25 Feb.2008
Ein Mann für viele Stücke – vom Leben eines Statisten
Bernhard Zellner – dienstältester Statist am Regensburger Stadttheater.
Er war katholischer Priester im Rheinland (in der „Loreley”), russischer Bauer („Anatevka”) und ein Jäger aus Tirol („Der Vogelhändler”), wenn er nicht gerade der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg bei Hofe ein freizügiges Ölgemälde verkaufen wollte („Der Rosenkavalier”). Und all dies geschah innerhalb weniger Theaterwochen.
Eine solche Vielfalt an kunterbunten „Berufen“, wie Bernhard Zellner in seinen fast 15 Jahren am Theater Regensburg ausgeübt hat, ist auf dem üblichen Arbeitsmarkt selten bis unmöglich. Natürlich, es sind nur Kurzzeitbeschäftigungen, vielleicht je Stück vier bis fünf Wochen Probe und dann zehn bis 20 Vorstellungen mit jeweils fünf bis 30 Minuten langen Bühnenauftritten. All dies verteilt auf durchschnittlich drei bis sechs Monate, in denen das jeweilige Stück auf dem Spielplan steht. Fürstliche Gehälter wandern auch nicht in die diversen Hosentaschen von Zellner – pro Probe meist 6,20 bis 9,50 Euro, pro Vorstellung meist zwölf bis 15 Euro, je nach Stücklänge und qualitativen oder körperlichen Anforderungen.
Das Geld ist denn auch nicht das Entscheidende. Bernhard Zellner: „Ich mag das kreative Milieu. Es ist schön, mal eine andere Figur zu sein“. Hauptberuflich ist er im Außendienst einer Reifenservice-Firma tätig. Ein Arbeitgeber, der sein meist abendliches Engagement unterstützt, seine tiefe Liebe zum Theater vom ersten Augenblick an kennt.
Angefangen hat alles im September 1993. Der in Pfarrkirchen geborene und Mitte der achtziger Jahre nach Regensburg gezogene Zellner arbeitete damals für verschiedene Branchen. Eine ähnlich abwechslungsreiche Arbeitswelt gab es auch in der Theaterwirklichkeit. Seine erste Rolle: ein stattlich gewandeter Haiduck (Soldat) in der Oper „Der Rosenkavalier“.
Den Tipp bekam Zellner damals von der Arbeitsvermittlung der Universität Regensburg. Und es ging weiter – mittlerweile sind es über 100 Produktionen, meist Opern, in denen er mitgewirkt hat.
Kleindarsteller ist nicht gleich Kleindarsteller. Einige wandeln z.B. in „Faust II“ als stumme Engel über die Bühne am Bismarckplatz. Andere sind für den Umbau von Kulissen mitverantwortlich, etwa die kostümierten Teufelshelfer in der komischen Oper „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“.
Ganz wenige dürfen auch einen oder mehrere Sätze sprechen, z.B. als Centurio in der Operette „Eine Nacht in Venedig“ (dargestellt von Georg Dippold), als Schüler in dem Kinderstück „SAMS – Eine Woche voller Samstage“ (Matthias Zajgier) oder in der Tragödie „Hamlet“ als mordender Schauspieler Lucianus (Melanie Hierhammer). Diese sagte in unheilschwangerer Shakespeare-Sprache u.a.: „Gedanken schwarz, Gift wirksam, Hände fertig. Gelegne Zeit, kein Wesen gegenwärtig.“ Ausnahmerollen für Statisten sind die Motorradrocker auf ihren echten Harleys im Schauspiel „Die Goldberg-Variationen“ oder das Live-Geigenspiel von Bernhard Zellner in mehreren Szenen des Freilichtstücks „Cyrano de Bergerac“ 2007 im Thon-Dittmer-Palais.
Bühnentalent Zellner war am 15./ 16. Februar 2008 als einer der Hauptdarsteller im Musical „Der kleine Horrorladen“ zu erleben. Er sprach, sang und tanzte den Mister Mushnik, den Besitzer des Blumengeschäfts. Das von Doris Buske inszenierte Stück wurde vom Cantemus-Chor dreimal im Velodrom gezeigt. Bereits 2007 besetzte die städtische Sing- und Musikschule Zellner in ihrem Musical „Oliver“ als Fagin, der Kinder wie Oliver Twist zum Stehlen erzieht.
Das Sängerische hat sich Zellner beim Theater Regensburg angeeignet. Denn seit 2004 ist der unermüdliche Theaterfreak Mitglied im Extra-Chor des Hauses. Im bis Mitte März laufenden Musical „Collier des Todes“ hat er neben seiner Chor-Arbeit auch eine Sprechrolle inne und wird im abendlichen Besetzungsplan namentlich genannt. Eine Ehre, die sonst nur den Solisten zusteht. Er spielt den Marquis de Boncy. Der kauft beim Hauptdarsteller Cardillac ein teures Collier, wird danach aber von diesem umgebracht. Statistenschicksal.