Eine Ikone der Regensburger Gewerkschaftsbewegung ist tot
Mit Irene Salberg verstarb am Mittwoch eine prägende Figur der Regensburger Gewerkschaftsbewegung. Ein Nachruf.
„Kalaschnikow“. Diesen Spitznamen haben sie Irene Salberg irgendwann gegeben. Und es war anerkennend gemeint. „Du kannst stolz sein, mit so einer Verhandlungsführerin im Betrieb aufzutreten“, hat ein Betriebsrat bei der Mittelbayerischen Zeitung einmal über die leidenschaftliche Gewerkschafterin gesagt. Obwohl sie eine Frau war und nicht aus der Branche kam, haben die Beschäftigten sie geschätzt und geachtet in der Druckindustrie und bei den Zeitungsverlagen in der Oberpfalz und Niederbayern, die sie fast 20 Jahre betreut hat.
Bei Tarifverhandlungen und Streiks wuchs die gerade einmal 1,58 große Frau regelmäßig um ein Vielfaches über sich selbst hinaus und wurde zum wortgewaltigen, kämpferischen Riesen, der Arbeitgebern auch mal entgegenschleuderte: „Wir sind nicht geil drauf, aber wenn die Arbeitgeber Streiks wollen, dann können sie die haben. Wir fürchten uns nicht.“
Das war 2008 vor dem Alten Rathaus in Regensburg, wo Salberg vor gut 800 Leute gesprochen hat. Beschäftigte der Stadt Regensburg, die ihrem Ärger über die damals seit zwei Monaten stockenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Luft machten.
Liebe zum Job und der Region
Damals war Irene Salberg schon stellvertretende Geschäftsführerin bei ver.di Oberpfalz, aber angefangen hat sie nach der Schule im Fernmeldeamt Regensburg, wo sie Vorsitzende im Personalrat und Mitglied im Gewerkschaftsrat der Deutschen Postgewerkschaft wurde.
Bei der HBV startete sie dann ihren Weg als hauptamtliche Gewerkschafterin und kam schließlich zur IG Medien. Ihre „Lieblingsgewerkschaft“ war das, weil deren Mitglieder politischer waren als anderswo. 60 Stunden die Woche hat Irene Salberg da manchmal gearbeitet, angetrieben von der „unbandigen Liebe“ zu ihrem Job. Und zu der Region hier, aus der sie nicht weg wollte – obwohl es entsprechende Angebote gab.
Für Regensburg erwies sich das als Glücksfall. Irene Salberg war mit ihrem politischen Bewusstsein und ihrer hantig-herzlichen Art eine der prägendsten Personen in der hiesigen Gewerkschaftsbewegung – auch noch nach ihrer hauptamtlichen Zeit.
Engagement auch nach der hauptamtlichen Zeit
Bei der Mittelbayerischen Zeitung hat sie mitgeholfen, dass dort ein Haustarifvertrag für die Beschäftigten erstritten werden konnte, ebenfalls bei der Passauer Neuen Presse. Als der MZ-Verlag sich 2015 der Drucker-Helfer möglichst billig entledigen wollte, die dort seit Jahrzehnten beschäftigt waren, hat sich Irene Salberg mit auf die Straße gestellt, obwohl sie den Stab als Gewerkschaftssekretärin da schon weiter gereicht hatte.
Vor dem Druckerzentrum prangerte sie die „unmoralische Beschäftigungspolitik“ des damaligen Eigentümers Peter Esser an. „Ihr Großvater würde Sie enteignen“, sagte Salberg damals, lange bevor Esser den Verlag an die PNP verkaufte. Am Ende gab es sehr hohe Abfindungen für die Betroffenen, die zuvor mit einem niedrig dotierten Sozialplan abgespeist werden sollten.
Dass die IG Medien 2001 in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aufging, hat ihr nicht wirklich gefallen. Ein „Verwaltungsmoloch“ sei das, wo vieles „unpolitisch und rückschrittlich“ sei, hat Irene Salberg 2008 einmal in einem Interview gesagt. „Eigentlich müssten wir schon längst die 30-Stunden-Woche fordern.“
Sendungsbewusstsein, die Welt zum Besseren zu verändern
Doch Irene Salberg hat ihre Möglichkeiten bei ver.di genutzt, um politische Akzente zu setzen – für Frauenrechte, internationale Solidarität, für Geflüchtete und für soziale Gerechtigkeit. Regelmäßig war sie auf der Straße dabei, wenn es gegen Neonazis ging oder gegen die AfD, die schon 2018 als die „völkischen Feinde der Demokratie“ bezeichnete. Dabei war Salberg stets von einem Sendungsbewusstsein getrieben, hat versucht, andere davon zu überzeugen, sich politisch zu engagieren, um etwas zum Besseren zu verändern.
„Um diesem ganzen Wahnsinn entgegenzutreten, sollten wir uns noch mehr einmischen, noch mehr Überzeugungsarbeit leisten, noch mehr Druck machen, noch mehr öffentlich protestieren für eine bessere, menschlichere, sozialere, gerechtere, solidarischere Welt und zum Erhalt unserer Erde“, hat sie bei einer Rede zum Internationalen Frauentag 2018 einmal gesagt.
Irene Salbergs Wunsch, einmal einen Generalstreik in der Bundesrepublik mitzuerleben, hat sich nicht erfüllt. Sie starb am vergangenen Mittwoch im Alter von 76 Jahren.
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