„Ein Porsche, den wir uns nicht mehr leisten können“: Ganztagskonzept am Regensburger VMG soll umgestellt werden
Ein Brief des Elternbeirats am Von-Müller-Gymnasium kritisiert die geplante Umstellung des Ganztagesangebots. Die Stadt begründet die Änderungen mit Lehrkräftemangel, fehlender Förderung durch den Freistaat und angespannter Haushaltslage.
Es zeichnet sich ein hitziger Diskussionsabend ab, wenn die Regensburger Bildungsreferentin Dr. Sabine Kellner-Mayrhofer am kommenden Dienstagabend das Von-Müller-Gymnasium (VMG) besucht. Das VMG ist das einzige Gymnasium in städtischer Trägerschaft. Der wesentliche Unterschied: Im Gegensatz zu den staatlichen Gymnasien finanziert die Stadt Regensburg hier nicht nur den Gebäudeunterhalt, Hausmeister, Sekretärinnen und Schulbücher, sondern auch die Lehrkräfte.
Diese Lehrkräfte sind städtische Beamte, deren Gehälter nur zu 61 Prozent vom Freistaat Bayern refinanziert werden. Zudem wird die Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung am VMG, anders als an den staatlichen Gymnasien in Regensburg, von Lehrkräften übernommen. Doch dieses 2015 eingeführte „Leuchtturmprojekt“ steht in seiner bisherigen Form vor dem Aus.
Elternbeirat: „Für die Bildung unserer Kinder muss das der Standard sein.“
Bereits im Dezember kündigte Kellner-Mayrhofer bei einem Treffen des Schulforums, an dem Eltern- und Schülervertretungen sowie Lehrkräfte und die Schulleitung teilnahmen, das Ende der Nachmittagsbetreuung durch Lehrkräfte an. Sie bezeichnete diese Betreuung als „Luxus“, einen „Porsche, den wir uns nicht mehr leisten können“.
Sollte der Stadtrat der geplanten Umstellung zustimmen, wird die Betreuung künftig von einem Träger der freien Jugendhilfe übernommen – vermutlich durch Sozialpädagogen. Zudem soll das Angebot deutlich reduziert werden, heißt es in einem Brief des Elternbeirats. Seit dieser Ankündigung brodelt es an der Schule.
In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, kritisiert der Elternbeirat insbesondere die Bezeichnung des aktuellen Konzepts als „Luxus“ und „Porsche“. „Für die Bildung unserer Kinder muss das der Standard sein“, heißt es darin. Das Konzept sei ein Alleinstellungsmerkmal des (neben den Domspatzen) einzigen musischen Gymnasiums in Regensburg.
„Solidarität zeigen und an die bereits geleistete Arbeit an unseren Kindern erinnern.“
Es gewährleiste eine fachkundige Betreuung durch vollausgebildete Lehrkräfte, stärke die Schulfamilie und fördere „Chancen- und Bildungsgerechtigkeit für alle Schüler“, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Die Eltern werden aufgefordert, sich an die Stadtspitze und die Stadträtinnen zu wenden, um die Umstellung doch noch zu verhindern.
Es sei nämlich völlig unklar, welches Konzept künftig angewendet wird. Dieses werde vom freien Träger erstellt, den die Stadt Regensburg noch sucht. Zudem können im Gegensatz zum bisherigen Konzept nur noch Schüler die Betreuung, Wahlfächer und Workshops am Nachmittag in Anspruch nehmen, die an mindestens zwei Tagen daran teilnehmen. Ansonsten gibt es vom Freistaat nämlich keine Förderung.
„Auch wenn es nicht alle Eltern betrifft, sollten wir doch Solidarität zeigen und an die bereits geleistete Arbeit an unseren Kindern erinnern“, heißt es in dem Brief des Elternbeirats. Es gelte, die Schulfamilie zu stärken und sich gemeinsam für die Beibehaltung des bestehenden Konzepts einzusetzen.
Stadt: „Bei angespannter Haushaltslage müssen freiwillige Leistungen reduziert werden.“
Die Stadt Regensburg rechtfertigt die geplante Umstellung gegenüber unserer Redaktion mit dem Mangel an Lehrkräften im Zuge der Wiedereinführung des G9, den Förderrichtlinien des Freistaats Bayern und der „besonders angespannten Haushaltslage“. In solchen Zeiten sei man gezwungen, „freiwillige Leistungen konsequent zu hinterfragen und gegebenenfalls zu reduzieren“.
