Freies Gras für freie Bürger – oder: Kiffen wird deutsch
Toleranz ist eine löbliche Eigenschaft, die den meisten Menschen aber erst mühsam eingeprügelt werden muss. Das mit diesen Drogen ist ja an sich halb so schlimm – erst recht, wenn man die Handhabung der deutschen Bürokratie überlässt.
Ach, süße Freiheit, wie ich dich liebe! Das versteht sich ja doch eigentlich von selber, dass die Tolerantel sich für die Freiheit einsetzt, ganz klar! Jetzt nicht direkt die Art von Freiheit, bei der die Leute glauben, dass sie in zweiter Reihe parken, sich an der Kasse vordrängeln oder mir in den Hausgang kacken dürfen, weil das nämlich nichts mit Freiheit zu tun hat, sondern mit Anarchie, aber das wird halt oft miteinander verwechselt.
Eine Freiheit braucht eine Ordnung, sonst ist sie keine Freiheit, sondern bloß ein Saustall, sag ich immer. Und deshalb bin ich auch dafür, dass jetzt das Marihuana erlaubt wird, oder zumindest dass es nicht mehr ganz so verboten ist wie früher.
Ich bin auch ganz ohne Kiffen entweder müde oder hungrig.
Das hätten’s jetzt nicht von mir gedacht, gell!
Aber auch ich bin offener geworden, duldsamer („Was? Noch duldsamer?“, höre ich Sie ungläubig fragen), und wenn heute jemand partout seine Weißwurst mit einem Ketchup essen mag, dann geb ich ihm höchstens noch einen Ratschlag. Und nicht bloß einen Schlag. Die Zeiten haben sich geändert, auch für jemanden für mich, der noch mit der Warnung vor dem „Haschgift spritzen und Stromgitarr’ spuin“ in die Adoleszenz entlassen worden ist.
Aber nicht, dass Sie meinen, dass mir das persönlich was bedeuten täte! Ich hab zwar jetzt persönlich nix gegen die Kiffer, aber für mich selber ist das nix. Ich bin auch ganz ohne Kiffen entweder müde oder hungrig, also sehe ich jetzt da keinen großen persönlichen Nutzen.
Schach der Schwarzmarktwirtschaft
Es geht ja da mehr drum, dass man den ganzen Dealern das Handwerk legt, die wo noch nie was von einer Umsatzsteuervoranmeldung gehört haben. Schließlich sind wir eine Marktwirtschaft, keine Schwarzmarktwirtschaft! Und wenn man sich das so anschaut, wer da so sein Gras im Park verkauft, dann ist das doch auch nur ein weiterer Berufszweig, wo fleißige Einheimische von Ausländern aus dem Job gedrängt werden. Anstatt dass sie in die Pflege gehen oder in die Gebäudereinigung. Sauber angemeldet und versteuert.
Für mich bedeutet diese Gesetzesänderung vor allem eins: Kiffen wird deutsch.
Wir holen den Marihuanabaum heim ins Reich.
Endlich. Weg mit den Dreadlocks und dem Batikshirt, her mit dem Haferlschnitt und der Krawatte. Der Dübel vom Fischer Dübel, der schraubt dich bombenfest in die Matratze hinein.
Das Gesetz folgt dem Prinzip der erbaulichen Belehrung
Nach wie vor bin ich sicherlich nicht bei einem jeden Grampf dabei, nur weil es modern ist. Wo mein Spezl, der Manni, mir zum Beispiel gesagt hat, dass er jetzt sein eigenes Königreich gründet, weil das eine Sauerei ist, dass er seinen Renault Alpine nicht mehr durch den TÜV gekriegt hat, da habe ich ihm viel Glück gewünscht und ihm klargemacht, dass ich meine geliehenen 120 Euro gefälligst vorher zurückhaben möchte und er seine Manni-Moneten gefälligst einem anderen Deppen andrehen darf.
Aber das mit dem Marihuana? Das ist für mich eine runde Sache, nicht nur eine breite. Es wurde eben auch mit Maß und Ziel gearbeitet. Apropos Maß: Man darf jetzt 25 Gramm Cannabis dabeihaben, und das entspricht in etwa den zwölf Mass Bier, die ein gesunder Erwachsener jeden Tag beiläufig konsumiert. Das ist für mich gelebte Gerechtigkeit. Freiheit ist immer Freiheit des anders Bedröhnten, sagt Radio Luxemburg.
Der andere Punkt bei diesem Gesetz, der mich begeistert, ist der erzieherische Aspekt: man darf zwar, aber das Dürfen ist an Bedingungen gebunden. Freilich, das mit den 25 Gramm ist simpel, und auch seine drei erlaubten Pflanzen wird noch ein jeder zählen können, zumindest vor dem Rauchen. Aber sonst? Auch in der Detailversessenheit lebt das Gesetz den urdeutschen Geist der Kleingartenverordnung. Es folgt dem Prinzip der erbaulichen Belehrung. Du darfst zwar, aber nur, wenn…
Drei Pflanzen, sieben Samen und fünf Stecklinge
Genau wie bei der Kindererziehung. Wenn der Saufratz länger aufbleiben oder ein Eis haben will, dann muss er erst einmal brav sein. Und sein Zimmer aufräumen. Und den Spinat essen. Und dann, aber nur dann, darf er. Vielleicht.
