Die Kunst der zwischenmenschlichen Begegnung
Social Distancing und gemeinsames Tanzen. Eher ein Widerspruch. Am vergangenen Samstag sorgte das für eine ganz besondere Spannung. Im Ostpark feierte das Tanzstück „Summertime“ Premiere.
Sommerzeit. Das bedeutet im Regensburger Ostpark grillen mit der Familie und Freunden, Freizeitspiele und einfach das schöne Wetter genießen. Vor allem die Anwohner drängt es auf die Grünfläche an der Landshuter Straße. Momentan machen ihnen allerdings zahlreiche Kulturbegeisterte aus Stadt und Umland den Platz streitig. Denn mit der Freiluftbühne im Ostpark gastiert das Theater Regensburg noch bis zum 22. Juli auf einem Teil der Parkfläche. Das am Samstag uraufgeführte Stück „Summertime“ überzeugte das Publikum nicht nur der Leistung der neun Tänzerinnen und Tänzer wegen. Denn auf der Bühne bot sich etwas für die derzeitige Lage eher ungewöhnliches.
Zunächst zaghaft und verunsichert wirken die Bewegungen der Tänzer, wenn sie sich gegenseitig nähern. Immer wieder zucken die Hände zurück, weichen ihre Körper doch wieder nach hinten. Mit den Händen sicher in den Hosentaschen verstaut, kehrt stattdessen schnell die Sicherheit in den Bewegungen und das Selbstbewusstsein in die Gestik zurück.
Die Begegnung mit Menschen wieder lernen
Der Regensburger Chefchoreograph Georg Reischl hat zusammen mit Alessio Burani ein Stück geschaffen, das nicht nur Tanzbegeisterte emotional berühren dürfte. Wohl vertraut klingen in den Bewegungen die eigenen Unsicherheiten der vergangenen Monate an. Wie verhalte ich mich anderen Menschen gegenüber? Ist eine kurze, flüchtige Bewegung in Ordnung? Oder sollte ich lieber über die Distanz mit Körpersprache und Worte mein Empfinden zum Ausdruck bringen? Nicht allen mag das dauerhaft leicht gefallen sein.
Die tänzerischen Annäherungsversuche werden so auch für das Publikum zur Lehrstunde. Den musikalischen Rahmen liefert Antonio Vivaldis Programmzylkus „Die Vier Jahreszeiten“, immer wieder unterbrochen und stimmig ergänzt durch Interpretationen von George Gershwins Jazz-Arie „Summertime“.
Die Unsicherheit der eigenen Hände
Reischl eröffnet den Abend mit Vivaldis Herbst. Die laue Sommerluft und die langsam untergehende Abendsonne fügen sich passend in das warme und lebendige Orchester von der Platte ein. Die Hände sicher in den Hosentaschen verstaut, schreiten die Tänzer über die Bühne. Beinbewegungen. Der Körper folgt. Erste zaghafte Bewegungen der Hände scheinen deren Träger selbst noch zu überfordern. Schnell zurück in die Taschen. Nur langsam wagen ein paar der Tänzerinnen und Tänzer erste Annäherungsversuche. Näher, immer näher bewegen sich die Paare aufeinander zu. Fast berühren sie sich, weichen im letzten Moment aber doch wieder zurück.
Es sind Szenen, die emotional berühren. Nach Monaten der sozialen Distanz muss das sich Näherkommen erst wieder zur Gewohnheit, zum vertrauten Gefühl werden. Doch zunächst müssen die Tänzer Vivaldis Winter überstehen. Die Kälte der Jahreszeit wird vom blassblauen, kühl wirkenden Bühnenbild und den schlichten, ebenfalls in kühlen Farben gehaltenen Kostümen mitgetragen. Bei den Bewegungen wird das Stück mutiger. Es kommt zu ersten kurzen Abschnitten eines Pas de deux (ein Duett). Schließlich wechseln die Szenen fast fließend zwischen ganzer Besetzung, Dreier- und Vierer-Gruppen, Einzelszenen und wieder zu einem Pas de deux. Weitere Paare kommen hinzu, ehe der kalte Winterwind sie wieder von der Bühne weht.
Paartanz dank strengem Hygienekonzept
Dass die einstündige Darbietung das tänzerisch überhaupt umsetzen kann, wird durch eine umfangreiche Teststrategie und fest zugeordnete Tanzpaare möglich. Denn bislang gelten auch für Theaterensembles strenge Hygiene- und Abstandsvorschriften. Dadurch kann aber auch einer der Tänzer nicht ersetzt werden. Er kuriert derzeit eine Verletzung aus. Seine Partnerin Laureen Olivia Drexler tanzt deshalb zur Prämiere als einzige gänzlich allein auf der Bühne im Ostpark.
