Die Stadt zu Gast am Land
Die 23. Internationale Kurzfilmwoche Regensburg stand ganz im Zeichen des Themas Stadt. Nicht nur das entsprechende Sonderprogramm bot hierzu einiges, auch andere Programme widmeten sich mitunter ausführlich dem Urbanen. Der Film „every-one“ von Willi Dorner war dabei, nicht nur als Preisträger des neuen Architekturfilmpreises, der meistpräsentierte und herausragendste Beitrag. Das Regionalfenster gewann die Neuseeländerin Pennie Hunt.
Das Thema Stadt geht in Regensburg nicht konfliktfrei über die Bühne. Kann es auch gar nicht. Regensburg ist ein Hybrid, das irgendwo zwischen Stadt und Land hängt und zwischen Internationalität und Provinzialität hin- und herpendelt. Man kann diese Konfliktlinien exemplarisch an den Diskussionen um das RKK und die Neugestaltung des Bahnhofsareals beobachten. Oder auf die Errichtung des Bayerischen Museums blicken: Wenn schon ein repräsentativer Großbau moderner Architektur, dann wenigstens zu einem heimatlichem Zweck. We are mia!
Das heißt nicht, dass das Thema Stadt in Regensburg scheitern muss. Keineswegs. Immerhin ist es ja allen irgendwie ein bekanntes, wie Staatsministerin Ilse Aigner im Grußwort des Programmhefts tiefgründig feststellt:
„Jede und jeder von uns ist damit [Stadt] schon einmal in Berührung gekommen. Wir haben entweder über sie gelesen, von ihr gehört oder sie gesehen. Oder, und das betrifft wohl die meisten von uns, sie erlebt sei es als Bewohner, Besucher oder Tourist.“
Aha. Mit diesen erhellenden Erkenntnissen, straight outta Miesbach (Oberland), braucht uns die Ministerin aber gar nicht erst kommen. Wir sind mit dem Urbanen bestens vertraut, spielen es im Degginger ja auch regelmäßig nach. Dabei ist sogar schon ein Bierkrug herausgekommen. Dogs samma already!
Omnipräsent: Das Thema Stadt
In insgesamt fünf Programmen wurden auf der Kurzfilmwoche Facetten, Inspirationen, Problemfelder, Widersprüche, (Lebens-)Bedingungen und Sinn- und Bedeutungszusammenhänge der Stadt beleuchtet. Lebensraum Stadt, Stadt und Kunst, Absurd Urbanes hießen die Programme beispielsweise.
Begleitend dazu stand auch bei Sonderprogrammen wie Poetry in Motion, HfKM City Sounds (von Studierenden der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik vertonte Stadtfilme) oder der restlos ausverkauften Plattenfilmevorführung das Städtische im Fokus.
Ein Vortragsabend im W1 ermöglichte überdies einen kurzen wissenschaftlichen Einblick in die Beziehung von Stadt und Film. Michael Fleig referierte über die (Groß-)Stadt und den Film als typische Phänomene der Moderne, Silke Rösler-Keilholz über das wechselseitige dynamische Verhältnis von Stadt und Film und Ger Duijzings über filmisch repräsentierte und vermittelte Realitäten und Erfahrungen in Städten, die er sozialanthropologisch erforscht.
Aber auch in den Wettbewerbsprogrammen war das diesjährige Sonderthema immer wieder und zumindest implizit präsent. So natürlich im neugeschaffenen Architekturfenster, aber etwa auch im Regionalfenster.
Oliver Gilch beispielsweise porträtierte ironisch und lakonisch mit „Topographie einer Autobahnausfahrt“ den wenig ansprechenden Flächenfraß und stupiden Landschaftswandel in der Nähe von Autobahnen der Region. Auch das zweifellos mittelbar ein Beitrag zum Thema Stadt. Nicht ganz Dieter Wieland, aber fast. Ein bisschen zumindest.
Every-one – der Hypefilm
Als großer Gewinner des Filmfestivals darf sich der Choreograf und Filmemacher Willi Dorner fühlen, dessen Film „every-one“ nicht nur den Architekturpreis gewann, sondern auch vom deutsch-französischen Fernsehsender arte im Rahmen der Kurzfilmwoche gekauft wurde, um in Kürze in einem Themenabend zur Stadt ausgestrahlt zu werden. Außerdem war „every-one“ der meistgezeigte Film des Festivals.
Möglicherweise etwas zu viel Hype um einen dramaturgielosen Experimentalfilm, der zwar nett, launig und lustig konzipiert ist, dessen Idee sich sinnfrei und anonym vollziehender Kollektivbewegungen vor städtischer Kulisse sich allerdings auch allzu schnell abnutzt. Zehn Minuten können sich durchaus ziehen.
Die Preisträgerfilme
Die Preisträger der weiteren Wettbewerbe lesen sich wie folgt: Internationaler Wettbewerb: „Limbo“ von Konstantina Kotzamani (Kurzfilmpreis des Bayerischen Rundfunks), „Mon Deniere Été“ von Claude Demers (Kurzfilmpreis der Stadt Regensburg – Jury der Jungen); Deutscher Wettbewerb: „Herr und Frau Müller“ von Dominique Klein (Kurzfilmwochenpreis); „“Dann muss es ja ein was weiß ich was Gutes geben“ von Florian Andreas Dedek (Max-Bresele-Gedächtnispreis für einen politischen Film); Bayernfenster: „Jenny“ von Lea Becker (Förderpreis des FilmFörderFonds Bayern); Regionalfenster: „Freakwave“ von Pennie Hunt (mittelbayerische.de-Regionalfensterpreis). Der Publikumspreis der Kinokneipe ging an „Gabi“ von Michael Fetter Nathansky.
Sachen gibt’s
Wenn in einer Woche hunderte filmische Beiträge aus aller Welt kleine Kinosäle in und am Rande der Altstadt mit internationalem Geist erfüllen, die Maximilianautobahn mächtig fahnenwehend vom Hauptbahnhof mit metropolitanem Flair das Urbane in die und das Ländliche aus den Gassen spült, sollte man sich die größte Zumutung für die Provinzialität doch noch eigens und notfalls mit einem aufgesetzten Bierkrugschlag auf den Hinterkopf vor Augen führen: Das Regionalfenster hat eine Neuseeländerin gewonnen. Mit einem in Neumarkt produzierten Film. Sachen gibt’s, die gibt’s goa ned.
dünnster künstler
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Ger Duijzings Vortrag über filmisch repräsentierte und vermittelte Realitäten und Erfahrungen in Städten, die er sozialanthropologisch erforscht war ziemlich cool. Regensburg sollte auch etwas mehr erforscht werden. z.B. Sprachforschung im Alltag: http://europabrunnendeckel.de/?p=925