine Scheißpandemie, wenn man nicht einmal sein altes Geraffel dabei loswerden kann?
Und, so stelle ich mir vor, in einer dieser Autoschlangen vor einem dieser Wertstoffhöfe, da stand dann einmal jemand drin, und so nach einer Stunde oder zwei, mit seinem Kofferraum voller Schrott, da kam plötzlich wie aus dem Nichts der Gedanke daher: „Das mit dieser ganzen Wegwerfgesellschaft ist ja irgendwie schon doof.“ Und so ward die Zu-Verschenken-Box geboren.
Ich muss an dieser Stelle auf Verlangen der Chefredaktion einen sogenannten Disclaimer einfügen:
In einer für die allgemeinen Arbeitsgrundsätze von Regensburg Digital untypischen, um nicht zu sagen kontradiktatorischen Weise ignoriert vorliegender Text in nur mühsam mit dem Mäntelchen der Satire kaschierter Art und Weise die hehren Grundsätze von Regensburgs einzigem unabhängigem und überparteilichem Nachrichtenorgan zugunsten platter Simplifizierung. Der Verfasser ist sich im Klaren, dass er über mehrere Tag hinweg nicht mehr am redaktionellen Weißwurstfrühstück teilnehmen dürfen wird.
So, erledigt. Gibt’s halt morgen Marmeladebrot. Weiter im Text:
Natürlich ist die Idee im Grund eine wundervolle, dass man Dinge, die man nicht mehr braucht, anderen Menschen zukommen lässt, die sie halt doch brauchen können, anstatt sie einfach wegzuschmeißen. Solche Ideen brauchen wir, und es gibt nicht genug davon, um den Abwärtsstrudel dieses Planeten aufzuhalten.
Wissen Sie, was noch so eine gute Idee war? Dass man gegen ein kleines Entgelt Menschen bei sich im Auto mitfahren lässt, wenn man eh denselben Weg hat. Oder dass man seine Wohnung, wenn man im Urlaub ist, anderen Urlaubssuchenden zur Verfügung stellt. So werden Ressourcen optimal genutzt!
Aus der einen Idee wurde Uber, wodurch im Grunde Billiglohn-Taxifahrer ohne Arbeitsvertrag und Sozialversicherung geschaffen wurden, und aus der anderen Airbnb, das Immobilienbesitzer auf die Idee gebracht hat, dass es viel lukrativer ist, an Tagestouristen zu vermieten, als bezahlbaren Wohnraum bereitzuhalten. Alles, alles ein Ausdruck jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Und auch das Verschenken kippt gefährlich in diese Richtung.
Gehen Sie doch mal durch die Stadt und schauen Sie in die Schachteln. Belehren Sie mich eines besseren – schließlich bin ich als Journalist ein sogenannter Morgenfremdler, und es ist ja durchaus möglich, dass die ganzen kaum gebrauchten Thermomixe schon aus der Präsentgalerie verschwunden sind, bis ich dann mal daran vorbeischlendere. Aber falls mein Eindruck doch nicht trügen sollte, dann häuft sich da doch ein Best of Gelumpe. Deutschland schenkt den Superscheiß. Ein einziges Messie-Outlet.
Zeitschriften kann man entdecken, die aussehen, als hätten sie schon diversen Generationen die Toilettengänge versüßt. Bücher von einheitlich schlechtem Aussehen und inhaltlicher Belanglosigkeit. Batterien, die vielleicht noch nicht mal ganz leer sind. Auch mal ein Fahrradschutzblech – hey, wer gerade eins in dieser Größe sucht, der freut sich doch! Schuhe, die so abgetragen sind, dass man schon ganz viel Weltspiegel schauen muss, um Vergleichsstücke an den Füßen irgendwelcher Slumbewohner dieses Planeten entdecken zu können.
Geschirr aus der Kategorie „hässliche Solitäre“, aber soll man denn wirklich eine Untertasse mit Blümchenmuster wegwerfen, bloß weil die Tasse das Zeitliche segnete? Vermutlich durch Selbstmord, könnte man vermuten…
Und natürlich – Kleidung. Nicht mal mehr die Wohlfahrtsverbände wollen Kleidung, die Altkleidercontainer werden zunehmend abgebaut, also wohin damit? Genau. Auf die Straße mit den Fetzen.
