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Die Regensburger Mistelkur

Die Premiere von Lummers „Norma – eine Kurzkritik Römer im Militär-Röckchen und gallische Druiden im Miraculix-Look erwartete keiner der Premierengäste. Im Vorfeld schon hatte Regisseur Rupert Lummer klargestellt, dass seine Inszenierung eher ein Seelendrama denn einen Kulturkampf fokussieren werde. Er hat Recht daran getan. Regensburg erlebte eine deutlich akklamierte Norma-Aufführung, getragen von einem intelligenten Regiekonzept. Mit Kreativität und Poesie verdeutlicht Lummer Situation, Verzweiflung und Ringen der liebenden und der wegen einer Jüngeren Verlassenen. Die genaue Personenführung in einem auf psychologische Eyecatcher reduzierten Bühnenbild (Rainer Sellmaier) gelang. Viele gute Einfälle, viele sinnfällige kleine Gesten, die sich erst bei weiteren Besuchen erschließen. Dass die musikalische Seite hinter der szenischen zurückstand, lag möglicherweise am Premierenfieber und daran, dass für die erkrankte Anna Pesches eilends Rita Kapfhammer vom Münchner Gärtnerplatztheater geholt worden war, die innerhalb von wenigen Tagen die Probenarbeit eines ganzen Monats nachholen musste. Sie meisterte ihren Part mit Bravour. Das Stück und ihre Darsteller: Die verhassten Besatzer sind im Land, das Volk stöhnt unter dem Joch der Unterdrücker. Die Oberpriesterin Norma (Christina Lamberti – mit ausgeprägter Mittellage und Schwierigkeiten in der extremen Höhe), von der Menge kultisch verehrt, unterhält seit Jahren heimlich ein Verhältnis mit Pollione (Yoon-Jong Koog, höhensicher und laut, mitunter gestemmt), dem eingesetzten Militär-Gouverneur. Zwei Kinder entstammen dieser verbotenen Liebe. Nun wendet sich der Befehlshaber der jungen Priester-Anwärterin Adalgisa (fulminant, stimmlich durchgehend mezzo-timbriert: Rita Kapfhammer) zu. Die privaten Konflikte, verflochten mit einer politischen und kulturellen Situation analog Ex-Jugoslawien, drohen zu eskalieren. Und in der Tat, mit dem Finale der Oper, lässt Lummer eine Welt einstürzen. Die strenge alte Ordnung, verkörpert durch Normas Vater Oroveso (Martin-Jan Nijhof, ausgeprägt bassig), nimmt aber in der Katastrophe menschliche Züge an. Nicht immer gelang es Kapellmeister Georgios Vranos „Graben und Bühne“ zusammenzuhalten, er dirigierte ein kraftvoll aufspielendes Orchester, Hörner-Kickser leider inbegriffen, blech-dominiert massiv. Der Chor war von Christoph Heil bestens für die Premiere präpariert. Nach dem Pausen-Smalltalk ein kleiner Volksaufstand: Publikum verließ Türen knallend den Saal, Theaterdirektor Weil zuckte zusammen, Schlimmes befürchtend. Aber: Es blieb beim „Zwergenaufstand“. Die Premierengäste waren entweder intelligent genug, der aufschlussreichen Inszenierung zu folgen oder wussten nicht, ob „gangsta’s paradise“ vom Rapper Coolio zum Stück gehört, zu dem die beiden Bühnenkinder auf angedeuteten Trümmern Basketball spielten. Die Regensburger Norma straft alle selbsternannten Kulturpäpste Lügen, die verbreiten, Regensburgs Drei-Sparten-Theater habe lediglich eine kulturelle Grundsicherung zu erbringen. Absolutes Ärgernis des Abends: die nie textkongruente Übertitelungsanlage. So doof sind die Regensburger nicht, aus der Inszenierung nicht die richtigen Schlüsse ziehen zu können. (dh/pl)

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