Und so ist das auch mit dem Cannabis. Du darfst, aber nicht überall, und auch nicht alles, und schon gleich nicht mit und von jedem. Um die Pforten der Wahrnehmung durchschreiten zu dürfen, musst du erst folgendes Rätsel lösen, sprach der sphingische Bundesadler.
Drei Pflanzen, sieben Samen und fünf Stecklinge; das hat für mich schon so einen mystischen Klang, sowas alttestamentarisch-Prophetisches: „Und wenn das Tier mit den sieben Samen den fünften Steckling setzt, so gürte deinen Wams und lege dich zur Wohlmeinenden unter den der drei Pflanzen, welche dein Heim wohnlich gestalten.“ Aber ich schweife ab.
Es ist ein Haufen Zählen und Wiegen und Rechnen verbunden mit dieser Freigabe. Beinahe habe ich den Verdacht, dass das alles nur ein gut getarnter Versuch ist, die Ergebnisse der nächsten PISA-Studie mal wieder ein bisschen nach oben zu bringen. Ohne Dreisatz kein Bubatz.
Ich würd dich schon mal ziehen lassen, aber das ist verboten
Die Verpflichtung zum Selbstanbau seines Grases ist außerdem die erste Förderung einheimischer Agrarproduktion, die tatsächlich greift. So haben die Bauernproteste immerhin vielleicht den sogenannten Agrardübel gefördert. Grade Stadtmenschen finden jetzt wieder ein bisschen zurück zur Natur, und darüberhinaus hat man eine ausgezeichnete Begründung, sich die ganzen Schnorrer vom Hals zu halten. „Weißt eh, ich würd dich schon mal ziehen lassen, aber das ist verboten, und diesem schönen Gesetz muss man gehorchen.“
Die nächste Schwierigkeit sind natürlich die Distanzvorschriften. Vielleicht dürfen Sie bei sich daheim ja was anbauen, aber zum Rauchen müssen Sie gegenüber beim Nachbarn klingeln, weil der jenseits der Demarkationslinie wohnt. Das ist schon nicht leicht, gerade in einer Stadt wie Regensburg! Nicht zu nah dran an einem Kindergarten, nicht zu weit weg vom Priesterseminar. Logistisch eine Herausforderung.
ABM für unterbeschäftigte Behörden
Es gibt immerhin schon diese virtuellen Straßenkarten, wo eingezeichnet ist, wo man jetzt dann ungestraft kiffen darf, zusätzlich mit einer Routenempfehlung, wo man auf dem Weg die meisten Pokemons fangen kann. Das wird noch ein richtiger Sport, Sie werden sehen! Und wenn dann sowas rauskommt, dass man in der westlichen Altstadt nur rechts von der Polizeiinspektion in der Erkerwohnung von der Amtsmannswitwe Heinerdinger legal einen durchziehen kann – ich mein, so alte Leute freuen sich doch über Besuch, heißt es immer.
Ein bisschen ein Highlight für mich (High-Light! Hihi!) sind ja auch die Vorschriften zur sogenannten Anbauvereinigung. Anbauvereinigung! Also, schon die Bezeichnung tötet doch jede Drogenlust bei jungen Menschen, die mal Bock auf was Krasses haben! Aber echt, da war ja die Scheibe Gelbwurscht vom Metzger früher ja noch aufregender.
Die Regelungen sind ja auch, das wird gerne übersehen, ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm für unsere unterbeschäftigten Behörden, von der Polizei mal ganz abgesehen. In den sogenannten „taktischen Dienstgürteln“ für die Polizei gibt es jetzt zwischen den Handschellen und dem Pistolenholster gleich noch ein Fach für die Drogenwaage, plus ein Gen-Schnelltest zur Identifikation von Fremdgras.
Und wer genehmigt die Anbauvereinigungen?
Das ist natürlich auch nervig für die Beamten, aber sie werden schon noch einsehen, dass das am Schluss effektiver ist, als dauernd diesen jungen, flinken Dealerbürscherln hinterherlaufen zu müssen.
Wenn es leichter wird für die Bürger, sich eine Wärmepumpe einbauen zu lassen als einen Joint zu rauchen, dann ist die Energiewende erreichbar, und der Drogenkonsum marginalisiert sich.
Aber welche Behörde wird dann bei uns zuständig sein für die ganzen Genehmigungen? Die Grünen ja wohl nicht. Das gehört meiner Meinung nach ins Wirtschaftsministerium, zum Aiwanger! Freies Gras für freie Wähler! Äh, freie Bürger natürlich!
Ich freu mich.
