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Wachdienst statt SHK

Erst Lohndumping, dann Rauswurf – bis zu 100 Studenten verlieren ihren Job

Bis zu 100 studentische Hilfskräfte an der Uni Regensburg drohen ihren Nebenjob zu verlieren. In den Bibliotheken waren sie rechtswidrig zum Mindestlohn anstatt nach Tarif beschäftigt worden. Nachdem immer mehr Betroffene ihre Rechte einfordern, zieht die Universität nun die Reißleine. Ein neuerlicher Fall von problematischen Beschäftigungsverhältnissen an der hiesigen Uni. Doch das Problem reicht über Regensburg hinaus.

Zentralbibliothek der Uni Regensburg: Anstelle von Studenten arbeitet hier bald ein externer Wachdienst. Foto: Universität Regensburg

Die Universität Regensburg hat offenbar über Jahre hinweg Lohndumping in ihren Bibliotheken betrieben – wissentlich. Studentische Hilfskräfte (SHK) wurden dort zum Mindestlohn als Aufsicht beschäftigt, um die Öffnungszeiten zu gewährleisten – entgegen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die man seit mindestens acht Jahren kannte. In einem Schreiben vom Mai 2010, das unserer Redaktion vorliegt, stellte das Bayerische Wissenschaftsministerium seinerzeit klar, dass mit SHK, deren „ausschließliche Beschäftigung in nicht akademischen Tätigkeitsfeldern, etwa als Aufsicht in Bibliotheken“ liegt, ein Arbeitsvertrag gemäß der tariflichen Bestimmungen geschlossen werden müsse.

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Bisher: Mindestlohn statt Tarif

Im Klartext: Statt dem aktuellen Mindestlohn von 8,84 Euro stünden den Betroffenen derzeit gut zwölf Euro pro Stunde zu. Anstatt Einsätzen auf Zuruf hätten sie geregelte Arbeitszeiten und Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie zum Beispiel Weihnachts- und Krankengeld. Die entsprechende höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist übrigens noch älter – sie stammt aus dem Jahr 2005. Beschwert hatte sich aber zunächst niemand. Die Bibliotheken hatten günstiges Personal, die Studis einen flexiblen Nebenjob.

„Wir reden hier von klassischer Tarifflucht und Lohndumping zulasten der Bibliotheksangestellten“, sagt Studentensprecherin Christiane Fuchs. Sie war eine der ersten, die Mitte des Jahres ihr Recht einfordert und einen festen Vertrag mit Tarifgehalt bis zum Ende ihres Studiums erhalten hatte. Auch einige andere konnten sie und ihre Mitstreiter dazu bewegen, auf tarifliche Arbeitsverträge zu drängen. Von rund 20 ist in einer Pressemitteilung des Studentischen Sprecherrats die Rede. Auch hier musste die Universität gemäß der geltenden gesetzlichen Bestimmungen nachgeben.

Zig Fälle fürs Arbeitsgericht

Nun zog die Universität die Reißleine. Am 8. November wurden sämtliche SHK per Rundmail informiert, dass ihre Verträge zum Jahresende auslaufen und sie ihren Nebenjob los sind. Betroffen sind an die hundert Studentinnen und Studenten. Ihre Aufgaben werden an einen externen Wachdienst outgesourct. Die Universität spricht von einer „vorübergehenden Lösung“. Nach wie vor hätten allerdings die SHK das Recht, einen anderen Arbeitsvertrag gemäß dem Tarifvertrag der Länder zu fordern. Allerdings stellt sich die Universität nach Informationen unserer Redaktion nun offenbar quer. Eventuelle Ansprüche werden nun abgelehnt – am Ende müssen also Arbeitsgerichte über die Folgen der jahrelang rechtswidrigen Beschäftigungsverhältnisse entscheiden. Die Studentenvertreter bieten dazu vertrauliche Beratungen an.

Die Universität Regensburg reagiert auf Anfragen zu dem Thema mit einer knappen Erklärung, die zwar wenig ins Detail geht, aber aus der doch hervorgeht, dass man – mangels Finanzen – wissentlich zu einer fragwürdigen Lösung gegriffen hatte, um die Öffnungszeiten in den Bibliotheken zu gewährleisten. Wörtlich heißt es:

„Eine Sicherstellung möglichst großzügiger Bibliotheksöffnungszeiten für die Studierenden genoss in der Vergangenheit höchste Priorität und war im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Mittel universitärer Grundfinanzierung nicht anderweitig realisierbar.“

Eine rechtskonforme Übernahme der betroffenen Studentinnen und Studenten, verbunden mit der entsprechenden tariflichen Eingruppierung sei angesichts des Fehlens der dafür notwendigen Planstellen nicht möglich.

Problematische Beschäftigung ist ein Dauerthema

Fraglich ist, ob noch andere Bereiche der Universität Regensburg von dieser Problematik betroffen sind. Auch im Rechenzentrum und in der Poststelle sind nach Informationen unserer Redaktion SHK beschäftigt, wenngleich in geringerem Umfang. Auch ihnen stünden höhere Löhne und tarifliche Beschäftigungsbedingungen zu.

Es ist nicht das erste Mal, dass problematische Beschäftigungsverhältnisse an der Universität Regensburg bekannt werden – sie sind dort ein Dauerthema, das nur selten bekannt wird, weil Betroffene Angst vor Jobverlust haben. Vor vier Jahren mussten knapp 20 Studiengangskoordinatoren festangestellt werden. Deren Befristung sei „rechtsfehlerhaft“, schrieb Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spänle der Universitätsleitung damals ins Stammbuch. Auch beim Lehrpersonal wandte die Universität eine recht eigenwillige Befristungspraxis an. Das Fehlen von notwendigen unbefristeten Planstellen, die vom Finanzministerium hätten genehmigt werden müssen, führte damals zu solch kreativen Lösungen. Im Fall der SHK in den Unibibliotheken scheint dies nun analog der Fall zu sein – es fehlt erneut an Planstellen und die Beschäftigten sind am Ende die Dummen.

Kritik von Abgeordneten

Ein alleiniges Regensburger Phänomen sind solche rechtlich fragwürdigen Beschäftigungsverhältnisse nicht. Immer wieder werden bayern- und bundesweit derartige Fälle bekannt. Entsprechend fallen auch die ersten Reaktionen aus.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild hat nun wegen der Vorkommnisse in Regensburg eine Anfrage an die Bayerische Staatsregierung gestellt und fordert generell, den Universitäten ein höheres Budget zur Verfügung zu stellen. „Staatliche und öffentliche Einrichtungen erfüllen eine Vorbildfunktion“, so Wild. „Es darf nicht sein, dass gerade hier Tarifverträge und Vorschriften bewusst ignoriert werden.“ Gerade der Staat müsse seine Beschäftigten anständig bezahlen.

Auch im Bundestag schlägt der Fall Wellen. Die Bundestagsabgeordnete Eva-Maria Schreiber (Linke) bezeichnet das Verhalten der Universität als „skandalös“ und fordert eine Weiterbeschäftigung der Betroffenen nach Tarif. Die hochschulpolitische Sprecherin der Linken, Nicole Gohlke, sieht den Fall als neuerlichen Beleg für die „schlechte finanzielle Ausstattung der Universitäten, die Mitarbeiter/innen lieber entlässt, als sie nach Tarifvertrag zu beschäftigen“.

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