Korruptionsverdacht bei der Regierung: Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Mitarbeiter und einen schillernden Tierarzt
Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen mindestens einen früheren Mitarbeiter der Regierung der Oberpfalz und einen Veterinär und Geschäftsmann. Der zentrale Vorwurf: Bestechung. Im Gegenzug für die vorzeitige Vertragsverlängerung für eine Flüchtlingsunterkunft soll Geld geflossen sein.
Oberstaatsanwalt Thomas Rauscher, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Regensburg, betont, dass man erst „sehr am Anfang“ der Ermittlung stehe. Deshalb gelte es dringend, die Unschuldsvermutung zu beachten. Doch die Vorwürfe, die er auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt, wiegen schwer und haben die Regierung der Oberpfalz ins Mark getroffen.
Es geht um die mögliche Bestechung von Entscheidungsträgern bei der Bezirksregierung. Vergangene Woche wurden Durchsuchungsbeschlüsse gegen mehrere Beschuldigte in insgesamt sechs Objekten vollstreckt. Wohn- und Geschäftsräume waren betroffen. Auch die Regierung bekam Besuch von Kriminalpolizei und Staatsanwälten. Unter Verdacht auch: ein schillernder Geschäftsmann und Veterinär. In Regensburg erlangte der Mann öffentliche Bekanntheit, seit er 2021 angekündigt hat, das marode Wasserschloss Pürkelgut wieder auf Vordermann zu bringen. Seit geraumer Zeit laufen dort bereits Sanierungsarbeiten in Abstimmung mit dem Denkmalschutz – auch wenn es anfänglich Kritik und Bedenken gab.
Im Visier: eine Flüchtlingsunterkunft in Nittenau
Anfang der 2000er Jahre erlangte der Mann nämlich als „Autobahntierarzt“ bundesweit eine gewisse Berühmtheit. Er galt als prominente Figur im sogenannten „Schweinemastskandal“. Eine Vergangenheit, mit der er im März 2023 gegenüber der Regensburger Zeitung vergleichsweise offen umging. Die damalige Verurteilung sei lange her. Er praktiziere mittlerweile auch wieder als Tierarzt.
Daneben betätigt sich der Mann aber auch als Bauunternehmer und Energielieferant. Und in dieser Eigenschaft geriet er nun ins Visier der Ermittler.
Es um die Flüchtlingsunterkunft in Nittenau, die von seiner Unternehmensgruppe 2015 errichtet und seitdem an die Regierung der Oberpfalz vermietet wird. Über ein Blockheizkraftwerk versorgte er die Unterkunft zudem mit Wärme. Das mit Holzgas betriebene Kraftwerk produziert daneben durchgängig auch elektrische Energie, die ins Netz der Bayern Werk GmbH eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird.
Recherchen, die wir vor Gericht verteidigen mussten
Regensburg Digital hat mehrfach Recherchen zu dem Thema veröffentlicht, gegen die der Unternehmer zum Teil juristisch vorging. Ohne Erfolg. Es ging um Ungereimtheiten beim Einbau von Brandschutztüren in der Unterkunft, um überhöhte Heizkostenabrechnungen, die bei der Regierung zunächst auf erstaunlich geringes Interesse stießen und um eine vorzeitige Verlängerung des Mietvertrags für die Unterkunft – unmittelbar vor dem Verkauf des Gebäudes an ein Grünwalder Immobilienunternehmen im Jahr 2021.
Vorzeitige Vertragsverlängerung – trotz deutlich gesunkener Flüchtlingszahlen
Zu einer Zeit, als die Flüchtlingszahlen in Deutschland sich auf einem Tiefpunkt befanden, verlängerte die Regierung der Oberpfalz den ohnehin noch vier Jahre laufenden Vertrag in Nittenau vorzeitig auf zehn Jahre – bis 2030. Kurz darauf konnte der Geschäftsmann das Gebäude für 6,5 Millionen Euro an den besagten Grünwalder Investor verkaufen.
Insbesondere deshalb laufen nun die Ermittlungen. Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mitteilt, soll das Unternehmen des Tierarztes, so der Vorwurf, „beabsichtigt haben, das Areal an eine andere Firma zu veräußern“.
Verdacht: Floss Geld an Entscheidungsträger bei der Regierung?
