„Eine Forderung mit gutem Grund“: Im Regensburger Schutzhaus Michlstift gibt es ab sofort einen Pförtner
Als Reaktion auf die Berichterstattung über die Situation im Schutzhaus Michlstift, ist die Pforte nun ab sofort besetzt. „Das wird uns das Leben sehr erleichtern“, sagt dessen Leiter.
Merklich angefasst reagieren politische Vertreterinnen der Stadt Regensburg auf die Berichterstattung zur Situation im Schutzhaus Michlstift und die Entführung die dort am 19. April vorgefallen ist, vor allem auch auf die daraus entstandene öffentliche Debatte. Auf eine Anfrage von Stadträtin Evelyn Kolbe Stockert (SPD) in der Sitzung des Ferienausschusses bezeichnet Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer es – dabei zitiert sie etwas schlampig, um nicht zu sagen sinnentstellend – als „unerträglich“, dass sich Beschäftigte der Stadt Regensburg sich dazu anonym gegenüber Medien und im Forum von regensburg-digital geäußert haben.
Das sei „medial hochgekocht“ worden und die Berichterstattung „schon reißerisch“ gewesen. Der Forderung von Stadträtin Bernadette Dechant (CSU), bei unserer Redaktion auf die Suche nach den „internen Maulwürfen“ zu gehen, „die Kommentare verfassen, die mich in den Wahnsinn treiben“, erteilt die OB aber eine klare Absage. Sie gehe davon aus, dass es dazu von uns keine Informationen geben werde (Da hat sie recht.).
Pförtnerstelle erstmals im März 2022 beantragt
Auch Daniel Engelbrecht, zuständiger Abteilungsleiter für das Michlstift, moniert, dass die Berichterstattung über das Thema das Gefüge im Schutzhaus „ziemlich ins Wanken gebracht“ und „für Unsicherheit gesorgt“ habe. Er betont aber auf Nachfrage von Grünen-Fraktionschef Daniel Gaittet, dass man „einen guten Grund“ gehabt habe, erstmals im März 2022 eine Pförtnerstelle für das Michlstift zu beantragen.
Wie mehrfach berichtet, konnte das Gebäude bis vor kurzem von Unbefugten tagsüber problemlos betreten werden. Man konnte auch bis zu den Räumlichkeiten für die dort in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen gelangen. Seit Montag wird die Pforte nun von einem Beschäftigten des Jugendamts besetzt – vorübergehend, bis (und sofern) der Haushalt für das kommende Jahr mit dem entsprechenden Stellenplan beschlossen wird, wo die Pförtnerstelle eingeplant wäre.
Zuvor war das entsprechende Anliegen für eine solche Stelle, jährliche Kosten etwa 30.000 Euro, vom Personalamt zwei Mal, 2022 und 2023, „zurückgestellt“ worden, insbesondere, so teilte es die Pressestelle in der Vergangenheit mit, aufgrund der Haushaltslage der Stadt Regensburg.
„Das wird uns das Leben sehr erleichtern.“
Astrid Freudenstein, die in der Sitzung ausführlich Stellung nahm, wie schon zuvor in einem Interview mit unserer Redaktion, nahm das Personalamt in Schutz. Zwar habe auch sie diese Stelle immer befürwortet, aber diese sei weder Teil einer Sicherheitsarchitektur für das Michlstift, es sei keine Pflichtaufgabe und dies werde auch nicht von der Heimaufsicht gefordert.
Die Entführung im April hätte sich, angesichts der besonderen Umstände (siehe unser Interview) zudem wohl auch mit einem Pförtner nicht vermeiden lassen. Dennoch sei die Pforte nun schon früher besetzt worden, „angesichts des Aufruhrs und weil wir so ins Gerede gekommen sind“.
