Erdgas ist Regensburgs größte CO2-Schleuder
Vor sieben Jahren versenkte die Stadt Regensburg am Nibelungenareal noch ihr eigenes, zukunftsweisendes Energiekonzept. Am Freitag stellt Umweltbürgermeister Ludwig Artinger dort den „Green Deal Regensburg“ vor und verspricht, die Anstrengungen und insbesondere das Tempo in punkto Klimaschutz zu erhöhen. Die Verbrennung von Erdgas zu reduzieren sei dabei ein „zentraler Erfolgsfaktor“.
Es ist ein Vorzeigeprojekt der Stadt Regensburg in Sachen Klimaschutz: das Rubina-Gebäude auf dem Areal der früheren Nibelungenkaserne. Moderne Holzbauweise, energieautark dank Geothermie und Photovoltaik. Und demnächst auch Standort des bayernweit ersten und bislang einzigen Energiebildungszentrums. Ein passender Ort also für Umweltbürgermeister Ludwig Artinger, um die höheren Ziele für den „Green Deal Regensburg“ vorzustellen, in deren Zuge die städtischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent reduziert werden sollen (im Vergleich zu 1990). „Außerdem soll die Stadtverwaltung bis 2030 und alle städtischen Töchter sowie die Gesamtstadt bis 2035 klimaneutral werden.“ So steht es in einer Beschlussvorlage, die kommende Woche den Stadträtinnen und Stadträten im Umweltausschuss vorgelegt wird. Eine „gigantische Aufgabe“ sei das, sagt Artinger. „Aber es gibt keine Wahl.“
CO2-Ausstoß: Den Löwenanteil verursacht Erdgas
Derzeit stößt die Stadt Regensburg laut einem aktuellen Monitoringbericht (als PDF) 1,3 Millionen Tonnen CO2 jährlich aus. Den Löwenanteil davon machen demnach Strom (40 Prozent) und Wärme (41 Prozent) aus. Der Rest entfällt auf den Verkehr. Allein die Verbrennung von Erdgas zur Wärmeerzeugung verursacht mit 472.000 Tonnen über 36 Prozent des jährlichen Kohlendioxidausstoßes. Im Green Deal werde es deshalb „ein zentraler Erfolgsfaktor“ sein, die Verbrennung von fossilem Erdgas in den nächsten Jahren zu reduzieren und durch andere Energieträger zu ersetzen.
Der Anteil der Stadt Regensburg am CO2-Ausstoß und Energieverbrauch ist vergleichsweise gering. Er macht lediglich ein Prozent am jährlichen Endenergieverbrauch aus. Den größten Anteil haben mit 51 Prozent Gewerbe, Industrie und Handel, 32 Prozent macht der private Verbrauch aus, 16 Prozent entfallen auf andere öffentliche Einrichtungen. Insofern kann die Stadt allenfalls mit gutem Beispiel vorangehen – etwa bei der energetischen Sanierung und Umstellung ihrer eigenen Gebäude auf andere Energieträger – so werden beispielsweise derzeit von 118 betrachteten städtischen Gebäuden 111 mit Gas und zwei mit Heizöl beheizt.
Photovoltaikausbau bislang eher gemächlich
Auch bei der Ausstattung mit städtischer Gebäude mit Photovoltaikanlagen ist noch gehörig Luft nach oben. Laut einem Bericht der Verwaltung, der Mitte Juni im Grundstücksausschuss vorgestellt wurde, sind in den letzten 20 Jahren 16 Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden entstanden – Gesamtleistung: 550 Kilowatt-Peak (kWp). Zehn weitere sind derzeit geplant (ein Megawatt-Peak).
Zum Vergleich: Die Photovoltaikanlage, die die Regensburger Druckerei Niedermayr auf ihrem Dach installiert und im Frühjahr 2020 in Betrieb genommen hat, verfügt über eine Gesamtleistung von 1,6 MWp. Auch die Untersuchung der insgesamt 500 städtischen Gebäude in punkto Photovoltaik geht recht schleppend voran – laut dem Bericht wurden bislang lediglich fünf Gebäude geprüft. Man sei gerade dabei, diesen Vorgang zu beschleunigen, hieß es zuletzt von der Oberbürgermeisterin.
