11 Feb2009
Erst die Arbeit, dann das Wohnen oder: Rechtlich einwandfreier Lärm
Lärm nervt, Lärm stört und Lärm macht krank. Das ist bekannt. Ein allgemeines Gesetz zum Schutz vor Lärm gibt es in Deutschland allerdings nicht. Und die verschiedenen Regelungen und Vorschriften reichen oft nicht aus, um Betroffene adäquat vor Lärm zu schützen bzw. einen Interessenkonflikt zwischen Verursacher und Betroffenen befriedigend aufzulösen. Ein aktuelles Beispiel im Stadtnorden von Regensburg spricht Bände. Auch wenn sich mittlerweile eine Lösung abzuzeichnen scheint. Mehr dazu später.
Das Gebiet entlang der Schergenbreite wirkt auf den ersten Blick recht wohnlich: Spielstraßen, lockere Bebauung, Gärten. Im – an attraktiven Wohngebieten nicht gerade reichen – Stadtnorden eigentlich ein Glücksfall. Eigentlich. Das Glück trübt nämlich der Schrott- und Pressbetrieb Brener GmbH. Ein alteingesessener Familienbetrieb mit einem kleinen Schönheitsfehler: Lärm.
Es scheppert, es kracht, das Hupen der Bagger, mit denen der Metallschrott transportiert wird, ist da noch das kleinste Problem. „Die Erschütterungen, die entstehen, lassen unser Haus wackeln“, schreibt eine Anwohnerin. „Im Freien müssen wir uns mit lauten Rufen verständigen“, klagt ein Ehepaar. Eine Familie spricht sogar von „Detonationen“. Immer wieder hört man: Im Freien kann man sich während der Woche nicht aufhalten.
„Wir halten alle Vorschriften ein. Das ist es, was zählt“, kontert Michael Brener, der das Unternehmen seit knapp 30 Jahren leitet. Diesen Standpunkt teilt auch die Stadt. Sechs Lärmmessungen habe es in der Vergangenheit gegeben. Ergebnis: Die Bestimmungen werden im Wesentlichen eingehalten. Eine Sicht der Dinge, die viele Anwohner nicht teilen. An die 200 Unterschriften haben sie gesammelt, um ihrer Forderung nach strengeren Auflagen Nachdruck zu verleihen. Allein: Weder diese Aktion, noch Schreiben an das Umweltamt, sogar Oberbürgermeister Hans Schaidinger, noch öffentlicher Protest via Tageszeitung brachten eine Verbesserung.
Die Situation hat sich mittlerweile sogar verschärft. Im August wurde über die Lärmproblematik öffentlich berichtet, Ende September gestattete die Stadt dem Unternehmer eine Ausweitung der Betriebszeiten. Täglich kracht und scheppert es jetzt eine halbe Stunde länger, Freitags wird sogar gut fünf Stunden mehr gearbeitet: täglich von 7.30 bis 17 Uhr. Eine Verlängerung der vorhandenen Lärmschutzwand, die Schrotthändler Michael Brener noch im August in Aussicht gestellt hatte, ist bis heute nicht erfolgt. Die Bauelemente lagern seit Juli auf dem Gelände des Betriebs, montiert werden konnten sie bislang noch nicht. Brener: „Es hat ewig gedauert, bis wir die Baugenehmigung dafür bekommen haben.“ Abgeschlossen sei das Verfahren Mitte November gewesen – zu spät, um noch mit dem Bau der Lärmschutzwand zu beginnen. Laut Brenner soll das nun spätestens im April passieren. Der Anwohnerin Heidi Siess ist mittlerweile der Kragen geplatzt. Erfolglos wandte sich die Unternehmerin seit über vier Jahren immer wieder an die Stadt. Als die Betriebszeiten erweitert wurden, hat sie Klage beim Regensburger Verwaltungsgericht eingereicht. Siess: „Die Erweiterung der Betriebszeiten ist der Gipfel. Das ist eine Kränkung aller Anwohner.“
In der Stadtverwaltung verweist man darauf, dass Brener rein rechtlich nichts vorzuwerfen sei. Bei dem Areal entlang der vom Lärm betroffenen Schergenbreite handle es sich um ein sogenanntes „Mischgebiet“. Dort ist laut der entsprechenden Lärmschutzverordnung ein Grenzwert von 60 Dezibel festgelegt. Und so mögen sich die Anwohner an – dokumentierten – Spitzenwerten von bis zu 84 Dezibel stören – ein Grund, die erweiterten Betriebszeiten nicht zu genehmigen, ist das laut Stadtverwaltung nicht. Es gilt der durchschnittliche Geräuschpegel – berechnet über 16 Stunden (von 6 bis 22 Uhr) – den hält das Unternehmen ein. In Einzelfällen wären auch Spitzenwerte von 90 Dezibel erlaubt. So lange der Durchschnitt stimmt. Punktum.
Eine gewisse Hoffnung macht Manfred Koller vom Amt für Wirtschaftsförderung den Anwohnern. Seit eineinhalb Jahren befindet man sich Koller zufolge schon intensiv auf der Suche nach einem neuen Standort für Breners Betrieb. Der wäre grundsätzlich zu einer Verlagerung bereit, wäre auch bereit bis zu 500.000 Euro zu investieren. Ein Standort ist bislang allerdings nicht zu finden. Koller: „Gerade für lärmintensives Gewerbe gibt es kaum noch Flächen im Stadtgebiet.“ Doch nun scheint man fündig geworden zu sein. „Es zeichnet sich eine Lösung mit dem Bayernhafen Regensburg ab.“ Im Lauf des Jahres soll es dazu Genaueres zu erfahren geben. Brener selbst rechnet mit wenigstens zwei bis drei Jahren, ehe eine Verlagerung seines Schrottbetriebs tatsächlich in die Tat umgesetzt wird.
Anwohnerin Heidi Siess will derweil mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht erreichen, dass das betreffende Gebiet an der Schergenbreite nicht mehr als Misch-, sondern als Wohngebiet eingestuft wird. Dann würden strengere Grenzwerte gelten. Den Einwand, dass es noch weiteres Gewerbe in dem Gebiet gibt, kontert sie damit, dass allein das Schrottwerk Belastungen für die Anwohner verursacht. Wie der Streit vor dem Verwaltungsgericht ausgeht, bleibt abzuwarten. Dass es an der Schergenbreite auf absehbare Zeit wirklich ruhiger wird, steht wohl nicht zu erwarten.
superguppi
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“Ein allgemeines Gesetz zum Schutz vor Lärm gibt es in Deutschland allerdings nicht”
Das ist so nicht richtig. Es gibt das Bundesimmissionsschutzgesetz und darauf beruhend Verordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften. Für Lärm ist die Technische Anleitung Lärm einschlägig. Darin ist je nach Gebietsart der zulässige Lärm festgelegt. An Grenzflächen zwischen Gewerbegebieten und Wohngebieten gilt jeweils ein Mittelwert.
Der Lärm im Stadtnorden hat ein Ende | Regensburg Digital
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[…] von Regensburg verursachte, sorgte für gut drei Jahren für breiten Protest der Anwohner (unser Bericht). 200 Unterschriften wurden gesammelt, es gab eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Alles […]