Vielleicht ist meine Wohlstandsperspektive da getrübt, aber ich renne ebenfalls nicht jeder Saisonmode leichtfertig hinterher (man stelle sich hier das schallende Gelächter ehemaliger Partnerinnen von mir vor); ich könnte Schloss Emmeram dreimal runterweißeln und hätte immer noch genug Sachen übrig, „für wenn man mal was malern muss“; und der Paketpostler steigt mit Sonnenbrille zu mir in den vierten Stock, wenn er zu früher Stunde, dem sogenannten „Casual Morning“, etwas bei mir zustellen muss. Dennoch käme ich nicht auf die Idee, das, was mein tolerantes Auge dann doch einmal aussortiert, einem anderen zumuten zu wollen.
Und jetzt kommt auch noch Verschenken 2.0, quasi Giving outside the Box: Mittlerweile wird immer mehr Mobiliar vor die Tür gestellt. Mit Zettelchen. Mal ein marodes Hängeschränkchen, mal ein grindiges Tischlein, und sogar eine alte Schaumstoffmatratze sah man schon im Regen stehen… aber irgendwie freut sich das Prekariat nicht so richtig drüber. Undankbares Gesindel. Und wo sind überhaupt die ganzen Flüchtlinge, wenn man sie mal braucht?
Nochmal: Der Grundgedanke ist doch grandios, dass man Dinge, für die man keine Verwendung mehr hat, anderen zur Verfügung stellt. Aber diese Idee wird eben mehr und mehr pervertiert. Und wenn jemand diese besondere Form der Müllentsorgung praktiziert, dann sollte er sich dafür nicht auch noch mir dem Gefühl belohnen dürfen, etwas Gutes getan zu haben. Hat er nämlich nicht.
Verrückte Idee: Verschenken Sie doch mal was, das Sie selbst noch brauchen können. Könnte ja ein Indiz dafür sein, dass es auch einem anderen Menschen nützt.
Mr. T.
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Morgenfremdler – 1 Google Hit 💪
Made my morning! Chapeau 🎩
Aber Herr Stein, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie trennungsschmerzlindernd diese Art der altruistischen Entsorgung für einen Menschen mit Messi-Hintergrund sein kann – und dabei meine ich keine Menschen, die sich bei Barcelona in den Himmel spielen und in der Argentinischen Nationalmannschaft nix treffen.
R.G.
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Irgendwie sind Sie selbst ein solches Produkt.
Im Rahmen der Corona-Maßnahmen aussortiert, vom Aigner als doch noch brauchbar mitgenommen.
Nix gegen Wiederverwertung.
Hubert
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Ich verschenke schon seit knapp zwanzig Jahren Sachen so. Aber Müll stelle ich schon einmal nicht raus, stelle sie nur hin, wenn die nächsten Tage gutes und trockenes Wetter ist, und vorallem nach einem aller spätestens am zweiten Tag sammele ich die verbleibenden Sachen ein. Dann kann ich sie guten Gewissens entsorgen. Auch wenn es dennoch irgendwie schade ist. Schade, dass manche da die Einstellung zeigen: nach mir die Sinnflut.
Ilse Schneeberger
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Haben wir kein Ordnungsamt mehr, o. dergl. ? Vermutlich sind die im Homeoffice.
ANDi
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Das Problem an den Verschenk-Kartons ist (meistens) ein ganz anderer: sie stehen nie da, wo jemand ist, der die Sachen auch gebrauchen kann…
Wenn man die meist noch verwertbaren Sachen zu einer von jedem bekannten Sammelstelle (Stichwort: Verschenkschrank) bringen könnte – günstigerweise zu Fuß oder mit dem Rad – wäre der Erfolg dieses Recyclings wesentlich höher…
Ich denke mir beim Besuch des örtlichen Wertstoffhofes immer wieder, wie Schade es um das ist,was da weggeworfen wird.
Leider darf das Personal nichts davon weitergeben, obwohl man manche Dinge mit wenig Geldeinsatz reparieren und weiterverwenden könnte…
R.G.
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@ANDI
Andere Städte haben das Problem gelöst.
Die Mitarbeiter der Abfalltruppe und des Wertstoffhofes sammeln verwertbare Dinge für einen Dauerflohmarkt. Bürger bringen noch schöne Dinge. In einem Tandelmarkt wird das wieder erkauft. Der Erlös geht für wohltätige Zwecke.
Der Beruf der “Müllmänner” erhält dadurch eine weitere Aufwertung.
https://48ertandler.wien.gv.at/das-konzept/
Blutwurz
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Mei, da kokettiert man in Regensburg immer man sei ein Provinznest, aber solcherlei spätrömische Auswüchse is schon was sehr städtisches, das gibt‘s am bei am schönen Umland nicht. Da werfen wir den Müll einfach gleich in die Natur, da heucheln wir gar ned dass des noch wer brauchen könnt.
