„Ein Sicherheitsrisiko für den sozialen Frieden“
Anfang des Jahres machte ein Gebäude der Stadtbau GmbH Schlagzeilen. Zum Teil seit drei Jahren steht in der Alfons-Bayerer-Straße ein Großteil der 57 Wohnungen in einem 14stöckigen Hochhaus leer. Geschäftsführer Joachim Becker sprach gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung damals von einem nicht vermeidbarem Leerstand. Die städtische Tochter wolle das Gebäude sanieren und vermiete deshalb keine leer werdenden Wohnungen neu. Es seien aber einige „Hartleibige“, die in den Wohnungen blieben und sich nicht zum Auszug bewegen ließen. Im Februar wurde den sechs verbliebenen Mietparteien „modernisierungsbedingt gekündigt“, wie es in einer Pressemitteilung der Stadtbau heißt. Für Werner Hinreiner und Kurt Schindler vom Mieterbund Regensburg steckt dahinter ein System zur Mietervertreibung.
Herr Hinreiner, Herr Schindler, darf denn die Stadtbau keine Wohnungen aus ihrem Bestand sanieren?
Hinreiner: Um die Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum zu versorgen, ist es natürlich notwendig, Wohnungen zu erhalten, also auch zu modernisieren. Eine Modernisierung darf aber auf keinen Fall zur Vertreibung von Bestandsmietern führen. Bei der Stadtbau beobachten wir aber schon seit längerem genau dieses Vorgehen: eine Entmietungsstrategie, die ihrem sozialen Auftrag eklatant widerspricht.
“Die Stadtbau verhält sich rechtswidrig.”
Wenn aber nun mal ein Gebäude zur Modernisierung ansteht, wie es Herr Becker im Fall der Alfons-Bayerer-Straße erklärt hat, muss es doch möglich sein, diese Modernisierungen durchzuführen.
Hinreiner: Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind die Rechte und Pflichten von Mietern für den Fall einer bevorstehenden Modernisierung klar festgelegt. Insbesondere gehören dazu ein sozialverträglicher Umgang mit den Mietern und Transparenz über die notwendigen Maßnahmen. Die Stadtbau GmbH verhält sich da nach unseren Erfahrungen rechtswidrig und erfüllt diese Pflichten nicht.
Inwiefern?
Hinreiner: Ein Vermieter ist verpflichtet, spätestens drei Monate vor Beginn einer Modernisierungsmaßnahme, den Mietern schriftlich deren Art und Umfang mitzuteilen, ebenso den voraussichtlichen Beginn und die Dauer der Arbeiten. Außerdem müssen die Betroffenen über die zu erwartende Mieterhöhung und die Betriebskosten informiert werden. Dann, und nur dann kann der Mieter prüfen, und entscheiden, ob er diese Maßnahme dulden muss oder ob die Maßnahme für ihn eine besondere Härte bedeuten würde, die den Interessen des Vermieters entgegensteht. Auch darauf müsste die Stadtbau die Betroffenen ausdrücklich hinweisen.
Schindler: Tatsächlich ist es aber so, dass sich die städtische Tochter in aller Regel darauf beschränkt, in einem Rundschreiben „an alle Mieter“ die beabsichtige Maßnahme – ohne nähere Hintergründe – anzukündigen und dann zu einem sogenannten „Informationsgespräch“ einzuladen. Schon eine so lapidare Ankündigung versetzt viele Mieter in Angst und Schrecken. Ohne irgendeine Beschreibung, geschweige denn einem Nachweis zur Bausubstanz ist ein Mieter nicht in der Lage, zu prüfen, ob die Modernisierungsmaßnahme tatsächlich erforderlich ist oder nicht. Außerdem fürchten sie die Kosten eines Umzugs und Schwierigkeiten bei der Suche nach einer neuen Wohnung.
“Einer Modernisierung mit Augenmaß wird sich niemand widersetzen.”
Gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung hat Herr Becker davon gesprochen, dass man die Gespräche mit den Mietern in der Alfons-Bayerer-Straße mit größerer Geduld führe, als dies irgendein privater Unternehmer machen würde. Insofern scheint die Stadtbau doch bemüht, hier einvernehmliche Lösungen zu finden. Es blieben am Ende aber ein paar „Hartleibige“, mit denen eine Einigung nicht möglich sei.
Hinreiner: Unsere Erfahrung ist eine andere. Darüber, dass die Mieter gegenüber der Stadtbau GmbH eine gesetzlichen Anspruch darauf haben, alle Kosten erstattet zu bekommen, die ihnen durch eine Modernisierungsmaßnahme entstehen, klärt die städtische Tochter sie nicht auf. Tatsächlich werden die Kosten für solche Aufwendungen – zum Beispiel einen Umzug – nur in Ausnahmefällen und stets erst auf massiven Druck hin erstattet.
