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Scharfe Rüge der Vergabekammer

Corona-Schnelltests: Fragwürdiger Millionen-Deal des Gesundheitsministeriums

5,3 Millionen Corona-Schnelltests für Laien hatte das Bayerische Gesundheitsministerium im Februar von einer Siemens-Tochter geordert. Geschätztes Volumen: rund 25 Millionen Euro. Die Vergabekammer Südbayern sieht den zugrunde liegenden Vertrag in einem mehr als deutlichen Beschluss als von Anfang an unwirksam und rügt zahlreiche Verstöße gegen das Vergaberecht.

Klaus Holetschek hat am 8. Januar das Amt als bayerischer Gesundheitsminister übernommen. Sein Ministerium geht gegen die Entscheidung der Vergabekammer vor. Foto: pm

Für das Bayerische Gesundheitsministerium und Minister Klaus Holetschek geht es vor dem Obersten Bayerischen Landesgericht in München wohl vor allem um Glaubwürdigkeit. Mit einer sofortigen Beschwerde geht das Ministerium dort gegen eine Entscheidung der Vergabekammer Südbayern vor, die ernste Zweifel daran weckt, dass es bei den Auftragsvergaben für Corona-Schnelltests durch das Ministerium korrekt zugeht.

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Vergabe an Siemens: Kammer rügt zahlreiche Verstöße

Die bei der Regierung von Oberbayern angesiedelte Kammer hat in einem Beschluss vom Mai in seltener Eindeutigkeit festgestellt, dass eine Auftragsvergabe über die Lieferung von 5,3 Millionen Corona-Schnelltests an die Siemens Healthcare GmbH in praktisch jeder Hinsicht gegen die – coronabedingt ohnehin stark gelockerten – Regeln des Vergaberechts verstoßen hat. Von Ungleichbehandlung ist die Rede, von Verstößen gegen das Transparenzgebot, von Ermessensfehlern und von fehlendem Wettbewerb. Ein anderer Anbieter von Schnelltests, die ebenfalls in Bayern ansässige Löwe Medizintechnik, war, nachdem sie von der Vergabe erfahren hatte, dagegen vorgegangen und bekam in vollem Umfang recht. Der Auftrag war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits erfüllt und vom Freistaat bezahlt.

Der zugrunde liegende Vertrag mit einem geschätzten Volumen von mindestens 25 Millionen Euro war aber laut Vergabekammer angesichts mehrerer gravierender Verstöße und Fehler von Anfang an unwirksam. Weitere Recherchen von regensburg-digital deuten darauf hin, dass es mindestens einen Anbieter gab, der die geforderten Tests in derselben Qualität deutlich günstiger hätte liefern können. Der Schaden für den Steuerzahler könnte im zweistelligen Millionenbereich liegen. In Zeiten, in denen bereits mehrere Unionsabgeordnete wegen fragwürdiger Maskendeals zulasten der Allgemeinheit im Fokus der Öffentlichkeit und teils der Ermittlungsbehörden stehen, ist ein solcher Eindruck für das CSU-geführte Ministerium fatal.

Warum wurde ein ungeeignetes Unternehmen ausgewählt?

Die Geschichte beginnt Ende Januar 2021. Vor dem Hintergrund, dass künftig vermehrt Antigen-Schnelltests zur Selbsttestung zur Anwendung kommen sollten, um die Corona-Pandemie einzudämmen, führte das Gesundheitsministerium eine breite „Markterkundung“ bei infrage kommenden Unternehmen durch. Mehrere Firmen gaben dabei an, dass sie zur Lieferung der geforderten Selbsttests in der Lage seien und die dafür notwendige Sonderzulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kurz vor dem Abschluss stehe. Eine solche Zulassung zur Laienanwendung hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein Antigen-Schnelltest.

