Die Tolerantel: Immer her mit euren Kulturzentren!
Toleranz ist eine löbliche Eigenschaft, die den meisten Menschen aber erst mühsam eingeprügelt werden muss. Besonders die religiöse! Kann ja wohl nicht sein, dass so ein progressiver Vorschlag wie ein islamisches Kulturzentrum im alten Kaufhof hier für so viel Unruhe sorgt.
Derzeit rechtswidrig angebracht: das Happy Ramadan-Plakat der dubiosen Kaufhofinvestoren. Foto: Stein
Also, wenn man sich nicht auskennt und zur Zeit an der Galeria Kaufhof vorbeigeht, dann kann man ja möglicherweise einfach glauben, dass der Einzelhandel jetzt eben auf der Suche nach weiteren saisonalen Verkaufs-Jahreszeiten noch eine weitere Zielgruppe für sich entdeckt hat, diesmal in der religiösen Vielfalt: „Happy Ramadan“ steht da auf einem großen Banner der Alten Wache, die als Fassade einer noch vergangeneren Vergangenheit vor der neuzeitlicheren Hohlraumversiegelung verblieb.
Also, eigentlich konsequent materialistisch, dass nach Halloween, Weihnachten und Valentinstag jetzt dann noch der Ramadan kommt. Ich weiß jetzt über den Ramadan auch nicht recht viel mehr, als dass das so eine Art religiöses Intervallfasten ist, aber wenn man dann auch da irgendwann gerne Schokolade isst, dann wäre das doch ein schöner Hiatus zwischen dem Ende des Nikolausverzehrs und dem Beginn der Osterhasenzeit.
Ein Altstadtklotz, der schon länger nicht mehr belebt war
Jedoch, mitnichten, es ist ja allgemein bekannt, dass die Fassade der alten Wache nicht nur keiner Wache mehr vorsteht, sondern auch keinem Kaufhaus. Und in der allgemeinen Diskussion über die künftige Nutzung des zentralen Altstadtklotzes, der im Übrigen auch jetzt nur marginal weniger belebt scheint als früher, hat die Ankündigung der ominösen Besitzschaft für einiges Aufsehen gesorgt, da drinnen ein islamisches Kulturzentrum zu eröffnen.
Ja mei, sag da ich, wie sich die Leut halt gleich wieder über alles aufregen können. Ist doch schön, wenn was passiert! Gut, ich für meinen Teil bemesse meine Regensburger Lebenszeit in Stadthallen-Abstimmungen, und ich hätte mich schon gefreut, wenn auch dieses Gebäude da mal ein bisschen mitspielen hätte dürfen. Und jetzt wird’s halt ein islamisches Kulturzentrum, das ist ja direkt schon voll sicher, das zeigt ja schon alleine dieses große, große Banner!
Innen so marode wie außen hässlich?
Ok, der Ramadan beginnt dieses Jahr erst in einer Woche oder so, aber Lebkuchen kann man ja auch schon im September kaufen. Spätestens. Da sieht man doch nur, dass diese Investorengruppe, oder wie auch immer man das bezeichnen mag, endlich ein bisschen Feuer unter den Kessel bringt! Feuer, das in dieser Stadt, abgesehen vom Knackersemmelbrater gegenüber, oft sträflich vermisst wird. Endlich Äktschn, tät der Schwarzenegger sagen! Damit die OB hier zumindest einmal im Halbjahr eine Parkbank einweihen kann, muss man diese in der Regel fünf Monate vorher abgeschraubt haben.
Und dann geht auch noch das gehässige, verleumderische und im höchsten Maße übelmeinende Gerücht um, das mit den Muslimen wäre gar nicht ernst gemeint, und man wolle bloß durch die öffentliche Empörung dafür sorgen, dass die Stadt lieber gleich selber den Kasten kauft, der Gerüchten zufolge innen so marode wie außen hässlich sein soll.
Was ich auch nicht glauben mag. Immer diese Schlechtmacherei.
Islamfeindlichkeit wird instrumentalisiert
Ich kann mich natürlich täuschen, aber ich bin mir doch recht sicher, dass ich vor ein paar Jahren unten beim Edeka den René Benko persönlich gesehen habe, wie er inkognito eine Glühbirne gewechselt hat. Das war doch ein Mann des Volkes, dieser Benko, der hätte doch sein Sach nicht verkommen lassen!
Und dann kommt man da einfach so mit Gerüchten, nach denen da jemand aus Profitgier eine gewisse Islamfeindlichkeit in der Bevölkerung instrumentalisieren würde. Schäbig. Schäbig, kann ich da nur sagen.
Ok, ich hab auch mittlerweile gehört, dass die Gruppe eine erweiterte Nutzung des Gebäudes angedacht hat: ein Stockwerk wird dem offenen Vollzug von Sexualstraftätern gewidmet, und ins Untergeschoss kommt ein Kükenschredder.
Leerstände mit kultureller Nutzung füllen – ein bewährtes Modell
Ja gut, das Gebäude ist schon recht groß, da braucht’s eine Mehrfachnutzung, das sehe ich schon ein. Und vielleicht kann man ja auch, um Ressentiments abzubauen, zusätzlich auf abendländische Traditionen eingehen. Ohne die Moderne zu vergessen. Da gäb’s etliche Möglichkeiten, finde ich, ich denke da etwa an kostenlose Kurse im Gendern von Bibeltexten, deren Vortrag man dann auch beispielsweise nach draußen auf den Neupfarrplatz hin übertragen könnte. Brücken bauen, Vorurteile überwinden, Gegensätze vereinen, darum geht’s doch. Bürgernähe zeigen.
