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„Der Sturm“ ist sicherlich nicht leicht zu inszenieren. In seinem vermutet letzten Stück lässt Shakespeare ambivalente Charaktere auflaufen, die auf mehreren Ebenen demonstrieren, wie Macht korrumpiert und Menschlichkeit dabei auf der Strecke bleibt. Dass „Der Sturm“ traditionell zum Intendantenwechsel gespielt wird, wie Friederike Bernau, die Chefdramaturgin am Theater Regensburg erklärt, verwundert denn auch nicht. Hier übergibt Intendant Ernö Weil den Stab zwar erst im nächsten Jahr an Jens Neundorff von Enzberg, doch ungeachtet dessen steht „Der Sturm“ in Regensburg bereits in dieser Spielzeit auf dem Plan. Am Samstag feierte die Inszenierung von Michael Bleiziffer Premiere.
Sieht Herrn Weil nicht unähnlich: Anton Schieffer als Prospero. Fotos: Juliane Zitzelsperger
Sympathieträger gesucht
Da ist zum Einen Prospero (Anton Schieffer), der ehemalige Herrscher von Mailand, der, von seinem Bruder und dem König von Neapel in einem Komplott entmachtet, mit seiner Tochter Miranda (Julia Baukus) auf einer einsamen Insel strandet. Kaum dort angekommen, macht er sich Lebende und Gespenster mit teils grausamen Methoden zu Sklaven, und selbst die eigene Tochter ist nur eine Figur im großen Schachspiel seines Plans: Sie soll den Prinzen von Neapel heiraten – den einzigen Mann, den sie außer ihrem Vater je sah – und mit der strategischen Hochzeit den Schaden reparieren, den der Vater aus Nachlässigkeit gegenüber seinen Regierungsgeschäften damals schuf.
Zum Anderen sind da Prosperos Bruder Antonio (Michael Haake) und der Bruder von Neapels König, Sebastian (mit triefender Eitelkeit wunderbar gespielt von Christoph Bangerter), die derweil ihr eigenes Komplott planen. Caliban, der bedauernswerte Sklave Prosperos, sucht sich wiederum mit den ersten beiden Trunkenbolden aus seiner misslich unterdrückten Lage zu befreien, die er kriegen kann.
Spätestens dann, wenn wir mit Hubert Schedlbauers differenziert gespieltem Caliban mitleiden und Prosperos Zauberei als Tyrannei enttarnt ist, wissen wir, dass der Barde uns hier keine einfachen Sympathieträger präsentiert und wir selbst gewichten müssen, auf wessen Seite wir uns schlagen.
Kurzweilig, aber unreflektiert
Trotz oder vielleicht grade wegen der Ambivalenzen und der komplexen, starken Themen die das Stück präsentiert, bleibt die Inszenierung von Michael Bleiziffer stark hinter ihren Möglichkeiten zurück. Der eklatante Machtmissbrauch Prosperos, der sich vom Schöngeist zum Diktator mausert wird ebenso wenig reflektiert wie der utopische Gesellschaftsentwurf Gonzalos oder der verzweifelte Versuch Calibans, Souveränität über sein rechtmäßiges Königreich zurückzuerlangen.
Stattdessen verlegt sich Regisseur Bleiziffer auf das weitaus bequemere Thema der Metanarrative – also der selbstbezogenen Betrachtung des dramatischen Schaffensprozesses. Als Gott in der Maschine inszeniert Prospero auf der genialen Bühne von Peter Engel ein Stürmchen und weist den Figuren ihre Darstellung zu wie ein Puppenspieler. Insel wie Bühne wird als Budenzauber und Spektakel etabliert und zeichnet deutlich den Abschied Shakespeares von der Wortkulisse nach.
Der Sturm, der so auf Regensburgs Bühne am Bismarckplatz entsteht, ist dabei durchaus kurzweilig: wenn die Darsteller auf den sich wölbenden Parkettwellen hin- und herschaukeln oder verzweifelt nach einem der sehr gut versteckten Ausgänge suchen und dafür sogar das Wühlen im Wohlstandsmüll oder das Bad in der Güllegrube in Kauf nehmen, ist der Zuschauer gut unterhalten.
Glatt laufende Bilderflut
Dabei sind die ironischen Brechungen, die Bleiziffer in diese sonst fast zu glatt laufende Bilderflut eingebaut hat dringend notwendig, weil sie immer wieder auf die Künstlichkeit des Theaterereignisses hinweisen: etwa wenn Luftgeist Ariel (dauergrinsend: Gabriele Fischer, unten im Bild) recht kläglich an seinen zwei Seilen durch den Bühnenraum fliegt und sich in der Luft so gar nicht recht wohlzufühlen scheint; wenn sich Regenschirme auf wunderbare Weise vermehren, oder wenn aus reinem Wasser in den Flaschen im Gespräch auf einmal Wein wird. Unterstützt werden diese Punktionen des ansonsten routinierten Spiels auch durch die plakativen Kostüme von Sandra Münchow, die mit den Kostümkonventionen des elisabethanischen Theaters spielen.
Schön bebildert ist „Der Sturm“ in jedem Fall, nur hätte eine selbstkritische Aufarbeitung der dunkleren Seiten dieser Bühneninsel am Theater Regensburg im Vorfeld des Intentantenwechsels niemandem geschadet. So aber bleibt es in Regensburg bei einer harmlosen und weitgehend unkritischen theatralen Nabelschau.