Weiter erklärt die Staatsanwaltschaft:
„Voraussetzung des Verkaufs soll unter anderem ein bestehender Mietvertrag mit einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren gewesen sein. Aus diesem Grunde soll sich der beschuldigte Alleingesellschafter im Jahre 2020 an den ehemaligen Mitarbeiter der Regierung gewandt haben, mit dem Ansinnen einer vorzeitigen Vertragsverlängerung.
Der ehemalige Mitarbeiter der Regierung soll daraufhin angeboten haben, auf (namentlich unbekannte) Entscheidungsträger der Regierung für eine finanzielle Gegenleistung Einfluss zu nehmen. Die geforderte finanzielle Gegenleistung soll in der Folge geflossen sein.
Der ehemalige Mitarbeiter der Regierung soll zumindest Teile des erhaltenen Vermögensvorteils an namentlich unbekannte Entscheidungsträger weitergeleitet haben, worauf hin es zu der Vertragsverlängerung gekommen sein soll.“
Den Beschuldigten legt die Staatsanwaltschaft deshalb Bestechung bzw. Beihilfe zur Bestechung zur Last. Dem Vernehmen nach geht es um einen Betrag im mittleren fünfstelligen Bereich, der geflossen sein soll.
Regierung ging erstaunlich lässig mit Ungereimtheiten um
Ob die Vorwürfe tatsächlich zutreffen, werden erst die weiteren Ermittlungen zeigen. Auffällig war aber neben der vorzeitigen Vertragsverlängerung auch der eher lässige, um nicht zu sagen wohlwollende Umgang der Regierung der Oberpfalz mit den Rechnungen, die der Unternehmer für die Wärmelieferungen aus seinem Blockheizkraftwerk stellte.
Sechs Jahre lang störte es bei der Bezirksregierung niemanden, dass die anfallenden Wärmekosten für die Flüchtlingsunterkunft auffällig hoch waren. Nach Recherchen unserer Redaktion wurden zum Teil Wärmemengen in Rechnung gestellt, die mehr als das Doppelte über dem lagen, was bei einem Objekt dieser Größe und Belegung zu erwarten wäre. Es wurden Wärmemengen in Rechnungen gestellt, die annähernd beim Dreifachen dessen lagen, was das Kraftwerk laut den veröffentlichten Daten überhaupt zu produzieren in der Lage ist.
Es gab nicht einmal einen geeichten Wärmezähler
Interessiert hat das lange keinen. Sechs Jahre lang war nicht einmal ein gesetzlich vorgeschriebener geeichter Wärmezähler vorhanden. Auch nach einer Überprüfung, die schließlich angeordnet wurde und weitere Ungereimtheiten ergab, blieb die Behörde eher desinteressiert. „Technische Details sind der Regierung der Oberpfalz als Mieterin nicht bekannt“, hieß es, obwohl man auf Basis solcher Details Steuergelder ausgab.
Während die Regierung schließlich im August gegenüber unserer Redaktion erklärte, dass man wegen der Abrechnungen verhandle und eine gütliche Einigung suche, ließ der Unternehmer auf Nachfrage wissen, dass er nicht glaube, irgendetwas zurückzahlen zu müssen.
Ob auch diese Abrechnungen Gegenstand der aktuell laufenden Ermittlungen sind und wie viel von diesem Schaden (zunächst einmal zivilrechtlich) verjährt ist, der sich auf eine Viertelmillion Euro belaufen könnte, bleibt abzuwarten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt „insbesondere“ wegen der Vertragsverlängerung, aber offenbar nicht nur.
Regierung schweigt
Die Regierung der Oberpfalz hat angesichts der laufenden Ermittlungen jedwede Stellungnahme abgelehnt. Man beantwortet auch keine Fragen dazu, ob eventuell verdächtige Entscheidungsträger, die bestochen worden sein sollen, sich nach wie vor in den entsprechenden Positionen befinden.