Alessio Burani knüpft dort dann mit Frühling und Sommer nahtlos an Reischl an, weiß es dennoch, seinen Tanzkanon vom ersten Teil abzuheben. Die Bewegungen werden passend zur aufbrechenden Orchestermusik flüssiger, die Berührungen der Paare sicherer und intensiver. Im Zusammenspiel der Tänzer, in ihren gemeinsamen Bewegungen entsteht eine ganz eigene Dynamik. Nicht weniger eindrucksvoll ist es, wenn das gesamte Ensemble im Gleichklang zu Vivaldi und Gershwin tanzt. Auch über die Distanz stehen sie im Austausch zueinander, wirken aufeinander ein, verstärken den anderen. Ehe im nächsten Moment aus diesem Gesamtbild Laureen Olivia Drexler zu einem Solo ansetzt. Auch das ausdrucksstark und voller Energie.
Neben Drexler sorgen Elisabeth Morera Nadal, Rei Okunishi, Louisa Poletti, Giorgia Scisciola, Filippo Buonamassa, Bartłomiej Kowalczyk, Lucas Roque Machado und Tommaso Quartani für einen gelungenen Prämierenabend. Für Juli sind noch vier weitere Vorstellungen geplant.
Walter Herter
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Herzlichen Dank für diesen Bericht. Wir haben schon zwei Karten im Juli und freuen uns so auch für die Künstler.
Und ja, das Thema ist aktuell in vielen Begegnungen. Wenn die Home-Office-Vorgaben weg sind (ab morgen), müssen sich Teams, die Chefs und alle wieder neu zusammenfinden. Neu definieren, wie das Zusammenwirken mit den Erfahrungen der letzten 1,5 Jahre sich neu gestalten lässt. Apple hat sich schon Ärger eingehandelt mit der Entscheidung, dass alle MA wieder in Präsenz sein müssen.
Neben dem Thema der Neuorganisation von Präsenz und Homeoffice wird dann auch vielleicht die Frage, ganz verklemmt, gestellt: “und, geimpft?” und was, wenn nicht?
Jakob Friedl
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Der Ostpark ist für die Stadtteilbewohner*innen ein wichtiger und zentraler Erholungsraum im Kasernenviertel, der nun durch die von Musik getragenen Vorstellungen des Theaters bereichert wird. Die Theaterbühne lockt Menschen in einen Teil unserer Stadt, der vermutlich sonst nie von diesen besucht worden wäre. Bei Gesprächen an meinen parallel zu den Aufführungen betreuten Infoständen stellte sich oft heraus, dass der Ostpark dem Theaterpublikum oft ein gänzlich unbekannter Ort war. Dass sich der Ostpark als ein sehr geeigneter Ort nicht nur für Erholung und Begegnung, sondern auch für Kunst und Kultur anbietet, wird auch im ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept INNERER SÜDOSTEN) an vielen Stellen vermerkt. So wird z.B. “die Bespielung mit einem jährlichen Veranstaltungskalender” (ISEK, S. 87) empfohlen. Außerdem sollen bereits vorhandene Treffpunkte in ihrer Entwicklung unterstützt und möglichst eine programmatische Bespielung etabliert werden. “Verfügbare Flächen und leerstehende Gebäude sollen nach Möglichkeit als Treffpunkte ausgebildet und zur gemeinschaftlichen Nutzung sowie für innovative Projekte aktiviert werden.” (ISEK, S. 95) Um die soziale Infrastruktur zu verdichten, sollen außerdem neue Identifikationspunkte geschaffen werden. Dass Gemeinschaftsräume und Treffpunkte für die Identifikation mit dem Quartier eine entscheidende Rolle spielen, wird ebenfalls hervorgehoben.