Schindler: Wenn Herr Becker Mieter, die sich entscheiden, in ihrer Wohnung zu bleiben, als „Hartleibige“ bezeichnet, dann ist das nicht nur beleidigend, sondern eine Verdrehung der Tatsachen.
Tatsache ist aber doch, dass eine Modernisierung des Gebäudes notwendig zu sein scheint und diese laut Aussage von Herrn Becker nur durchgeführt werden kann, wenn das Gebäude leer ist. Halten Sie es für gerechtfertigt, wenn sich nun einzelne Mieter dieser Maßnahme widersetzen?
Schindler: Einer Modernisierung mit Augenmaß und Rücksicht auf die Mieter wird sich niemand widersetzen. Dazu ist aber eine umfassende und wahrheitsgemäße Information über Erfordernis, Ausmaß und Kosten der Maßnahme notwendig. Die Mieter müssen erfahren, ob nicht zum Beispiel lediglich ein Reparaturstau aufgeholt werden soll, der durch jahrelanges Unterlassen von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten entstanden ist.
Hinreiner: Modernisierungskosten können auf die Mieter umgelegt werden, Kosten zur Instandhaltung sind nicht umlagefähig. Die müsste der Vermieter – in diesem Fall die Stadtbau – tragen. Ohne ausreichende Information kann ein Mieter nicht prüfen, ob eine geplante Maßnahme zur angeblichen Energieeinsparung tatsächlich effizient ist und für ihn wirklich zu einer Ersparnis führt.
Aber nochmal: Herr Becker hat erklärt, dass sich die Stadtbau mehr Zeit lasse, um mit den Mietern zu verhandeln und diese zum Ausziehen zu bewegen. Deswegen sei der Leerstand der anderen Wohnungen nicht vermeidbar. Das ist doch ein Zustand, der auf Dauer nicht tragbar ist.
Schindler: Die Beteuerung von Herrn Becker, dass man den verbliebenen Mietern Zeit lassen wolle und es deswegen nicht zu vermeiden sei, dass Wohnungen über Jahre leerstehen, ist doch nur eine Schutzbehauptung.
Hinreiner: Das soll darüber hinweg täuschen, dass die Stadtbau gar keine rechtlich zulässigen Mittel hat, die Mieter zum Auszug zu zwingen. Dazu müsste die Stadtbau nämlich zunächst einmal die gesetzlichen Informations- und Fürsorgepflichten erfüllen. Stattdessen greift die städtische Tochter aber zu Mitteln, die von raffgierigen Investoren und Miethaien praktiziert werden: Vertreibung unter Umgehung des Rechts.
Umgehung des Rechts – können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Hinreiner: Diejenigen, die gleich nach der Modernisierungsankündigung das Weite suchen, weil sie sich dem Stress einer Auseinandersetzung mit der Stadtbau nicht aussetzen wollen, erhalten zum Beispiel keine Ersatzwohnung und werden für ihre Aufwendungen nicht entschädigt, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten.
Schindler: Dann stehen ihre Wohnungen jahrelang leer, statt sie bis zum Beginn der Arbeiten befristet an bedürftige Personen zu vermieten. Dabei gäbe es genügend Bewerber: Alleinerziehende, anerkannte Asylbewerber oder Familien von Kindern in Notlagen könnten so für eine Übergangszeit Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. In Zeiten der Wohnungsnot Wohnraum leerstehen zu lassen, ist eine Sünde. Mit einer Zweckentfremdungssatzung hätte man dem entgegenwirken und das Leerstehenlassen von Wohnungen über einen längeren Zeitraum sanktionieren können. Allerdings hat der Stadtrat kürzlich entschieden, dass eine Satzung vorläufig nicht nötig ist. Jetzt kann man darüber spekulieren, auf wessen Betreiben das geschehen ist.
“Die Mieten nach der Modernisierung sind nicht mehr bezahlbar.”
Aber noch einmal zurück zur Modernisierung der Wohnungen. Wenn diese durchgeführt wurde, könnten ja die betroffenen Mieter wieder zurückkehren.
Schindler: Das können sie nicht oder zumindest nur die wenigsten. Die Mieten, die nach der Modernisierung verlangt werden, sind für die meisten nicht mehr bezahlbar. Insofern ist die Wohnung für sie auf Dauer verloren. Bei der Neuvermietung modernisierter Wohnungen gibt es keine Begrenzung. Weder gibt es keine Kappungsgrenze, noch gilt die Mietpreisbremse. Die Stadtbau ist bei diesem Spiel die einzige Gewinnerin. Die Mieter haben das Nachsehen.
Was würden Sie sich von der städtischen Tochter wünschen? Was sollte sich ändern?
Hinreiner: Der Aufsichtsrat der Stadtbau hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass geltendes Recht eingehalten wird und das Unternehmen seinem sozialen Auftrag nachkommt. Im Moment können wir aber nicht erkennen, dass der Aufsichtsrat dieser Aufgabe gerecht wird.
