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Tarifverhandlungen

Erzieherinnen richten Hilferuf an den Stadtrat

Einen Tag vor Beginn der Tarifverhandlungen für Beschäftigte in kommunalen Kitas, Jugendämtern und Einrichtungen der Behindertenhilfe konfrontierten Betroffene die Stadträtinnen und Stadträte in Regensburg mit ihren Forderungen.

Mehr Personal – so lautet eine Forderung der Beschäftigten. Deshalb brauche es bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Foto: Bothner

Mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und weitere Maßnahmen, um den Fachkräftemangel zu beheben – das sind drei zentrale Forderungen, die am Donnerstag vor dem Marinaforum immer wieder zu hören sind. Auch der Kinder wegen sei man hier, sagen Angestellte mehrerer Kitas. Um 18 Uhr wird drinnen der Stadtrat zusammen kommen. Draußen empfangen zuvor etwas mehr als 30 Menschen aus den Sozial- und Erziehungsdiensten die einzelnen Stadträtinnen und Stadträte.

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Am Freitag beginnt aktuelle Tarifrunde zwischen den Angestellten der Kitas, Jugendämter und Behindertenhilfen auf der einen Seite und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auf der anderen. Man wolle der Politik zuvor noch einmal vor Augen führen, dass man längst „am Limit“ sei, heißt es am Donnerstag.

Arbeitgeber sprechen von „Spitzenentgelten“

In Regensburg war diese Situation in den vergangenen Monaten deutlich spürbar. Mehrere Einrichtungen mussten schließen oder Gruppen reduzieren – mangels Personal. Einen Grund für Zugeständnisse sehen die kommunalen Arbeitgeber bislang allerdings nicht. Es könne keine „undifferenzierten Aufwertungen“ geben, hieß es am 11. Februar in einer Presseerklärung der VKA. Bereits jetzt seien die Gehälter der kommunalen Beschäftigten „Spitzenentgelte“. Die Gelsenkirchener Stadtdirektorin Karin Welge, neu gewählte Präsidentin des Verbandes sagte zuletzt: „Die Entgelte der kommunalen Beschäftigten liegen vielfach über den Entgelten bei anderen Trägern im Sozial- und Erziehungsdienst.“

Das wollen die Beschäftigten so nicht stehen lassen – auch nicht in Regensburg. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und eben auch eine angemessene finanzielle Anerkennung ihrer Arbeit. „Auch der Kinder wegen“, sagt eine Frau am Donnerstag. „Damit die bekommen, was sie verdient haben.“ Eine Kollegin spricht von einer Berufung. Sie sei „immer mit viel Leidenschaft“ Erzieherin gewesen. „Aber es geht irgendwann nicht mehr“, erklärt sie, während die Stadträte Stefan Christoph, Theresa Eberlein und Anna Hopfe (alle Grüne) sowie Jakob Friedl (Ribisl) zuhören.

Regensburg zahlt freiwillige Zulage

Joachim Wolbergs steht ebenfalls einige Zeit am Rand der von ver.di organisierten Aktion. Irgendwann kommt auch SPD-Stadtrat Rappert vor die Türe, um kurz zuzuhören. Die beiden AfD-Stadträte schenken den Demonstrantinnen und ihren Plakaten nur wenig Aufmerksamkeit und begeben sich schnurstracks ins Gebäude.

Bürgermeister Ludwig Artinger und seine Parteifreundin Kerstin Radler (Freie Wähler) vermuten aus der Ferne zunächst eine Solidaritätskundgebung für die Ukraine, die da stattfindet. Als Artinger realisiert, worum es hier geht, verweist er auf die 2019 vom Stadtrat beschlossene Arbeitsmarktzulage in Regensburg. Je nach Arbeitsbereich und der Qualifikation beträgt sie zwischen 250 und 400 Euro brutto im Monat. Teilzeitkräfte erhalten die Zulage anteilig. Insgesamt gebe die Stadt für die Arbeitsmarktzulagen rund 2,8 Millionen Euro im Jahr aus. Man habe also durchaus gezeigt, dass man an der Seite der Beschäftigten stehe, so der Bürgermeister.

Es geht um über 300.000 Beschäftigte

Im öffentlichen Dienst erhalten ausgebildete Erzieher (diese Ausbildung dauert fünf Jahre) 2879,77 Euro, Kinderpflegerinnen bekommen 300 Euro weniger. Dass die Stadt Regensburg hier seit 2019 etwas drauflegt, hatte in der Vergangenheit auch für Kritik von anderen Trägern gesorgt, die wiederum fürchten, ihr Personal an kommunale Einrichtungen zu verlieren.

