„Die anderen kriegen einfach so Kinder – das muss man betrauern“
Die Diplom-Psychologin Dr. Annette Tretzel und die Sozialpädagogin Christine Koch von pro familia in München, beide zertifizierte Beraterinnen vom Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland, beraten Frauen und Männer, die sich nach einem eigenen Kind sehnen – und bei denen die Sache mit dem Kinderkriegen nicht einfach so klappt. Ein Gespräch über rechtliche Grauzonen, Versagensängste – und die traurige Erkenntnis, dass nicht alles im Leben planbar ist.
Frau Dr. Tretzel, Frau Koch: Das Recht, über die eigene Fortpflanzung zu bestimmen, ist laut pro familia ein wesentlicher Teil des Rechts auf Selbstbestimmung. Nun kann nicht jeder auf natürlichem Wege Kinder bekommen. Welche Möglichkeiten stehen denn in diesem Fall in Deutschland zur Verfügung?
Rechtlich erlaubt sind in Deutschland die Insemination, also die Spermienübertragung in den weiblichen Körper, die Fremdsamenspende – und die In-vitro-Fertilisation, kurz IVF. Das ist die so genannte „künstliche Befruchtung“ in der Petrischale. Und dann noch die ICSI, die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion, bei der einzelne Spermien in die Eizellen injiziert werden. Nicht erlaubt in Deutschland sind Eizellenspende und Leihmutterschaft.
„Ein unerfüllter Kinderwunsch ist ein existenzielle Lebenskrise“
Und wie können Sie bei pro familia Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch helfen?
Wir sind eine Beratungsstelle und können deshalb, um es deutlich zu sagen, nicht dazu beitragen, dass die Schwangerschaft eintritt. Aber da ein unerfüllter Kinderwunsch eine existenzielle Lebenskrise ist, die bei Betroffenen oft zu depressiven Zuständen führt, ist es das Ziel unserer Beratung, den Menschen in dieser akuten Krise zu helfen.
Die meisten Frauen und Männer gehen davon aus, dass – sollte sich ein Kinderwunsch einstellen – dieser auch ohne Probleme verwirklicht werden kann. Doch bei etwa zehn Prozent der Paare ist das ein Trugschluss. Es klappt einfach nicht. Das löst meistens ein Gefühl von Hilflosigkeit aus, weil doch in unserer Gesellschaft so vieles planbar ist. Diese Machtlosigkeit bringt viele Frauen und Männer an ihre Grenzen.
Unsere Beratung zielt deshalb zunächst darauf ab, die Menschen in ihrer Krise anzunehmen. Für viele Paare ist es wichtig, ihre Verzweiflung überhaupt erst einmal zum Ausdruck bringen zu dürfen und dabei auf Verständnis zu stoßen. Darüber hinaus ist es auch wichtig, die gesamte Lebenssituation zu betrachten, zum Beispiel, ob es auch andere Lebensbedingungen gibt, die einen zusätzlich belasten. Eine Veränderung auf diesen Gebieten kann dazu beitragen, den Gesamtdruck auf die Person zu reduzieren, den Blick für Machbares zu öffnen und den unerfüllten Kinderwunsch neu einzuordnen.
„Adoption ist nicht dasselbe wie ein eigenes Kind“
Und wie sieht es mit Adoption aus? Ist das ein Thema?
Klar, auch das wird in der Beratung besprochen. Das bringen die Paare entweder selber auf oder wir sprechen sie darauf an, ob sie sich schon einmal über alternative Möglichkeiten Gedanken gemacht haben. Aber es ist für viele nicht dasselbe wie ein eigenes Kind.
Außerdem ist eine Adoption nicht so einfach. Es gibt viel mehr Paare, die ein Kind adoptieren wollen als zur Adoption frei gegeben werden. Außerdem bestehen auch hier Altersgrenzen, in der Regel höchstens bis 40 Jahre Altersunterschied zum Kind – und viele Paare sind dann zu alt für eine Adoption, wenn sie damit abgeschlossen haben, ein eigenes Kind zu bekommen. Für manche kommt dann noch eine Auslandsadoption in Frage, was wiederum mit hohen Kosten verbunden ist.