Dugout
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@ANDI
“Andere Städte haben das Problem gelöst.
Die Mitarbeiter der Abfalltruppe und des Wertstoffhofes sammeln verwertbare Dinge für einen Dauerflohmarkt.”
So ist das doch in Regensburg auch, oder gibts das nicht mehr?
Mr. T.
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Ist das die Matratze, die letzthin zu Füßen des komischen Heiligen am Emmeramsplatz gelegen ist? Wenn’s wärmer gewesen wäre …
Markus Frowein
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Ja, in Regensburg muss man schon aufpassen, dass man die Pralinen mit dem ekligen Likör, die man vor einem Jahr geschenkt bekam und ein halbes Jahr später weiterverschenkt hat, nicht irgendwann kurz vor Ablauf des Verfalldatums wieder geschenkt bekommt …
Dieter
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Am Land mit den Geschenkt-Schränken oder Tischen am Wertstoffhof klappt das besser – da wirft man seinen Müll doch lieber in die Tonne als dass man ihn rumfährt.
Weberknecht
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@Markus jetzt langts.
Lenzerl
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Klasse, Glosse! Hab mich auch schon oft gewundert, was da so rumsteht am Straßenrand … und auch schon was mitgenommen … und selber schon was rausgestellt. Z.B. Zimmerpflanzen, Steine mit aufmunternden Sprüchen im ersten Lockdown. Es wurde gerne angenommen und ich hab auch schon Dankeschön-Gaben gefunden.
Ich finde die Idee nach wie vor klasse. Sobald sie in Entsorgungsbequemlichkeit umschlägt aber genauso wie die dargestellt. Könnte aber sein, dass man die sozialpyschologische Studie auf das Vorhandensein funktionierender Nachbarschaften und auf ein Stadt-Stadrand-Land-Gefälle erweitern müsste.
PS. Der FLohmarkt aussortierter aber noch brauchbarer Sachen am Recyclinghof wurde vermutlich wegen Corona eingestellt.
PPS. Und das Gebrauchtwarenhaus am Auweg gibts ja auch noch. Ich finde selber hinbringen, macht glücklich!!!!
Hthik
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@ANDi 19. März 2021 um 18:36
Das Vermittlungsproblem wurde ja schon lange auf die naheliegende Weise gelöst: per Internet. Das scheint aber für viele zuviel Aufwand zu sein. Das Argument man wolle nicht des bekannte quasimonopolistische Auktionshaus stützen zählt nicht, solange es noch Alternativen gibt, etwa https://www.hood.de/
ANDi
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Das mit dem “Dauerflohmarkt auf unserem Wertstoffhof ist das anscheinend zu viel Aufwand für die Mitarbeiter dort… :-(
Vor einigen Jahren hatte ein Bekannter von mir einen Laden mit
Gebrauchtwaren eröffnet: Dort konnte man Regale anmieten um seine nicht mehr benötigten Dinge verkaufen…
Die Verkäufer haben oft gut verdient…
Leider hat die Regalmiete nicht genug eingebracht für die Kosten die Ihm entstanden sind und er musste wieder zumachen… :-(
Hthik
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Der Theorie von Charles Darwin über die Entwicklung multizellulärer Automaten folgend, ist das primäre Ziel eines Amtes nicht die allgemeine Einhaltung des Rechts zu sichern, sondern die Gewährleistung der eigenen, ungestörten Weiterexistenz. Wo kein Kläger, da kein Richter, wo keine Druck, da keine Bewegung. Stört hingegen einen Supermarkt, dass jemand weggeworfene Lebensmittel mitnimmt, dann kann die Frage zur Klärung schon mal bis zum Bundesverfassungsgericht hochgereicht werden https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/08/rk20200805_2bvr198519.html
das hier entschied, dass es Diebstahl war.
Hthik
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Ich möchte noch nachtragen, dass sich mein Kommentar auf die Frage von Ilse Schneeberger vom 19. März 2021 um 16:21 bezog.
Wiebke
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Zu Lenzerl ‚Steine mit aufmunternden Sprüchen‘
Ich kann diese mit Sprüchen, Zeichen oder Buidln verschmierten Kieselsteine o.ä. nicht mehr sehen. Das ist ein Verschandelung von Natur und sollte bestraft werden. Nicht nur Gifte und Microplastik werden freigesetzt, auch Pflanzen und Tiere verlieren ihre Lebensräume.