Generell sei die Kritik von Beschäftigten und Gewerkschaft nicht nicht gegen die Stadträtinnen und Stadträte gerichtet, sagt ver.di-Sekretärin Kathrin Birner. „Aber wir fordern ihre Unterstützung in den nun beginnenden Tarifgesprächen.“ Insgesamt geht es um rund 330.000 Beschäftigte, die bei den Kommunen im Bereich Sozial- und Erziehungsdienste arbeiten. Andere Träger orientieren sich in der Regel an den hier gefassten Tarifabschlüssen. So gesehen geht es um insgesamt etwa 1,66 Millionen Menschen, die hier sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind – 1,4 Millionen von ihnen sind Frauen.

 

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Kommentare (12)

  • Erzieher

    |

    Wir sind bereit die deutsche Wirtschaft kaputt zu streiken!

  • Daniela

    |

    Wie wäre es mit Argumenten zu Punkten?

    1.) Um in Deutschland 1 Rentenpunkt/ Jahr zu erhalten, bedarf es einem Bruttojahreseinkommen von ca. 41.150€.

    So Stadträte jetzt rechnen! Wie viel ergibt ca. 2. 880€ x 13 (13. Gehalt)?

    2.)So dann könnt Ihr feststellen, wie man künftige Altersarmut schafft! Und das im öffentlichen Dienst?!

    3.) Ihr habt das schon auch richtig verstanden? Angebot und Nachfrage besteht auch auf dem Arbeitsmarkt. Wenn der öffentliche Dienst die Gehälter anzog, mussten andere Arbeitgeber hinterher. Warum? Weil Ihnen das Personal abhanden kam… Im Ãœbrigen ein Effekt nicht nur bei Erziehern, auch im Pflegebereich…

    4.) Wie war das doch gleich? Euch ist Bildung soviel wert, wenn’s um Schulbau geht. Lasst Euch eins gesagt sein, Bildung beginnt schon im Kleinkindalter!

    5.) Wenn diese Berufsgruppen also attraktiver werden sollen, dann doch sicher auch beim Gehalt, oder?

  • Karl Straube

    |

    Mal eine andere Betrachtung!
    Die Personalmangel-Liste ist lang: Pflege, Erziehung, Ärzte, KH-Personal, ………..
    Da die Bevölkerungszahl in D stagniert, führt die Forderungen nach besseren Gehältern zur Abwerbung zwischen den defizitären Bereichen.
    Deutschland, ein Einwanderungsland: 01.05.2017:
    https://www.bpb.de/themen/soziale-lage/demografischer-wandel/196652/einwanderungsland-deutschland/
    Muss daher der Ansatz nicht bei Verbesserung der Arbeitschancen für Ausländer liegen verbunden mit Ausbildungsangeboten, auch wenn Familiennachzug zu erwarten ist?
    Für IT-Fachkräfte lief die Anwerbung im Ausland; Not an Frau und Mann herrscht aber jetzt in Pflegeberufen! Chancen für den zu erwartenden Zuzug aus der Ukraine?

  • Auch a Regensburger

    |

    Liebe Erzieher/innen & Co.,

    Recht habt Ihr. Wir haben uns als Gessellschaft entschieden, mehr Arbeit zu leisten (Doppelverdiener) und dadurch die Erziehung und Betreeung der Kinder mehr out zu sourcen als früher. Das entsprechende Personal um einen hochwertig qualitativen Standard zu gewähren, muss da sein. Ebenfalls ist es eine anstrengende und anspruchsvolle Arbeit. Noch dazu eine immense Verantwortung. Lernen doch unsere Kinder oft 7-8 Stunden am Tag das Leben von Ihnen.

    Ihre Forderungen sind absolut berächtigt.

  • R.G.

    |

    €2879,77
    Wieviel ist das netto?

  • Daniela

    |

    @ Karl Straube

    So ganz kann ich Ihre Argumentation nicht nachvollziehen…, Die deutschen Fachkräfte wandern aus, weil Sie im Ausland mehr verdienen. Jetzt meinen Sie, gut holen wir halt Ausländer…
    Wäre es nicht von Haus aus gescheiter, hier die Arbeitsbedingungen und Einkommenssituation zu verbessern und eine Ausbildungsoffensive zu starten? Vielleicht würden dann auch mehr Menschen in diesen Berufen starten.

  • Daniela

    |

    @ R.G.

    Bei Lstkl. 1, keine Kinder, keine Konfession ca. 1.940 Euro

  • Karl Straube

    |

    @Daniela
    Davon, dass Abwanderung (gelernter) Pflegekräfte ins Ausland den Mangel auch nur mit bedingen würde, habe ich noch nichts gehört oder gelesen. Siehe:

    https://www.grin.com/document/313111
    Jennifer Claßen (Autor:in)
    Projektarbeit, 2015

    Pflegekräftemangel in deutschen Krankenhäusern.
    Auswirkungen auf die Patientenversorgung

    2.4 Ursachen für den Pflegekräftemangel

    „Der Demografische Wandel der Bevölkerung in Deutschland und die damit verbundenen sozioökonomischen Folgen gehören schon seit vielen Jahren zu den beherrschenden gesellschaftlichen und politischen Themen“[33]. Zwei Faktoren für die demografische Veränderung sind zum einen der Rückgang der Geburtenrate und zum anderen der Anstieg der Lebenserwartung.[34] Zugleich nimmt die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials ab.