Keine Woche später führte das Ministerium ein sogenanntes „Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb“ durch. Lediglich drei Unternehmen wurden dabei zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Einziges Zuschlagskriterium: der Preis. Hier hatte die Siemens Healthcare GmbH die Nase vorn und erhielt den Auftrag. Und nun beginnen die Fragezeichen.

Während andere Unternehmen, für deren Schnelltests die Sonderzulassung unmittelbar bevorstand, bei dem Verfahren nicht berücksichtigt wurden, lud das Gesundheitsministerium stattdessen eines ein, das eine solche Zulassung zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal beantragt hatte. Tatsächlich hatte dieses Unternehmen im Zuge der vorangegangenen Markterkundung in diesem Punkt keinerlei aussagekräftige Angaben gemacht. Die vom Ministerium geforderte zeitnahe Lieferung der Tests konnte dieses Unternehmen also zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht leisten. Andere hingegen schon – doch sie wurden bei dem Verfahren nicht berücksichtigt.

Geeignete Unternehmen wurden nicht gefragt

Zu ihnen gehört beispielsweise das in Österreich ansässige Unternehmen Technomed. „Wir waren an der Markterkundung beteiligt“, sagt dessen geschäftsführender Gesellschafter Dr. Moritz Bubik zu unserer Redaktion. „Zum damaligen Zeitpunkt waren wir kurz vor Abschluss der Sonderzulassung bei der BfArM. Wir wurden jedoch nicht berücksichtigt. Grund wurde uns keiner genannt.“ Tatsächlich hatte Technomed diese Sonderzulassung für seinen Test in etwa zur selben Zeit beantragt wie die Siemens Healthcare. Beide erhielte die Zulassung dann auch zeitgleich. Das geht aus den entsprechenden, öffentlich zugänglichen Auflistungen der BfArM hervor.

Auch der Beschwerdeführer bei der Vergabekammer, Löwe Medizintechnik, hat den von Technomed vertriebenen Test angeboten. Doch beide wurden bei dem späteren Verhandlungsverfahren nicht berücksichtigt – im Gegensatz zur Siemens Healthcare GmbH.

Schnelltests kosteten Freistaat durchschnittlich 4,72 Euro

Doch wie viel kosten solche Tests den Freistaat? Beschwerdeführer Löwe äußert sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Auch die Siemens Healthcare macht keine Angaben zum Preis. Aufschluss gibt allerdings eine Auflistung, die die Staatsregierung im August auf eine Anfrage der AfD im Landtag vorgelegt hat. Demnach hat der Freistaat Bayern zwischen Februar und Juli insgesamt 88.141.200 Laien-Schnelltests beschafft. Gesamtpreis: 416.157.384,72 Euro. Das ergibt einen Durchschnittspreis von 4,72 Euro pro Test.

Als Lieferanten werden lediglich drei Anbieter genannt: der Löwenanteil der gelieferten Tests, etwas mehr als 55 Millionen, stammt von Siemens, 9,5 Millionen kamen von Roche und den Rest – 23,4 Millionen – lieferte Technomed.

Nur ein Unternehmen offenbart seinen Preis

Während sich weder Siemens noch Roche auf Nachfrage zum Einzelpreis ihrer Tests äußern, gibt Moritz Bubik von Technomed bereitwillig Auskunft. „Der finale Preis pro Test betrug zum damaligen Zeitpunkt (März 2021) EUR 3,20 frei Haus geliefert ohne Abzüge.“

Damit beträgt der Durchschnittspreis für die verbliebenen größtenteils von Siemens und zu einem geringen Teil von Roche an den Freistaat gelieferten Tests 5,27 Euro. Deren Laien-Schnelltest ist also deutlich teurer als das von Technomed und Beschwerdeführer Löwe angebotene und laut Beurteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gleichwertige Produkt. Der entstandene Schaden für den Steuerzahler bei dem von der Vergabekammer gerügten Auftrag an die Siemens Healthcare GmbH von 5,3 Millionen Tests könnte als bei über zehn Millionen Euro liegen.