Reproduktionsmedizinische Unterstützung ist ja auch mit sehr viel Geld verbunden…
Richtig. 2004 gab es eine Gesundheitsreform und in der wurde festgelegt, dass von den gesetzlichen Krankenkassen bei den ersten drei Versuchen mit IVF oder ICSI nur noch die Hälfte aller Kosten bezahlt wird, die andere Hälfte muss das Paar selber aufbringen. Und der vierte Versuch muss dann in der Regel komplett von den Betroffenen übernommen werden.
Reproduktionsmedizin: enorme finanzielle Selbstbeteiligung…
Aber ist das nicht eine Form sozialer Ausgrenzung? Das kann sich ja nicht jeder leisten…
Natürlich. Außerdem darf die Frau nicht jünger als 25 und nicht älter als 40 Jahre sein. Und der Mann nicht jünger als 25 und nicht älter als 50 Jahre. Dabei gibt es durchaus Frauen, die früher wissen, dass sie Kinder möchten – und auf natürlichem Wege keine bekommen können. Diese Festsetzung einer Altersgrenze ist natürlich auch hinterfragbar.
Im Januar 2012 wurde von den gesetzlichen Kassen allerdings ein Versorgungsstrukturgesetz auf den Weg gebracht, nach dem manche Kassen nun mehr bezahlen dürfen als in der Reform festgelegt. Das war vorher so nicht erlaubt. Einzelne Kassen, wie beispielsweise die AOK Baden-Württemberg, übernehmen zusätzlich noch einmal 25 Prozent der Selbstbeteiligung. Bei den privaten Kassen ist es zum Teil Verhandlungssache, wer wie viel der Kosten übernimmt. Aber es gilt auf jeden Fall eine enorme Selbstbeteiligung zu stemmen und für viele Paare ist das eine große Belastung. Das muss man ganz klar so sagen.
… und verheirateten heterosexuellen Paaren vorbehalten
Sie haben erwähnt, dass eine gewisse Altersspanne vorausgesetzt wird, in der man sich reproduktionsmedizinischer Unterstützung unterziehen darf. Muss man sonst noch Voraussetzungen mitbringen?
Ja, das ist bislang nur verheirateten heterosexuellen Paaren vorbehalten. Es gibt zwar mittlerweile eine Kasse, die auch eingetragene weibliche Lebenspartnerschaften unterstützt. In Bayern ist das jedoch nicht der Fall.
Da fallen natürlich wieder viele durchs Raster… Wie geht man damit in der Beratung um? Also wenn jetzt beispielsweise ein gleichgeschlechtliches Paar zu Ihnen kommt und sagt: Warum werden wir ausgeschlossen?
Wir können den Ärger natürlich verstehen und annehmen. Allerdings ist es nicht unsere Aufgabe, die Gesetzeslage zu bewerten. Wir können in der Beratung keine politische Diskussion führen. Das macht der Bundesverband oder der Landesverband von pro familia. Wir versuchen, Betroffenen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie im Moment haben. Das Wichtigste ist, dass die Paare gut informiert sind, damit sie eine für sie stimmige gemeinsame Entscheidung treffen können.
„Die Hoffnung, dass es beim nächsten Mal doch klappt“
Sie haben ja schon angesprochen, dass es auch eine psychische Belastung ist, wenn man auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen kann. Verschärfen die Hormongaben während der Behandlungen das nicht zusätzlich?
Natürlich. Die extremen Hormongaben bewirken eine zusätzliche Labilisierung. Für die Paare ist es schon nicht leicht, dass sie nicht auf natürlichem Wege Kinder kriegen. Das Annehmen dieser Tatsache ist oft schwer genug. Hinzu kommt die Enttäuschung, weil man all die Untersuchungen und Behandlungen auf sich genommen hat – und es einfach nicht gelingen will. Und dann noch dieses ständige Hoffen und Bangen. Dieses endlose Auf und Ab, weil man nicht weiß, wie es ausgeht und die Hoffnung, dass es beim nächsten Mal doch noch klappen könnte.