Schindler: Bis zur Berufung von Herrn Becker zum Geschäftsführer hat die Stadtbau ihre Aufgabe verantwortungsvoll und sozialverträglich wahrgenommen. Doch seitdem steht die Geschäftspolitik der städtischen Tochter unter dem Motto der Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf die Interessen ihrer Mieter. Die Praxis der Mietervertreibung ist dafür ein schlagendes Beispiel. Eine solche Politik ist ein Sicherheitsrisiko für den sozialen Frieden.
erich
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der Mietspiegel ist kein Naturgesetz, sondern ein von der Politik, Verbänden und verschiedenen Interessensgruppen geschaffenes künstliches Konstrukt! Hohe Mieten sind nicht immer und unbedingt ein Folge von Angebot und Nachfrage, sondern oft künstlich herbeigeführt, z.B. durch gezielten Leerstand u.a., um andere Ziele zu erreichen! Z.B. die Bevölkerungsstruktur einer Stadt zu steuern und umzuwälzen, alteingesessene Bewohner mit beschränkten finanziellen Mitteln zu deplazieren um Platz für Neue zu schaffen, die z.B. die Sozial- und Einkommensstruktur aufwerten, indirekt zukünftige Wahlergebnisse durch Konzentration und Deplazierung von Gesellschaftsmilieus beeinflussen, potentielles Protestpotential vertreiben. Denn merke, Mietspiegel wurde ursprünglich eingeführt um Mietwucher zu unterbinden. Mittlerweile dient er Immobilienbesitzern als Garant für stetige Mietzuwächse.
kürzlich war zu lesen:
Mieterbund: Zwei Millionen Sozialwohnungen fehlen, jedes Jahr gehen zwischen 60.000 und 80.000 Sozialwohnungen verloren. Aus den Antworten des Bundesbauministeriums auf parlamentarische Anfragen geht hervor.
In Deutschland fehlen nach Berechnungen des Deutschen Mieterbunds (DMB) mindestens zwei Millionen Sozialwohnungen. „Um genug Wohnraum für einkommensschwache Haushalte, aber auch für Durchschnittsverdiener zu haben, brauchen wir 3,5 bis vier Millionen Wohnungen“, sagte DMB-Sprecher Ulrich Ropertz. Derzeit gebe es aber nur 1,5 Millionen Wohnungen, Tendenz sinkend. „Jedes Jahr gehen zwischen 60.000 und 80.000 Wohnungen verloren“, kritisierte Ropertz. Schuld seien die Länder, die nicht genügend in den Neubau investierten. Tatsächlich ist trotz des Mangels an bezahlbaren Wohnungen besonders in den Ballungszentren die Zahl der öffentlich geförderten Sozialwohnungen in Deutschland auf einen Tiefststand gesunken – im Jahr 2013 um 63.500 Wohnungen auf 1,48 Millionen, das ist ein Rückgang um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit dem Jahr 2011 sind es sogar 11,2 Prozent weniger.
Und wer dafür sorgt, das immer mehr Menschen auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass immer weniger günstiger Wohnraum zur Verfügung steht, der schafft absichtlich und gewollt Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit. Somit nur ein weiterer Baustein im Projekt der Prekarisierung von Teilen der Bevölkerung.
mietervertreter
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Wirklich ein übler Vermieter, die Stadtbau.
Meine wiederholte Erfahrung:
Nach der Anzeige von mietmaengeln passiert – gar nichts ! Mahnung wiederholt, und die stadtbau zuckt sich erneut nicht.
Erst nach Drohungen und persönlichen anrufen wirst du dort überhaupt zur Kenntnis genommen.
Umgekehrt im Fall einer Mieterhoehung durch die stadtbau geht es ruckzuck mit klageandrohung und dann Klage.
Ein unsozialer bis asozialer Vermieter.
peter sturm
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unerträglich ist wie unsere politiker diesem treiben zusehen. bitte nehmt die hände endlich aus dem schoß!
Spontanfrustrierter
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GottseiDank kommen die Gewinne aus der Autobahnmaut, sofern es überhaupt welche geben sollte, dem Verkehrsministerium zugute. Tatkräftig , wie ich den Hr. Dobrindt kenne, wird er sicher gleich ein paar (Soda-?) Brücken bauen, und schwuppsdiwupps haben ein paar so Globalisierungslooser wieder ne Bleibe..
*sarkasm off*
Progl
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Interessant dazu auch die Aussage der Oberbürgermeisterin, wonach die Stadtbau (am Mietspiegel orientierte) Preiserhöhungen verfolge um neuen Wohnraum zu schaffen.
Eine zweifelhafte Strategie, die letztlich die Mietpreisentwicklung weiter anheizt und bezahlbaren Wohnraum für sozial Schwächere weiter ausdünnt.