Von Erdgas zu Biogas – so einfach ist das nicht
Noch herausfordernder gestaltet sich die Umstellung der Wärmeversorgung von fossilem Erdgas bzw. Heizöl auf regenerative Energien. Einfach auf Biogas umzusteigen sei „nicht so leicht möglich“, sagt Ludwig Friedl, Geschäftsführer der Energieagentur Regensburg. Der Verein, in dem rund 150 Unternehmen aus der Region zusammengeschlossen sind, ist als erster ins Rubina-Gebäude eingezogen und fungiert derzeit als „Hausherr“ des städtischen Vorzeigeprojekts.
Laut Friedl scheitert die Umstellung auf Biogas insbesondere an der fehlenden Infrastruktur. In der Oberpfalz gebe es etwa 400 Biogasanlagen. Das reiche bei weitem nicht aus. Die Erdgasversorgung – vornehmlich aus Russland – sei derzeit zu dominant. Die entsprechende Infrastruktur fehle. Eine Umstellung „auf Knopfdruck“ sei daher nicht realistisch. Man müsse verstärkt zu saisonalen Lösungen kommen, zum Beispiel Solar im Sommer, Windenergie im Winter. Und ganz generell müsse man auf einen Mix an regenerativen Energien setzen, so Friedl.
Grundstücksvergabe 2014: Fossil sticht innovativ
Betrachtet man all dies, birgt es dann auch eine gewisse Ironie, dass Artinger den Green Deal auf dem Nibelungenareal vorstellt. Dort also, wo die Stadt bei der Vergabe von Wohnbaugrundstücken an das Bauteam Tretzel 2014 ihr eigenes Energiekonzept versenkt hat. Das 2013 vorgestellte Konzept (eine Kurzversion als PDF) kam zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Geothermie in punkto „Innovation, Grundkosten, Betreiberaufwand, Flexibilität, Verbrauchskosten, Technische Reife, Versorgungssicherheit, Umweltaspekte sowie der Akzeptanz“ die „beste Lösung“ sei, insbesondere mit Blick auf Gewerbe und Wohnen. Bei der Stromversorgung war die Installation von Photovoltaikanlagen im Neubaubereich zentrale Grundvoraussetzung dieses Konzepts.
Auf dem Wohnbauarealen von Tretzel („Nibelungenhain“) wurde davon nichts umgesetzt. Wärme- wie auch Stromversorgung basieren – abgesehen von einem Pelletheizkessel für Spitzenlasten – ausschließlich auf der Verfeuerung von fossilem Erdgas. Es gibt keine Photovoltaik, die Umstellung auf Biogas dürfte – siehe oben – nicht so ohne weiteres möglich sein und der Zugang für andere Energieversorger ist aufgrund der monopolartigen Strukturen im Nibelungenhain zumindest erschwert (eine ausführliche Recherche dazu).
Dass es anders geht, zeigt nicht nur das Rubina-Gebäude. Auch Wirtschaftsunternehmen, die sich am Nibelungenareal ansiedeln, verzichten auf einen Anschluss an das vorhandene Erdgasnetz und setzen stattdessen auf Geothermie – unter anderem Vector Informatik und Gefasoft. Auch beim Wohnheim des Studentenwerks auf der Nibelungenkaserne kommen Photovoltaik und Geothermie zum Einsatz.
Wirtschaft fordert CO2-freie Energie
Doch zurück zum Green Deal. Die Stadt Regensburg will ein Wärme- und Stromkonzept in Auftrag geben, um bei den „größten Brocken“ bei Energieverbrauch und Treibhausgasen in der Gesamtstadt weg von fossilen hin zu regenerativen Energien zu kommen. Seit gut einer Woche läuft in diesem Zusammenhang auch eine Ausschreibung für einen „Energienutzungsplan Südost“, der eine CO2-freie Energieversorgung für Unternehmen im Stadtosten sicherstellen soll.