Und das wird natürlich durch die körperliche und meist auch psychische Belastung der Hormongaben noch einmal verschärft. Das erleben wir in der Beratung immer wieder. Deswegen ist es auch wichtig, mit den Paaren darüber zu sprechen, ob sie vielleicht mal eine Pause von den Kinderwunschbehandlungen brauchen, weil die Belastung zu groß ist – auch für die Beziehung.
Irgendwann in der Beratung geht es schließlich auch um die eigenen Grenzen: Wie weit will ich gehen, was halte ich noch aus? Und vielleicht geht es dann auch darum, sich mit dem Abschied vom Kinderwunsch auseinanderzusetzen, sich dem zu stellen und den Trauerprozess zuzulassen…
„Wo fängt Leben an? Wie weit kann man gehen?“
Viele Menschen mit Kinderwunsch gehen auch ins Ausland, um sich reproduktionsmedizinische Unterstützung zu holen. In welche Länder gehen sie vornehmlich?
Von der Europäischen Gesellschaft ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology, Anm. der Redaktion) gab es 2009 eine Pilotstudie, in der untersucht wurde, in welchen Ländern die einzelnen Paare Hilfe suchen. Das ist zwar auch schon wieder fünf Jahre her, aber ein Ergebnis war, dass viele wegen Eizellspenden nach Tschechien oder Spanien gehen, weil das in Deutschland nicht erlaubt ist.
Wenn man sich die Diskurse so ansieht, dann war früher „Abtreibung“ das Tabuthema schlechthin. Hat die Diskussion um das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung die Kontroverse um Abtreibung abgelöst?
Nein. Das ist nach wie vor beides ein Thema. Und ja, die Diskurse um den Schwangerschaftsabbruch sind liberaler geworden, aber im Großen und Ganzen ist es immer noch ein Tabu. Kürzlich war in der Stuttgarter Zeitung wieder ein Bericht über einen Abtreibungsarzt, der von Lebensschützern ziemlich angefeindet wurde.
Die Debatten sind in diesen beiden Bereichen deswegen so hitzig, weil sie grundlegende ethische Fragen betreffen: Wo fängt Leben an? Hat die Mutter ein Recht auf Selbstbestimmung und wie steht es mit dem Recht des Ungeborenen? Wie weit kann man gehen? Darf man in „natürliche“ Prozesse eingreifen?
Schwangerschaftsabbruch ist vielleicht derzeit in der Presse nicht so ein Thema, aber in der Beratung nach wie vor – und für viele immer noch ein unaussprechliches Tabu. Glücklicherweise gibt es in der Beratung den Raum, auch über das Tabu Schwangerschaftsabbruch zu sprechen und viele Frauen und auch Männer nutzen ihn, auch wenn die Beratung vorgeschrieben ist.
„Viele schämen sich, weil es bei ihnen nicht klappt“
Gehen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch offen mit dem Thema um oder sind Sie die einzigen, mit denen sie dann wirklich sprechen können?
Wir erleben oft, dass Paare damit Probleme haben. Dass viele sagen, sie reden kaum mit jemandem darüber. Und es kommt ja auch immer darauf an, welcher Behandlung sie sich unterzogen haben. Wenn eine Frau kommt, die sich in Spanien eine Eizelle hat spenden lassen, dann wird darüber nicht gesprochen oder nur im allerengsten Verwandtschaftskreis, weil dies in Deutschland nicht erlaubt ist. Aber auch bei erlaubten Behandlungen haben die Paare Schwierigkeiten, darüber zu reden.
Wieso? Schämen sich die Menschen dafür, dass sie Hilfe in Anspruch nehmen müssen?