Den Tierarzt und Unternehmer haben wir am Montag gebeten, bis Mittwoch, dann bis Donnerstag Stellung zu nehmen. Auf Bitten seines Rechtsanwalts, der uns mit Blick auf die bevorstehende Berichterstattung unter gewissen Umständen bereits rechtlichen Schritten gedroht hat, haben wird diese Frist dann nochmals bis Freitag, 8 Uhr, verlängert. Die angekündigte schriftliche Stellungnahme blieb zunächst aus. Mit etwas Verspätung teilt uns sein Rechtsanwalt schließlich mit (Abkürzung durch unsere Redaktion):
„Herr Dr. F. bestreitet vehement vollumfänglich die erhobenen Vorwürfe und den Verdacht der Bestechung. Herr Dr. F. wird lückenlos gegen entsprechende falsche Behauptungen Dritter vorgehen und rechtliche verfolgen. Dies betrifft nicht nur äußerungsrechtliche Ansprüche, sondern auch Ansprüche auf Schadenersatz und die Stellung entsprechender Strafanzeigen wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Haben Sie Verständnis dafür, dass Herr Dr. F. sich darüber hinaus aktuell mit Blick auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ohne weitere Detailkenntnisse über die dünnen Informationen aus Ihrer Anfrage hinaus nicht weiter äußern wird.“
In die derzeit laufende Sanierung des Wasserschlosses Pürkelgut, wo er laut früheren Angaben eine Tierarztpraxis, Büros und Geschäftsräume einrichten und auch selbst einziehen will, investiert der Mann nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag.
Trackback von deiner Website.
Franz Josef Avestruz
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Aufgrund der “dünnen Informationen aus Ihrer Anfrage hinaus” will sich der Angeschuldigte “nicht weiter äußern”. Dünn ist mal anders. Dass das ans Tageslicht kommt, mit allen Unanständigkeiten, Unverfrorenheiten und Frechheiten gegenüber dem Normalbürger, haben wir aufgrund einer sehr eindrücklichen, dichten und indizienreichen Berichterstattung einzig RD zu verdanken.
Mr. T.
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Hot Stuff! Bin gespannt, wie das weitergeht. Da hängen ja nicht nur der Autobahntierarzt und der Geschmierte drin, sondern noch viele, die sich zu dessen Erfüllungsgehilfen machen ließen oder – absichtlich oder aus umgekehrtem Fleiß heraus – weggeschaut haben.
Günther Herzig
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Herr Dr. F., wir wissen alle wer das ist, bemüht sich offenbar im Gespräch zu bleiben. Für die Leser von r-d war das sowieso klar. Gilt trotz der Wohnraumknappheit eigentlich noch Spruch: im Kittchen ist ein Zimmer mietfrei?
Lauberzehrling
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Ganz allgemein: Den Staat kann man gut ausnehmen, ob das nun durch Testzentren, Asylunterkünfte, Kurse für Arbeitslose oder Vermietungen an Bürgergeldempfänger geschieht.
Oder andersherum: Geld gibt sich leichter aus, wenn es nicht das eigene ist.
Mr. B.
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Wie es ausschaut, geht es hier wieder um etwas ganz Großes.
RD bitte dranbleiben und sich bitte vom Hrn. Doktor nicht einschüchtern lassen.
Jonas Wiehr
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“Korruption muss in Regensburg auch weiterhin bezahlbar bleiben!”
Walter
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Geht’s noch: “Auf Bitten seines Rechtsanwalts, der uns mit Blick auf die bevorstehende Berichterstattung unter gewissen Umständen bereits rechtlichen Schritten gedroht hat, …”
Das ist ja schofel, bis zum Gehtnichtmehr! Da fehlt nun wirklich ein Straftatbestand, der Anwält:innen die der Presse drohen einen vor den Latz knallt.
Aber wie schon andere Leute kommentierten: Dranbleiben, denn am Ägidienplatz wird man immer fündig. :-)
Native
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Excuse me. Muss (kann) man jeden Traum mit politischer Landschaftspflege realisieren?
Man weiß es nicht. 😊
https://www.youtube.com/watch?v=9X_szNmB2zk (Satire)
Daniela
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Man darf gespannt sein, wie das ausgeht.
Das keiner der Beteiligten bei laufenden Ermittlungen etwas mitteilt, ist eigentlich gängige Praxis.
Aber es gibt schon einmal Ermittlungen, bisher hatte man ja eher den Eindruck, als interessiere es keinen.
Aber, wenn ein Kraftwerk das 3fache seiner Leistungsfähigkeit liefert, zudem Zähler fehlen, dann ist das schon kurios.
Spätestens bei dem fehlenden Zähler wäre jeder Mieter stutzig geworden und hätte die Abrechnung in Frage gestellt.
Aber halten wir es erstmal mit der Unschuldsvermutung und hoffen auf die Staatsanwaltschaft.