Und die Regensburger Altstadt kann ja wirklich ein bisschen Initiative in der Belebung gebrauchen. Natürlich ist es ein gut eingeführter Usus, dass die Stadt jeden Leerstand mit einer kulturellen oder sonstigen Zwischennutzung füllt, und bestimmt denkt man kommunalerseits schon lange darüber nach, welches interdisziplinäre Origamifalten da stattfinden könnte, wo früher die Parfüms und Deodorante verkauft wurden – aber warum nicht einfach mal dankbar annehmen, dass da jemand von außen mit so produktiven Ideen daherkommt?
Fremde Religion ist auch nützlich, wenn ihr Inhaber uns nicht grade Pakete bringt
Islamisches Kulturzentrum, ja freilich, warum denn nicht? Wenn wir unsere Masse an Leerständen auch nur ansatzweise füllen wollen, dann kommen wir ja mit abendländischen Kulturzentren eh hinten und vorne nicht hin, da geht’s ohne das Morgenland halt auch mal wieder nicht. Das muss sich der Deutsche einmal klar machen, auch wenn er ein Regensburger ist: die fremde Religion ist auch nützlich, wenn ihr Inhaber uns nicht grade Pakete bringt oder Döner schneidet. Da muss man doch endlich einmal weltoffener werden.
Und, gleich hinzugefügt, es ist da von einem Kulturzentrum die Rede und nicht von einer Moschee. Und selbst wenn? Auf den maroden Kasten kann man doch höchstens ein, zwei kleine Minarette draufsetzen, das kratzt den Dom daneben doch kein bisschen. Früher Konsumtempel, jetzt anderer Anbetung gewidmet, was soll’s. Hauptsache, die Knackersemmel vis-à-vis bleibt mir erhalten, da lege ich schon Wert drauf.
Vielversprechende Ecken kommen wie das Benkosche Immobilien-Imperium
Jetzt bin ich nur noch gespannt darauf, was die Stadt macht. Ich finde, sie sollte einfach mal machen lassen, anstatt selber was zu machen, was dann eh wieder darauf hinausliefe, dass sie nix macht. Und dann freuen wir uns doch alle auf das, was so Menschen, die aus so einer vielversprechenden Ecke kommen wie dem Benkoschen Immobilien-Imperium, an Weltläufigkeit in unser kleines verschlafenes Städtchen hineinzaubern können.
Wie immer ist der grenzenlose Optimismus auch hier der Leitfaden meines Denkens. Veränderung tut Not hier!
Ich persönlich freue mich schon sehr darauf, die Tage meiner Rente auf einem Bankerl vor diesem islamischen Werweißwasdaswird zu verbringen und jedem, der vorbeigeht, ungefragt zu erzählen, dass das für mich ja immer noch der Horten war. Damit uns auch die Vergangenheit nicht verloren geht.
Trackback von deiner Website.
Wilfried Süß
| #
Da steckt wieder viel Nachdenkliches drin! Danke!
Weigand
| #
-Innen so marode wie außen hässlich?-
Der erste Teil mag zwar richtig sein, aber über das Äußere als hässlich zu bezeichnen ist doch fragwürdig. Der Dom passt vermutlich auch nicht in unsere Gegend? Würde man diesen deshalb ‚innen so marode wie außen hässlich‘ bezeichnen?
tom lehner
| #
Danke für den schönen Text.
Vielleicht wäre es auch ganz sinnvoll die Einwohner Regensburgs einmal zu fragen was denn wirklich fehlt, bzw. was sie sich denn wünschen würden. Vielleicht ein Kasperltheatermuseum. Oder ein Museum-Museum. Regensburg 31. Oder einfach nur eine überdachte Grünanlage auf mehreren Etagen. Klimaneutral quasi.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, schaut ins Ruhrgebiet. Hier haben sich die Menschen viel unnütz gewordenes Zeug wieder zurück geholt. Der Gasometer z.B. Der Industriepark Duisburg Nord. Die Stadt könnte das ganze Jahr kontrolliert Hanf ziehen und im Erdgeschoß legal THC verkaufen. Also mit einem Coffeeshop nach Niederländischem Vorbild. Kiffen als Weltkulturerbe Highlight.
Und da gibt es noch ganz andere schöne Ideen.
Daniela
| #
Ich wäre ja für einen riesen Automatentempel. So 24/7 für alle Konsumentenwünsche, ob Ramadan, Ostern, Weihnachten, …
Da kann der Bunker ja aussehen, wie der will, durch die Automaten wird der bunt beleuchtet, wie Weihnachtsbäume in den USA. Von außen noch Lichtinstallationen, jahreszeitlich kulturell ansprechend und das Musikangebot kann ja stündlich wechseln.
Glaubt mir die Dubai- Schokolade geht bei dem Angebot in den Keller zum schämen.
Nix für ungut.
Dank an die ‘Tolerantel’
Jonas Wiehr
| #
Ja, ein Islamkaufhaus, das fehlt, geht der Trend doch eindeutig Richtung Zweitburka.