Denn die Stadt muss – ausweislich der Beschlussvorlage für den Umweltausschuss nächste Woche – nicht allein der Vorbildfunktion wegen handeln, sondern insbesondere auch weil es neben Kritik von NGOs (ein offener Brief mehrerer Regensburger Organisationen) auch Druck aus der Wirtschaft gibt. Das verdeutlicht das Zitat des „Vertreters eines großen Industrieunternehmens in Regensburg“ in der Vorlage. Dieser sagt: „Wenn in zehn Jahren die Rahmenbedingungen für eine CO2-freie Energieversorgung unserer Werke nicht vorhanden sind, dann ist das nicht mehr unser Standort.“
Bürgerrückblick
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Die Stadt will eine Ausschreibung für einen „Energienutzungsplan Südost“, der eine CO2-freie Energieversorgung für Unternehmen im Stadtosten sicherstellen soll.
Echt jetzt?
Bereits unter OB Schaidinger, 2013, wurde ein Energienutzungs-Plan – Ziel: CO2 freie Energie – für die ganze Stadt aufgestellt, aber 2014 z.B. im Nibelungenareal nicht umgesetzt. Stattdessen hat sich Schaidingers Nachfolger, der erstinstanzlichverurteilte Wolbergs, vom Käufer des Nibelungenareals mehrere 100.000 EURO „spenden“ lassen und im Gegenzug die BTT-Propaganda vom innovativen Energiekonzept wiederholt.
Die OB-Wolbergs-Jahre werden vermutlich unter „Korruption und verzögerte Energiewende“ in die Geschichte eingehen.
joey
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“dann ist das nicht mehr unser Standort.“
Ist es sowieso nicht mehr. Die Arbeitsplätze kommen nach Polen oder Ungarn, weil dort schon jetzt die Arbeiter dort her sind. Mit CO2 hat das alles nichts zu tun, BMW müßte ja sonst schon lange seine Werke in China dicht machen…
Andrea
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+Ludwig Friedl: „Auch bei der Energieversorgung braucht es saisonale Lösungen.“ +
Wenn ich mich nicht irre haben wir das schon lange: die Rewag verlangt im Winter genau so viel fürs Gas wie im Sommer, in dem vermutlich weniger geheizt wird. Und im folgenden Jahr wird’s irgendwie wieder teuerer eigenartig…
Madame
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Alles wird teuerer gas strom mieten . Wo führt das noch hin. Wo bleibt der aufschrei der bütger? Das finanzamt kassiert. Revag kassiert. Der obengenanntw schreiber hat ganz recht. Im winter wie sommer ist die summe der heizkosten gleich. Was da passiert ist modernes raubrittertum von staat und konzernen.
Piedro
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“Im winter wie sommer ist die summe der heizkosten gleich.”
Dieses Argument verstehe ich nicht. Die Heizkosten eines Jahres werden, durch 12 geteilt, auf die Monate umgelegt. So zahlt man monatlich immer den gleichen Betrag. Soll man monatlich nach Verbrauch zahlen, im Sommer nix, im Winter richtig, dafür noch die Kosten für die monatliche Erhebung?
Am Ende des Jahres werden die Heizkosten abgerechnet, dann gibt es entweder eine Rück- oder eine Nachzahlung. Der Mieter hat das Recht, dass der monatliche Abschlag an diese Berechnung angeglichen wird. Mieter dürfen nicht gezwungen werden durch zu hohe Abschläge vorübergehend die Liquidität des Vermieters zu stützen, noch durch zu niedrige einer alljährlichen Nachzahlung ausgesetzt zu werden.
Nicht vergessen: ein erheblicher Teil des Preises besteht aus dem Netzentgelt. Das Netz steht auch dann zur Verfügung, wenn es nicht aktiv genutzt wird.