Engelbrecht merkt hingegen an, dass man mit dieser Stelle nun die Möglichkeit habe, die Eingänge für von außen kommende Personen zu verschließen. Man müsse sich jetzt erst anmelden und mit dem Pförtner unterhalten. „Das haben wir nachdrücklich immer so dargestellt und das wird uns das Leben sehr erleichtern.“
Im Michlstift wird „echte Knochenarbeit“ geleistet
Durch die Bank eine Lanze für die Beschäftigten im Michlstift brechen sowohl die politischen Vertreter wie auch jene des Jugendamts. Es sei „echte Knochenarbeit“, die dort geleistet werde und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befänden sich immer „an einem gewissen Limit“, so Freudenstein. Laut Daniel Engelbrecht wurden im Michlstift bislang über 200 in Obhut genommene Kinder und Jugendliche betreut. Dabei hätten die Beschäftigten „Hervorragendes geleistet“. Eine Sichtweise, der sich auch mehrere Stadträtinnen und Stadträte anschließen.
Daniel Gaittet wendet sich gegen die Medienschelte der OB. Nicht die Berichterstattung sei das Problem, sondern die Frage, warum man die Pforte trotz entsprechender Forderungen und spätestens nach der Entführung nicht schon früher besetzt habe. „Das war ja wirklich eine krasse Geschichte.“
„Absolute Sicherheit kann es nicht geben.“
„Wir sind das Jugendamt. Wir haben nur mit krassen Geschichten zu tun“, so die Reaktion von Volker Sgolik, Leiter des Amts für Jugend und Familie. Bei der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen befände man sich meist auf der „Schattenseite der Gesellschaft“. Deshalb sei das Michlstift auch wichtig als Einrichtung, um überhaupt einen Platz zu haben, wo man diese jungen Menschen vorübergehend unterbringen könne. „Wir machen dort das, was machbar ist“, so Sgolik vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und steigender Fallzahlen.
Absolute Sicherheit könne es dort aber auch im Schutzhaus nicht geben. Das Michlstift sei keine geschlossene Einrichtung, sondern auch eine Art Elternhausersatz, wo man unter anderem auch, wenn dies möglich ist, begleiteten Umgang mit den Eltern durchführt. Man sei bei den Inobhutnahmen immer in „extrem schwierigen Situationen“, in denen „großer psychosozialer Stress“ herrsche. Da könne man selbst für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nie hundertprozentige Sicherheit gewährleisten.
Daniel Engelbrecht spricht von einer „Verantwortungsgemeinschaft“, die von den Beschäftigten über das Führungspersonal und die Heimaufsicht bis hin zu den politischen Gremien reiche. „Die Verantwortlichkeiten werden nicht von Einzelpersonen getragen.“
Hottentotten Inn wird umbenannt
Angesichts von Stimmen, die Anstoß daran nahmen, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ab Oktober im Hottentoten Inn am Hafen untergebracht werden, stellte Bürgermeisterin Astrid Freudenstein klar, dass dieser Name, die Bezeichnung gilt als rassistische Abwertung, dann wegfalle. „Das ist dann das Gebäude am Auweg 1.“
El
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Gut, dass sich was bewegt hat!
Werden irgendwelche Konsequenzen aus dieser Erfahrung gezogen?
Man_frau sollte meinen, dass eine verantwortungsbewusste Politik danach sucht,
was falsch gelaufen ist
und nicht nach Maulwürfen ….
Aber der Blick in den Spiegel zwecks Selbstreflektion fällt einfach schwer.
Der Feststellung seitens Fr. Freudenstein: “Es sei „echte Knochenarbeit“, die dort geleistet werde und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befänden sich immer „an einem gewissen Limit“,
sollte doch eigentlich folgen, dass alles Menschenmögliche getan wird, um diese MitarbeiterInnen zu entlasten.
so dass sie eben nicht mehr an diesem gewissen Limit arbeiten müssen,
bis der Tropfen kommt, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Aber stattdessen werden liebe überflüssige Träume von Mobilitätsdrehscheiben zu 8 Millionen Euro visioniert. Für dieses Geld kann bspw. 300 Jahre lang ein Pförtner gezahlt werden oder x Dutzende von Jahren eine weitere pädagogische Fachkraft im Michlstift
Daniela
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@ El
28. August 2024 um 15:19 | #
Vollkommen richtig ihr Kommentar, stimme diesem vollumfänglich zu.
Zum Thema Selbstreflexion der Verantwortlichen, ich habe nichts dazu im Artikel gefunden, was auch nur annähernd diesen Begriff verdient.