Entschleunigung durch die Hintertür
Schwierig wird’s vielleicht im Straßenverkehr; den Führerschein verliert ein Marihuana-Aficionado erst bei „Missbrauch“ oder „Abhängigkeit“. Also dann vermutlich bei so einem halben Pfund Gras pro Tag. Aber wer soll denn bitteschön soviel wegrauchen können! Da braucht’s ja schon einen Waldbrand in Menschenform bei solchen Dimensionen!
Aber genau da könnte das Gesetz seinen Haken haben. Beim Autofahren hört schließlich beim Deutschen der Spaß auf. Wenn die ersten Kiffer mit 30 km/h über die Autobahn zockeln und von der Oma hinter sich angehupt werden, deren Wackeldackel erzürnt den Kopf über der umhäkelten Klopapierrolle schüttelt, dann haben wir ein Problem.
Entschleunigung schön und gut, aber bitte nicht auf der Autobahn. Wenn jetzt aus dem ganzen Ding gewissermaßen ein Tempolimit durch die Hintertür wird, dann wäre das ein Missbrauch der Droge, und zwar der übelsten Weise.
Günther Herzig
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Gefällt mir. Über den Marihuana – Baum hat der Söllner Hans schon gesungen. Was der wohl jetzt sagt, nachdem er in der Vergangenheit abkassiert wurde, nach seinen Angaben mit insgesamt 360.000,00 €, wie er mal Thorsten Otto erzählte. Sicher war das nicht alles fürs Kiffen.
Ich bin ziemlich sicher, dass das Gesetz ein paar Probleme beseitigt oder mildert, dafür mehr neue schafft. Ob das Gesetz dann Bestand haben wird, wer weiß das schon. Mich hat mal ein während seiner Arbeit kiffender Friseur in der Roten-Hahnen-Gasse ins Ohr geschnitten. Er hat sich entschuldigt. Der Laden war schon geschlossen. Ob ich bei dieser Gelegenheit selbst rauchte, verrate ich nicht. Das ist übrigens alles verjährt.!!!!!
thomas otto
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ich habe z zt ein schaf bei mir zur pflege, nebenbei darf dass schaf gras fressen. zu meinem schrecken musste ich feststellen, dass es ohne unterlass gras konsumiert. geradezu kriminell!
entsetzlich, wie krass abhängig das tier ist!. auf jeden strafbar, werd ich mal die blauen anrufen ind das schaf denunzieren. aber wir sind doch in bayern hier, vielleicht kann ich es mit einem kasten doppelbock von der droge runterbringen. aber wer hält dann meinen rasen kurz?
Burgweintinger
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ein Versuch ist es wert. Die Drogenpolitik der letzten 30 Jahre hat definitiv nichts verbessert, warum also nicht mal etwas anderes versuchen. In Tschechien und Schweiz machen sie mittlerweile gute Erfahrungen.
otto Wiesheu hat auch betrunken jemanden tot (ich glaube tot) gefahren…, und das war nicht auf einer privaten oder nur für ihn gesperrten Straße…
Stefan Aigner
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@Burgweintinger
“Zum Bayerischen Verkehrsminister hat es Otto Wiesheu noch gebracht, nachdem er 1983 mit 1,75 Promille im Blut einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem es einen Toten gab – zwölf Monate auf Bewährung, 20.000 Mark Geldstrafe. ”
siehe hier: https://www.regensburg-digital.de/christsoziale-trunkenheit-%e2%80%93-eine-kleine-hall-of-fame/28032008/
Günther Herzig
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@Burgweintinger
8. April 2024 um 12:38 | #
Das war auf der Autobahn. Getötet wurde ein absolut unschuldiger Pole.
joey
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Kommentar gelöscht. Bitte wenigstens halbwegs was zum Thema.
Informant
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Ein neues Meisterstück aus der Feder Stein, danke :-)
Luck
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Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen soll der Graskonsum bei Weidetieren am höchsten sein.
Und in der Bibel soll irgendwo irgendwas mit “Weide meine Schafe” stehen.
Soll das vielleicht ein versteckter Hinweis auf irgendetwas gewesen sein?
An Pfingsten sollen sie ja alle so berauscht gewesen sein, dass sie sich plötzlich gegenseitig verstanden und sich nicht mehr zankten.
Nur gut, dass in Bayern Bier ein Grundnahrungsmittel und keine Droge ist, welche es nur in der Apotheke auf Rezept gibt.
Aber mir schmeckt es trotzdem meistens nicht besonders.
Und auch Gras mag ich nicht, obwohl ich weiß, dass ich früher oder später ins Gras beißen werde.
Aber sicher nicht auf der Weide.
Ich bin doch kein Rindvieh, auch wenn ich mich manchmal wie ein Ochse benehme.
Und das, obwohl die Eier nicht fehlen.
Ostern ist nämlich noch gar nicht so lange vorbei.
Nichts für ungut. Und solange es nicht schadet, kann es eigentlich wurst sein. Selbst für Vegetarier und Veganer.
Denn diese verlieren spätestens dann ihre Ernährungsgrundlage, wenn alles Wurst ist, sofern diese noch auf dem überlieferten Reinheitsgebot basiert.