Auflösen lässt sich das nur durch dezentrale Versorgung mit nicht fossilen, nicht durch Konzerne gehandelte Energie. Bei der Heizung zB durch Wärmepumpen. Private Vermieter sind für diese Lösung vielleicht aufgeschlossen, Wohnungskonzernen ist das schlicht wurscht.
joey
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geschätzter Piedro,
die Energie von Wärmepumpen ist ebenso durch Konzerne gehandelt. Strom. Im Winter ist eine Wärmepumpe oft fast eine direkte Stromheizung. Strom ist im Januar entweder fossil oder Atomzeugs (Dunkelflaute). Daten dazu gibts beim Fraunhofer Institut.
Piedro
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@joey
“Im Winter ist eine Wärmepumpe oft fast eine direkte Stromheizung.
Das lässt sich so pauschal nicht bestätigen, kann aber stimmen. Es kommt auf die verwendete Technik an, und natürlich auf die Stromquelle. Bei beidem gibt es Unterschiede, und die technische Entwicklung bleibt ja auch nicht stehen. Die Kompressionsenergie muss ja nicht zwangsläufig von fossilen Energieträgern kommen, wir arbeiten ja dran.
“…ist ebenso durch Konzerne gehandelt. Strom.”
Die meisten Wärmepumpen befinden sich in privater Hand, Stromanbieter verwenden diese Technik in der Regel nur um industrielle Abwärme zu nutzen. Diese Technologie zahlt sich allerdings nur aus, wenn sie dezentral für ganze Häuserblocks angewendet wird (Fernheizung).
Hthik
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@joey 4. Juli 2021 um 19:15
“Im Winter ist eine Wärmepumpe oft fast eine direkte Stromheizung.”
Gibt es “oft fast” auch in Ziffern?
“Strom ist im Januar entweder fossil oder Atomzeugs (Dunkelflaute).”
Regensburg liegt nicht nördlich des Polarkreises.
“Daten dazu gibts beim Fraunhofer Institut.”
Wie wäre es mit zwei, drei Sätzen als Zitat? Das lässt der gestrenge Betreiber sogar mir regelmäßig durchgehen und man hätte dann eine Chance, zu wissen, worum es genau geht.
Piedro
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“Gibt es “oft fast” auch in Ziffern?”
Sicher, aber die Berechnungsbasis ist sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass die Eckwerte mancher Hersteller unrealistisch sind. Es kommt auf die Technologie an, das Gebäude, und auf die Stromquelle.
“Wie wäre es mit zwei, drei Sätzen als Zitat?”
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Wärmepumpen eine umweltfreundliche und ökonomisch sinnvolle Technologie ist. Auch in Bestandsgebäuden. In Altbauten fällt die Bilanz meist nicht so gut aus.
»Im Bestandsgebäudebereich werden oft die erforderlichen Heizkreistemperaturen im Normauslegungspunkt diskutiert, also die Heizkreistemperaturen bei sehr geringen Außentemperaturen um minus zwölf bis minus 16 Grad Celsius«, so Miara. So bitterkalte Tage treten jedoch nur äußerst selten auf. »Ausschlaggebend für die Effizienz sind daher vor allem die erforderlichen Temperaturen, wenn am meisten geheizt wird, also bei Temperaturen knapp über null Grad Celsius«, erklärt der Wärmepumpen-Experte. » Die seltenen Extreme fallen daher in der Jahresbilanz kaum ins Gewicht.«
Und:
“Die Energieverbräuche der Elektroheizstäbe, die bei besonders kalten Temperaturen die Wärmepumpe unterstützen, spielen bei den vermessenen Anlagen eine untergeordnete Rolle. Bezogen auf alle mit Elektroheizstab ausgestatteten Außenluft-Wärmepumpen (24 von 29) betrug der Anteil der Heizstabsarbeit 1,9 Prozent. Ein relevanter Heizstabbetrieb wurde lediglich infolge falscher Parametrierung, bei Defekten oder infolge von Legionellenvermeidung gemessen. Bei den Erdreich-Wärmepumpen nahmen nur zwei von zwölf Anlagen die Heizstäbe überhaupt in Betrieb.”
Quelle: https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2020/warmepumpen-funktionieren-auch-in-bestandsgebaeuden-zuverlaessig.html
Studie: https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/wpsmart-im-bestand.html