„Der Ostpark stellt im Kasernenviertel und für seine Umgebung eine wichtige öffentliche Grünfläche dar. Diesem hohen Nutzungsdruck kann der Ostpark wegen mangelnder Nutzungsangebote allerdings nicht ausreichend gerecht werden. Daher sollen weitere kleinteilige Nutzungsmöglichkeiten geschaffen werden, um viele unterschiedliche Nutzer[*innen] aller Generationen anzusprechen. Ergänzend dazu sind soziale Maßnahmen vorgesehen.“ (ISEK, S. 132)
Für den Zeitraum 2020/21 ist als Entwicklungsschwerpunkt im ISEK u.a. festgeschrieben die ehemalige Betriebsunterkunft des Gartenamts im Ostpark zu aktivieren, z.B. in Form einer Nutzung als Kiosk. Im Rahmen mehrerer Beteiligungsrunden und Bürgerbefragungen wurde deutlich, dass sich die Menschen im Stadtteil auch eine öffentliche Toilette im Ostpark wünschen. Das Gartenamt stellt nun den Bau eines kleinen multifunktionalen Gebäudes an der Stelle der alten Gartenamtsunterkunft in Aussicht, was jedoch aufgrund von nicht eingestellten Mitteln in näherer Zukunft nicht umgesetzt werden wird. Priorität hat bis Ende 2023 die ebenfalls zu insg. 60% durch Bund und Land förderfähige Sanierung der Parkwege und der Theaterwiese, Baumschnitt- und Pflanzmaßnahmen und ein paar neue Spielgeräte. Diese grundlegende Aufwertungsmaßnahme kostet die Stadt 78 000 €. Von den übergeordneten Zielen des städtebaulichen Förderprogramms „Sozialer Zusammenhalt“ ist die Stadt aber noch weit entfernt.
Deshalb entstand die Idee das sog. „Gemeinschaftshaus Ostpark“ als den sozialen Zusammenhalt beförderndes Architekturprojekt selbst in die Hand zu nehmen.
Wer kann zeitnah solch ein Gebäude schneller, kostengünstiger und vor allen besser planen, bauen und betreiben als begeisterte, interessierte Sachverständige, ehrenamtlich Engagierte und ortsverbundene Parkbesucher*innen? Da entsprechendes Interesse vorliegt, sollte die Stadt dem Subsidiaritätsprinzip folgend konsequenterweise die Zivilgesellschaft dabei aufgeschlossen unterstützen.
Auf diesem Wege ergeht herzliche Einladung an alle am Projekt Interessierten an der Pressekonferenz am Freitag 2. Juli um 17 Uhr bei der alten Gartenamtsunterkunft am Nordwestende des Ostparks teilzunehmen.
Am 22. Juli, dem letzten Spieltag des Theaters, wollen wir gemeinsam mit dem Bürgerverein Süd-Ost einen größeren Infostand aufbauen und etwas feiern. Denn dann heißt es: „Das Theater geht, Baustellen bleiben.“ Eine davon sollte – nimmt man das ISEK beim Wort – eine subsidiäre, wegweisende, inklusive, innovative, spektakuläre und noch nie dagewesene Kulturbaustelle sein, die die Bevölkerung im Stadtteil aktiviert, Selbstwirksamkeit im eigenen Lebensumfeld erlebbar macht, das demokratische Selbstverständnis als mündige Bürger*innen stärkt, Kunst und gute Architektur hervorbringt und einen nur so zu schaffenden sozialen Zusammenhalt verstetigt.
Ziel ist es hier im Ostpark mit den Stadtteilbewohnerinnen einen kleinen Kulturort zu schaffen, der nicht nur für das Viertel interessant und bereichernd ist, sondern weit über die Grenzen des Sanierungsgebiets Innerer Südosten eine Anziehungskraft entfaltet.
Erste Infos zum Projekt: https://ribisl.org/projektidee-gemeinschaftshaus-ostpark-mit-angegliederter-oeffentlicher-toilette/
Jakob Friedl
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Ergänzend zu “Diese grundlegende Aufwertungsmaßnahme kostet die Stadt 78 000 €.”:
Die Stadt hat dafür 228 000 € in das Inverstitionsprogramm eingestellt und bekommt entsprechend den Fördermodalitäten im städtebaulichen Sanierungsbegiet 60% des Geldes von Bund und Land rückerstattet. Die Kosten unserer partizipativen Kulturbaustelle “Gemeinschaftshaus Ostpark” würden sich um 2/3 auf die Materialkosten reduzieren und diese wären ebenso zu 60% förderfähig. Sowohl beim selbstorganisierten Bau als auch beim Unterhalt des Gebäudes durch einen Verein erwarten wir eine höhere Qualität bei wesentlich geringeren Kosten.
R.G.
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Wie die Pressefotos zeigen, ein berührendes Zusammenspiel zwischen Bühnenbild, Maskenbild, den Bewegungen der Tänzerinnen und dem Auge des Redakteurs – die schönsten Tanzbilder seit Edgar Degas’ Die Tänzerinnen.