  • Daniela

    |

    @ Karl Straube

    Kann schon sein, dass Sie nichts davon gehört haben… Neben Ärzten, Pflegekräften, Erzieher auch Handwerker aller Gewerke… Nach Österreich, der Schweiz, Norwegen, Schweden, …, Warum? Bessere Work Life Balance und mehr Gehalt…..

    Ich selbst habe vor über zehn Jahren einmal 1 1/2 Jahre Abstand vom deutschen Stress in der Schweiz genommen,… Hatte seinerzeit umgerechnet ca. 4000 netto, bei 42 Std die Woche, trotzdem war arbeiten absolut relaxt… Wesentlich mehr Personal, dadurch die Patienten wesentlich entspannter und besser versorgt…

  • Lenerl

    |

    Da kann ich Daniela nur zustimmen. Die Abwanderung gut qualifizierter Fachkräfte des Gesundheits- und Sozialwesens, z.B. in die Schweiz, war schon vor 10- 15 Jahren ein riesen Thema und ich kenne viele Fälle, in denen das gemacht wurde und die bis heute dort arbeiten. Auch ich hatte einmal ein gutes Angebot, in meinem sozialen Ausbildungsberuf in der Schweiz zu arbeiten, habe dies aber aus familiären Gründen nicht gemacht. Das Angebot war in finanzieller und arbeitsorganistorischer Hinsicht aber unschlagbar. Ich habe mich stattdessen dazu entschlossen, mich weiterzuqualifizieren und das Arbeitsfeld ganz zu wechseln. Auch damit war und bin ich nicht alleine. In meiner Abschlussklasse im Rahmen der Ausbildung haben sich damals schon gut 10- 20% der Leute entschlossen ihren gerade absolvierten Ausbildungsberuf gar nicht erst weiter zu verfolgen, weil sie in den drei Jahren Ausbildung schon gemerkt haben, dass dieser Beruf bei den vorgefundenen Bedingungen nicht zu einem erfüllten Berufsleben führen kann. Die haben dann gleich noch eine weitere Ausbildung gemacht oder sind doch noch studieren gegangen. Weitere folgten dann nach 5- 10 Jahren Berufspraxis. Die hatten alle die Schnauze voll. Ich kenne übrigens auch niemanden (!) mehr, der tatsächlich noch in Vollzeit in den “Basisberufen” des Gesundheits- oder Sozialwesens arbeitet. Für viele ist die Teilzeit ein Kompromiss, um im Beruf zu bleiben, was natürlich auch fatal ist.

    Ich denke, dass wir, wenn alle, die mal eine Ausbildung im Gesundheits- oder Sozialwesen gemacht haben, noch im Beruf oder in Deutschland wären oder in Vollzeit arbeiten würden, ein wesentlich geringeres Fachkräfteproblem hätten. Aber die sind halt aus guten Gründen weg. Und ausländisches Personal erkennt diese guten Gründe meist auch ziemlich schnell.

    Wäre natürlich sehr praktisch, unsere Lücken mit ausländischen Fachkräften zu füllen, während sich ansonsten nichts ändern muss. Ironie off.

  • Haydo

    |

    …….Kritik von anderen Trägern gesorgt…….

    Die anderen Träger, das wäre zum Beispiel die Kirche! Das muss man sich mal vorstellen: die Kirche schimpft die Stadt, dass sie die Erzieherinnen nicht besser bezahlen soll als sie, weil sie angeblich kein Geld hat. Diese Institution wundert sich dann, wenn Leute aus der Kirche austreten oder ihnen das Personal abhandenkommt. Die Kirche darf von mir aus weiterträumen.

    Während dem LockDown haben wir gesehen, wie wichtig und unverzichtbar diese sozialen Berufe sind. Dennoch hat man nichts gelernt und verstanden! Ich fordere mindestens 3500 Euro für Erzieherinnen als Einstiegsgehalt- sie sind es wert!

  • Hthik

    |

    @Haydo 27. Februar 2022 um 21:59

    “Die anderen Träger, das wäre zum Beispiel die Kirche!”

    Der angebliche dritte Weg ist der erste (kapitalistische) Weg mit dem Unterschied, dass der männliche Boss ein Kleid trägt ohne Transvestit zu sein.

    “Dennoch hat man nichts gelernt und verstanden!”

    Die an der Macht haben das schon verstanden. Deswegen wurde ja Hartz IV eingeführt: Zwangsarbeit.

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