Drohen Schadenersatzansprüche?

Eine Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministeriums bestätigt gegenüber unserer Redaktion die Entscheidung der Vergabekammer. Antworten auf mehrere Detailfragen erhalten wir mit Verweis „auf das noch laufende Gerichtsverfahren sowie die Wahrung des Grundsatzes der Vertraulichkeit“ nicht. Allerdings halte man die Entscheidung der Vergabekammer für „vergaberechtlich unzutreffend“ und habe deshalb Beschwerde beim Obersten Landesgericht eingelegt.

Die Gefahr von Schadenersatzansprüchen, die der Beschwerdeführer geltend machen könnte, sollte das Gericht die Entscheidung der Vergabekammer bestätigen, befürchtet man offenbar nicht. Man gehe davon aus, dass diese „weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht“ bestehen, so die Sprecherin. Sollte sich das Gesundheitsministerium irren, könnten weitere Millionenzahlungen auf den Freistaat zukommen.

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Kommentare (6)

  • Mr. T.

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    Das schlimme ist, dass bei allen solchen Fehlern und Verfehlungen immer nur Steuerzahlene finanziell in Verantwortung genommen werden. Vielleicht ist die Argumentation dafür, dass diese auch die Leute gewählt haben, welche die Fehler verursacht haben. Aber die verlieren ja nihct mal ihren Job oder Pension. Das schlimmste was ihnen passieren kann, ist eine Beförderung.

    Schön, zu sehen, wie regensburg-digital langsam auch überregional mit fundierten Recherchen überzeigt!

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  • Madame

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    Fehler über fehler ist allgemein usus bei dieser politik. Ist auch klar,dass der steuerzahler immer die rechnung finanzieren muss. Bei diesen höheren Beamten wird nicht gekündigt, nur versetzt oder er erhält eine Beförderung mit mehr geld Was haben bloß die sauberen
    bundesminister mit den masken grosse kasse gemacht. Nichts ist denen passiert. Später kommt noch eine großzügige Pension dazu. Der kleine Mann hingegen wird für einen Fehler mit Kündigung bestraft oder er schaut mit den ofenrohr in den mond. So ist das leben. Der obere sticht den untern

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  • D. Heßlich

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    Koste es, was es wolle, haben sie gesagt. Gesundheitsschutz gibt es halt nicht umsonst. Also stellt euch nicht so an.

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  • Mr. B.

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    Siemens Healthcare ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Firmen für unsere Gesundheit!
    Noch gehört hier im Land nicht alles den Chinesen! Corona hat uns aufgezeigt, was äußerst geldgierige Manager und Groß-Aktionäre alles “verscherbelt” haben und dabei nur an den eigenen Reichtum gedacht wurde!
    Auf Firmen wie Siemens sollten wir weiter vertrauen, denn dann haben wir auch noch etwas eigenes im Land!!!

    Die große Schweinerei scheint aber vermutlich darin zu liegen, dass einige Herren und Damen der CDU, sowie auch der CSU keine “ordentlichen” und sauberen Verträge abschließen!!!! -Siehe hierzu den sog. Maskendeal-
    …und die “wohlgesonnene Presse” berichtet natürlich oftmals auch nur spärlich über solche Themen und lässt diese dann einschlafen!!
    Vor der Bundestagswahl hörte man kurz, dass die ersten “Maskendeals” von der Staatsanwaltschaft schon eingestellt wurden. Namen gab’s natürlich im demokratischen Verständnis nicht dazu.

    Danke meinerseits an RD für diesen Beitrag!
    “RD!!-Manche sollten sich in Zukunft etwas “wärmer anziehen”-!”

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  • Vipmail 326 – Vipraum 2

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    […] gibt es nach den Maskenbestellungen auch bei den Schnelltests. Nutznießer sind die Erlanger Healthineers. Das freut immerhin diejenigen, die Aktien der Siemenstochter besitzen. Vielleicht sitzen da auch […]

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