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Es war der heimliche Höhepunkt des Eröffnungswochenendes: Das letzte Feuer im Theater am Haidplatz.
Foto: Jochen Quast
Ein Kind ist tot.
Acht Erwachsene kämpfen mit der Schuldfrage, mit sich selbst, miteinander, mit der Erinnerung und dem Vergessen. Die Eltern des kleinen Edgar entfremden sich über den Tod ihres Sohnes und ihren jeweiligen Bewältigungsmechanismen. Die Oma hat Alzheimer, kauft dem toten Jungen Spielzeug und kann nicht begreifen, dass sie damit die klaffenden Wunden der Eltern immer wieder und wieder aufreißt und vertieft, wo eigentlich Heilung oder zumindest Stille einsetzen sollte. Die brustkrebskranke Affäre des Vaters, Karoline, sucht das Leben in Form von sexuellem Begehren. Olaf, koksender Freeclimber und erstes Glied der Kettenreaktion, die Edgars Tod verursacht hat, geht seit dem Tod des Kindes nicht mehr aus seinem Zimmer. Peter, sein Freund, versucht damit klarzukommen. Edna, die junge Polizistin die das Kind überfuhr, strudelt immer mehr. Der Kriegsheimkehrer, der Zeuge des Unfalls wurde, geht an den Folgen kaputt und zieht auch Susanne, die Mutter von Edgar, mit.
Bedrängend, intensiv, brillant
Am intimen Haus am Haidplatz hat Karin Koller eine bedrängende und intensive und dadurch brillante Inszenierung hingelegt. Der überwiegend leere, schräge Bühnenraum bringt die acht Figuren fast auf Augenhöhe mit dem Zuschauerraum (Bühne und Kostüme: Dorit Lievenbrück). Oft sind alle acht gleichzeitig auf der Bühne, erzählen Abfolgen und Szenen aus der Perspektive der anderen, geben Worte, Sätze und Gedanken aneinander weiter. Die Geschichte ist so dicht, die acht Schauspieler so fantastisch aufeinander abgestimmt, dass die Zuschauer keine Möglichkeit zum Atemholen bekommen.
Die Figuren sind allesamt so genau gearbeitet, dass keine ins Klischee abrutscht. Besonders zu erwähnen ist die Leistung der 87jährigen Hildegard Knopf, die von den Kollegen, einem Rollator oder einer Gehhilfe gestützt die gefährlich schräge Bühne abschreitet und besetzt und in der Hilflosigkeit ihrer Rolle grandios ist. Der Moment, in dem sie begreift, dass sie den Tod ihres Enkelkindes wieder und wieder vergessen und niemals ganz verinnerlichen wird, gehört zu den Berührendsten des Abends.
Der Abend mit durchaus Loher-typischem Fatalismus war der heimliche, kleine Höhepunkt des Eröffnungswochenendes. Während Shockheaded Peter und Orpheus eher die großen bombastischen und durchaus unterhaltsamen Feuerwerke waren, besticht Das letzte Feuer am Haidplatz durch seine hervorragende Besetzung, dem einfach nur krassen Text von Dea Loher (die zwar zum ersten Mal, aber hoffentlich nicht zum letzten Mal in Regensburg gespielt wurde) und der intimen Inszenierung von Koller.
Um mit den etwas abgenudelten Worten von Thomas Bernhard zu sprechen: „Die Welt will unterhalten werden, aber sie gehört verstört.“ In diesem Sinne liebe Welt: Ins Haus am Haidplatz bitte!