Die Stadt trage Verantwortung für die gesamte Bildungslandschaft in Regensburg. Deshalb sei es „nicht zu verantworten, dass im städtischen Gymnasium zusätzliche Ressourcen an Lehrkräften im Offenen Ganztag gebunden werden“. Allein am VMG würden durch das G9 sieben zusätzliche Lehrkräfte benötigt. Deren Einsatz am Nachmittag werde durch den Freistaat überhaupt nicht bezuschusst, die Arbeit eines freien Trägers hingegen schon.
„Daher wird dem politischen Entscheidungsgremium vorgeschlagen, dass künftig Lehrerwochenstunden, die bisher für Hausaufgabenbetreuung und Workshops im Offenen Ganztag gebunden sind, für den Pflichtunterricht eingesetzt werden. “ Dieser sei notwendig, „um für alle Gymnasien in Regensburg den Pflichtunterricht zu gewährleisten“.
Keine Antwort zur Frage nach Kosten und Einsparung
Das Betreuungsangebot werde sich vom Umfang her nicht reduzieren, widerspricht die Stadt den Befürchtungen des Elternbeirats. „Eine Betreuung am Nachmittag ist weiterhin gewährleistet, der dem Schulprofil zuträgliche Wahlunterricht sowie ein ausgeweitetes Intensivierungsangebot bleibt als freiwillige Leistung der Kommune erhalten. “ Die Entscheidungshoheit über das Betreuungskonzept bleibe in den wesentlichen Punkten bei der Schule.
Antworten auf Fragen zu den bisherigen Kosten und Einsparungen durch die geplante Umstellung bleibt die Stadt Regensburg schuldig. Dem Vernehmen nach soll es um einen hohen sechsstelligen Betrag pro Jahr gehen. Die Stadt legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass die Kommune für Zusatzangebote am späteren Nachmittag Gebühren erheben könne, man in Regensburg aber darauf verzichte. Ob sich die Eltern am VMG von dieser Linie überzeugen lassen, wird sich am kommenden Dienstag zeigen.
Trackback von deiner Website.
Kreisky
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Parallel zu diesen Entwicklungen steigen übrigens auch gerade vielerorts die Betreuungskosten in Kitas und Kindergärten, sowohl städtisch auch als privat. Die letzte Erhöhung in unserem Fall (Betriebskindergarten, Träger Johanniter) war erst im September, nun kommt die nächste. In der direkt benachbarten Betriebskita werden satte 100€ mehr im Monat verlangt. Dabei läuft die Betreuung selbst gefühlt seit Jahren im Spar- bzw. Notmodus. Dieses Betreuungssystem wird mittelfristig zusammenbrechen, wenn sich nichts gravierend ändert, oder es wird eine reine Besserverdienendenveranstaltung, bei der es egal ist, ob die Kita 300 oder 900€ im Monat kostet.
Spartacus
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Na was habt ihr denn gedacht wo zuerst eingespart wird? An menschenfeindlicher Architektur wohl kaum!
PS: Und am anderen Ende der Alterspanne natürlich auch nicht, schließlich ist der 60. Geburtstag, gerade der häufigste in Deutschland. In 10 Jahren dann der 70. nur damit jede:r weiß für wenn in „Zukunft“ Politik gemacht wird.
Mr. B.
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Vielleicht hat die Stadt noch einige Mäzene, welche sich an der Weiterführung großzügig und ohne großen Presserummel beteiligen?
Es sollte viel mehr gespart werden, jedoch nicht bei Kindern, Schülern, welche unsere Zukunft bilden.
Zu Spartacus: Aber letztendlich kann nicht alles subventioniert werden.
Insider
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@Kreisky
Das System ist schon seit Jahren zusammengebrochen, genauso wie das Gesundheits- und Pflegesystem auch, möchte nur niemand zugeben, aber schaun sie sich doch nur die Verhältnisse an in denen Kinder und Pflegebedürftige teilweise „betreut“ werden, das hat mit Menschlichkeit und Professionalität rein gar nichts mehr zutun.
Zusammenbruch bedeutet nicht immer, alle sterben oder werden offen vernachlässigt, in diesen Fällen ist das eben alles stiller und verdeckter, weil die Menschen um die es geht, sich in der Regel noch nicht, oder nicht mehr äußern können und die meiste Zeit leider nur einer sehr geringen gesellschaftlichen Kontrolle unterliegen.
Aber Glauben sie mir Vernachlässigung, Gewalt und teilweise auch Tod sind in vielen Institutionen mehr die Regel als Ausnahme.