Liebe OB, offensichtlich wurde den MA im Michelstift zuvor nicht zugehört und auf die Überlastungsanzeigen nicht oder nicht ausreichend reagiert, so dass sie sich keinen anderen Ausweg mehr fanden, außer sich öffentlich Unterstützung zu suchen. Man merke in diesem Zusammenhang: ‘ Der Fisch stinkt am Kopf zuerst. ‘
Vielleicht sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit nicht auf die MA im Michelstift legen, sondern auf deren Vorgesetzte.
Stunkfrau Maria
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Welch mittelalterliche Reaktionen von Seiten politisch Verantwortlicher auf ein verantwortungsbewusstes Handeln der dort arbeitenden Leute. Die sind sich scheinbar der Vulnerabilität und Lebenswelt ihres Klientels als einzige bewusst. Und weil sie intern nicht gehört wurden-und es in ihrem Job um viel geht-haben sie sich an Medien gewandt. Und nun findet wohl eine Art Hexenjagd statt… Hier könnten sich Betroffene an Gewerkschaften wenden. Sicherlich interessiert so ein Vorgehen auch den Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) wenn für die Stadt scheinbar ihr Ruf über der Sicherheit von Kindern und Jugendlichen zu stehen scheint.
Dare
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Applaus @ El
Gabi
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Und ich dachte das Schutzhaus Michlstift sei bereits perfekt abgesichert. Seid Jahren ist eine Absperrung entlang der Weitoldstraße. Der Gehweg ist in diesem Bereich auf 40 m nicht nutzbar. Der Fußgänger muß auf die schmale Straße ausweichen.
Lutherer
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Ich frage mich was mit den Maulwürfen geschehen soll, ist ihre Art doch streng geschützt.
Mirtl
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Hach schön, die Bernadette wieder :)
“In der Redaktion nach den Maulwürfen suchen” – wie meinen? A la FSJ damals beim Spiegel, einfach reinrumpeln wie eine Elefantin im Porzellanladen?
Und was heißt überhaupt “in den Wahnsinn treiben”? Das würde ja bedeuten, dass da noch… Ok ich verkneif es mir einfach!
Mark
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So gesehen muss man der Stadtverwaltung auch ein wenig dankbar sein, es wird nicht langweilig, selbst in der sonst eher langweiligen Ferienzeit. Ich war vor einiger Zeit im Ausland und selbst da wundert man sich mittlerweile nur noch über Regensburg. Warum nicht die Mitarbeiter(innen) für ihr Enganement und Knochenarbeit auszeichnen, anstatt sie “zur Fahndung auszuschreiben”. Oder gleich einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten?.
“Wir sind das Jugendamt. Wir haben nur mit krassen Geschichten zu tun.” Könnte aber auch heißen: “Wir sind in Regensburg, wir haben nur mit krassen Geschichten zu tun”. Luxusklo ohne Sitzgelegenheit, defekte Brunnen, desolate und versiffte Friedhofstoiletten, gekündigtes Bürgerbüro ohne Ersatz, monatelanges Warten auf Entscheidungen Antragsstellung, Warteschlangen vor Ämtern, Parkhäuser, die keiner nutzen will, und vieles mehr. Damit man dies nicht in den falschen Hals bekommt, viele Mitarbeiter(innen) sind sehr hilfbereit und stehen mit Rat und Tat zur Seite, bekommen aber von “oben” nicht die nötige Rückendeckung und Unterstützung, die sie verdient hätten.
Die Forderung von Frau Dechant eine Suchaktion bei einem Presseorgang zu initieren, ist nun wirklich mehr als weit hergeholt, zeigt aber auch, wie weit man sich von den Wählern bereits entfernt hat. Der Vorgang “Spiegel” ist mir aber auch sofort in Erinnerung gekommen. Vielleicht sollte man auch mal, wie bei der Spiegel-Geschichte, die Erlebnisse in Regensburg dokumentarisch verfilmen. Stoff genug wäre vorhanden. Jetzt spukt es mir im Kopf herum, welche Schauspieler die hiesigen Akteure wohl darstellen könnten?