Menschenrechte nicht einfach wegwischen
Mit einer Reise zu den Flüchtlings-Camps in Deutschland protestiert Mohammad Hassanzadeh Kalali seit Dienstag gegen die Residenzpflicht für Asylbewerber. Ein kurzer Zwischenbericht.
„Warum wird mir gesagt, ich hätte mich im Iran einfach ruhig verhalten und nicht protestieren sollen?“ „Was ist in Deutschland ein politischer Flüchtling? Können das nur Ghandi oder Nelson Mandela sein?“ „Mir ist schon klar, dass Asyl- und Flüchtlingspolitik problematisch sind. Dass es dabei um Geld geht und dass es am Ende immer die Flüchtlinge sind, die dafür verantwortlich gemacht werden, wenn es wirtschaftlich schlecht läuft. Aber Asyl ist ein Menschenrecht. Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das kann auch der deutsche Staat nicht einfach wegwischen.“
Es sind Selbstverständlichkeiten über die Mohammad redet und die er in Frage stellt. Wir unterhalten uns auf Englisch, Deutsch und mit Händen und Füßen. Manchmal merkt man ihm an, dass er sich ärgert, darüber, dass er das, was er sagen will, noch nicht richtig in Worte fassen kann. Obwohl er seit vier Monaten Deutsch lernt. Vier Monate – so lange protestiert er schon auf der Straße gegen die deutsche Flüchtlingspolitik – zuerst über 100 Tage in Würzburg, jetzt seit zwei Wochen in Regensburg. Dort, in den Protest-Camps, gibt es Unterstützer, die Deutschunterricht geben. Ganz im Gegensatz zu den „Gemeinschaftsunterkünften“, in die man Flüchtlinge versteckt, zusammenpfercht und zum Nichtstun verdonnert.
„Du bekommst was zu essen und einen Platz zum Schlafen. Das was man zum Leben braucht. Aber ein Leben ist das nicht“, sagt Mohammad. Vor allem dann nicht, wenn man – wie er – über ein Jahr darauf warten muss, ob er nun als Flüchtling anerkannt wird oder nicht. Ein Grund, den Kopf einzuziehen, sich ruhig und devot zu verhalten, ist das für den 34jährigen nicht. Gerade verstößt er bewusst gegen die Residenzpflicht, die der deutsche Staat ihm verordnet hat. Wir sitzen im Zug nach Bamberg, fahren später weiter nach Aub, einem beschaulichen Städtchen in der Nähe von Würzburg, bis Donnerstag will Mohammad in Düsseldorf sein. Niemand könne verhindern, dass er seine Freunde in den anderen Protestcamps besuche, sagt er, „auch der deutsche Staat nicht“.
Am Dienstag behält Mohammad recht. Obwohl wir immer wieder Bahnpolizisten begegnen, bleiben Kontrollen aus. Wir erreichen Bamberg (wo die Stadt dem Camp – im Gegensatz zu Regensburg – übrigens problemlos Strom zur Verfügung stellt) ebenso unbehelligt wie am frühen Abend Aub. Dort fährt gerade ein Krankenwagen am Protest-Camp auf dem Stadtplatz vor: Einer der acht Männer, die sich seit neun Tagen im Hungerstreik befinden, ist gerade zusammengeklappt.
Regensburger
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Ich verstehe manchmal die Leute nicht, die nach der Gerechtigkeit schreien und unsere Gesetze wollen nicht respektieren.
Mohammad Hassanzadeh Kalali protestiert gegen bayerisches Asylrecht.
Mohamed widerruft sich an unser Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar, aber er selbst ignoriert unsere Gesetze. Mohamed lässt sich nicht vorschrieben was er darf und was nicht. Er reist durch die Republik, obwohl……. Sicherlich weiß auch Mohamed, dass im Grundgesetz steht:
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das bedeutet alle Menschen müssen auch unsere Gesetze respektieren und nicht ignorieren.
Birke
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“Ich verstehe manchmal die Leute nicht, die nach der Gerechtigkeit schreien und unsere Gesetze wollen nicht respektieren.”
Es gibt Leute, die lassen nur die Gesetze gelten, die sich positiv für sie auswirken.
mkveits
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„Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
Bertolt Brecht
Es erscheint angebracht, den immer nur ansatzweise zitierten Artikel 1 GG in Gänze in Erinnerung zu bringen. Es geht um die “Achtung und den Schutz” der Menschenwürde als unser aller Verpflichtung. Und insoweit versagen die zuständigen Bezirksregierungen in Bayern. Hat nicht das BVerfG in seinem jüngsten Urteil (Verfassungswidrigkeit des reduzierten Hartz IV-Satzes) sinngemäß ein Minimum an gesellschaftlicher Teilhabe auch des Asylbewerbers verlangt?
@ Regensburger, der sich sicherlich auch zu Artikel 1 bekennt, möge sich selbst in die von dem Widerständler geschilderte Situation versetzen, die er vorstehend wie folgt umschreibt:
„Du bekommst was zu essen und einen Platz zum Schlafen. Das was man zum Leben braucht. Aber ein Leben ist das nicht“, sagt Mohammad – mMn zurecht.
Text Artikel 1 GG
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Luna Schneck
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Ich bin auch gegen Menschenrechtsverletzungen. Aber Mohamed soll doch wohl erst mal in seinem Land beginnen sich aufzuregen, nicht unser Geld nehmen und dann noch beschweren. Wenn ich in sein Land reise, noch dazu als Frau, würds wohl düster aussehen. Bekomm ich dort eine Traumwohnung, Geld fürs Nixtun? Dort wird man wohl schon verhaftet, wenn man als Frau unverhüllt herum läuft. Was ist mit den Frauenrechten in eurem Land, euerer Kultur? Mit den Kindern wenn sich Paare trennen?
Ich darf ihn eure Land auch nicht einfach so einreisen, dort streiken, einfach nur die eigene Meinung in der Öffentlichkeit vertreten, wäre sicher sofort in einem Gefängnis verschwunden.
Warum man die Leute aber hier nicht arbeiten lässt verstehe ich nicht. Aber in Mohameds Land dürften wir wohl auch nicht arbeiten.
Tommy
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@Luna
Sie besitzen ein Land?
Herr Kalali besitzt kein Land. Ich auch nicht.
MHH
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@Luna: wie kommen Sie darauf, dass Herr Kalali in dem Land, aus dem er kommt, nicht gegen die dortigen Verhältnisse protestiert hat? Sie haben sich offenbar nicht damit auseinandergesetzt, was sein Fluchtgrund aus dem Iran war! Aber flott Vorwürfe verteilen!
Marion Puhle
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Sie können und sie wollen arbeiten, aber man läßt sie nicht.
Sie wollen ihre Bewegungsfreiheit, aber man gibt sie ihnen nicht.
Sie wollen leben, aber man läßt sie nicht.
Sie wollen ihr Leben selbst bestimmen, aber man läßt sie nicht.
Sie wollen dass essen, was ihnen schmeckt, aber man käßt sie nicht.
Sie wollen ihren Wohnort frei wählen, aber man läßt sie nicht.
Alles Rechte, die wir Deutschen selbstverständlich jeden Tag in Anspruch nehmen, aber Flüchtlingen räumt man das Recht nicht ein.
Was ist daran so verwerflich, wenn Menschen ihr Recht einklagen und portestieren.
Ich kann daran nichts Schlechtes finden, ganz im Gegenteil.
Marion Puhle