Und das nicht, das möchte ich betonen, weil die Menschen in diesen Berufen bösartig sind, sondern weil sie es aufgrund des systematischen Versagens der Politik der letzten 30-40 Jahre in diesem Bereich, nicht mehr stemmen können!
Daniela
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@Spartacus
30. Januar 2025 um 14:20 | #
Ihr Kommentar ist respektlos. Ihnen ist schon klar, dass alles, woraus die junge Generation nutznießt, der Hände Arbeit der älteren Generation ist.
Und wir dürfen daran erinnern, viele von diesen “Alten”, haben schon 30 oder 40 Jahre gearbeitet, haben Sozialleistungen mit ihrer Arbeit erst möglich gemacht.
Ich finde diese Generationenspalterei zum Kotzen.
Zum Thema, wenn für den Pflichtunterricht Lehrkräfte an anderer Stelle frei gesetzt werden müssen, um eben Pflichtuntericht zu gewährleisten, dürfte es vertretbar sein, dass außerhalb des Pflichtunterichts andere PädagogInnen die Betreuung aufrecht erhalten.
Die Schülerinnen anderer Schulen haben auch das Recht auf FachlehrerInnen und die Erfüllung des Pflichtunterichts. Und bei derzeitigen Fachkräftemangel müssen vorhandene Kapazitäten sinnvoll für alle eingesetzt werden.
Bernhard
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Hm, wieviel gibt die Stadt nochmal für das Thema Fussball aus?
Marina
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Konsequenzen der geplanten Einsparungen seitens Frau Kellner-Mayrhofer laut dem Artikel:
– weniger Unterstützung und Qualität für die Schülerinnen und Schüler:
Die Qualität ist eine andere, wenn die ausgebildete Fachlehrkraft, die die Schüler vormittags unterrichtet, den Schülern am Nachmittag Fragen zur Hausaufgabe beantwortet, individuell differenziert und fördert sowie für Fragen stets bereits steht – als wenn ein Sozialpädagoge oder Student dieser Tätigkeit nachkommt. Viele Eltern spar(t)en sich auf diese Weise die Nachhilfe. Somit kann (konnte?) jedem Kind, unabhängig vom Einkommen der Eltern, eine Art Nachhilfe gewährleistet werden.
– weniger Freude und Spaß, Gemeinschaftsgefühl am VMG:
Je nachdem, was noch am Nachmittagsprogramm, welches von ausgebildetem Personal gegeben wird (wurde?), gekürzt werden soll, leiden Gesundheit der Kinder, Gemeinschaftsgefühl, Freude und Spaß darunter – denn wie viel Freude haben Schüler, wenn nur noch der Kernunterricht gehalten werden soll?
Und wie viel Mehrarbeit und -kosten haben Eltern, die ihre Kinder nachmittags zu Freizeitaktivitäten fahren dürfen?
Die Schule VMG konnte bisher mit ihrem breit gefächerten Angebot – von Seiten ausgebildeter Fachlehrkräfte – punkten. Hoffen wir, dass die Schule weiterhin so attraktiv bleibt, wie sie jetzt ist.
Dieter
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@Daniela
Mit deinem Kommentar gibst du Spartacus letztendlich Recht: wer nicht arbeitet, ist weniger wert. Wer zahlt dann eigentlich die Rente?
Und nein, Sozialpädagogen, die dann halbtags die Nachmittagsbetreuung übernehmen sollen, wachsen auch nicht auf Bäumen. Sowas füllt man dann nämlich mit fachfremden Studenten und Minijobs auf.
Aktuell ist in Deutschland die Geburtenrate auf einem europäischen Tiefpunkt – u.a. liegt das nämlich an der mangelhaften Kinderbetreuung.
E. B.
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„Daher wird dem politischen Entscheidungsgremium vorgeschlagen, dass künftig Lehrerwochenstunden, die bisher für Hausaufgabenbetreuung und Workshops im Offenen Ganztag gebunden sind, für den Pflichtunterricht eingesetzt werden. “ Dieser sei notwendig, „um für alle Gymnasien in Regensburg den Pflichtunterricht zu gewährleisten“.
-》 Was hat eine städtische Schule mit Lehrkräften von staatlichen Schulen zu tun?? Das städtische VMG gewährleistet keinen Pflichtunterricht für unsere durchwegs staatlichen und privaten Gymnasien in Regensburg – die Aussage ist einfach falsch!
… um damit auch die Daniela aufzuklären.