Ja. Viele schämen sich, weil es bei ihnen nicht einfach klappt, wie es scheinbar bei allen anderen der Fall ist – und sie haben das Gefühl, dass sie das persönlich beeinflussen könnten. Und in dem Moment, in dem sie es nicht schaffen, kommt oft eine gewisse Schuld auf. Es entstehen Versagensgefühle und viele haben Angst, nicht zu genügen.
Aber genau darum geht es, zu begreifen, dass nicht alles steuerbar ist und in unserer Macht liegt. Früher dachte man ja, dass es auch psychische Ursachen dafür gäbe, warum ein Paar nicht schwanger wird. Zum Beispiel, weil die Mutterbeziehung nicht aufgearbeitet ist oder weil das Paar nicht die richtige Einstellung zum Kinderkriegen hat. Das ist durch Studien zum Glück widerlegt worden. Und das ist wirklich immens wichtig, weil genau diese Denkweise zwangsläufig in ein Gefühl der Selbstverschuldung mündet.
Social Freezing ist kein Garant für ein Kind…
Und dennoch: Wir leben im Zeitalter zu planender Lebensverläufe. Die Fruchtbarkeit nimmt jedoch bei Frauen mit 35 Jahren stetig ab, weshalb das sogenannte Social Freezing immer mehr diskutiert wird. Spricht aus Ihrer Sicht etwas dagegen, sich Eizellen für den späteren Kinderwunsch einfrieren zu lassen?
Wir bewerten das nicht. Aber es ist wirklich wichtig, die Frauen gut aufzuklären. Gerade bei diesem Thema werden oft Versprechen gemacht, die so nicht zutreffen. Daher ist es sehr wichtig zu fragen: Was sind die Vorteile, was sind die Nachteile? Denn eigentlich kommen Frauen in der Regel erst mit Ende 30 auf den Gedanken, sich Eizellen einfrieren zu lassen. Das Alter der Eizellen spielt aber bei dieser Behandlung eine wichtige Rolle: Der wirklich sinnvolle Zeitpunkt, um eine Eizellreserve anzulegen, liegt zwischen 20 und 30 Jahren, und in der Weise diskutieren wir das auch mit den Frauen.
Aber genau dann wissen die Frauen oft noch gar nicht, ob sie die Eizellreserve überhaupt brauchen. Und eine früh angelegte Reserve, das hat sich mittlerweile auch gezeigt, wird tatsächlich oft gar nicht gebraucht. Das heißt, hier steht eine unwahrscheinliche Nutzung einem hohen finanziellen Aufwand und einer enormen Belastung gegenüber.
Man benötigt drei bis vier stimulierte Zyklen, damit eine entsprechende Reserve da ist. Manche Ärzte sagen, es sollten so viele Eizellen eingefroren werden, wie die Frau alt ist, bei einer 20-Jährigen wären das 20 Eizellen, bei einer 40-Jährigen dann schon 40 Eizellen, da die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung mit dem Alter der Frau sinkt. Das bedeutet allerdings für die Frau, dass sie während drei bis vier Zyklen hohe Dosen Hormone injiziert, obwohl sie noch gar nicht weiß, ob sie diese Eier überhaupt brauchen oder nutzen wird. Das ist quasi prophylaktisch. Es ist wirklich die Frage, ob man das auf sich nehmen will. Und je älter eine Frau, desto stärker muss sie stimuliert werden.
Außerdem kostet so ein Zyklus im Schnitt an die 3.000 Euro. Bei drei Zyklen sind das 9.000 Euro und dann macht die Einlagerung auch noch 200 bis 300 Euro im Jahr aus. Pro Eizelle besteht jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit von acht bis zehn Prozent, dass sie befruchtet werden kann. Damit wollen wir nicht sagen, dass man es nicht machen soll. Aber es heißt ganz einfach noch lange nicht, dass man dadurch die Sicherheit hat, sich seinen Kinderwunsch zu erfüllen.
…und vieles ist dabei auch noch nicht geregelt
Und Social Freezing kann sich nicht jeder leisten…
Nicht nur das. Gerade beim Social Freezing ist vieles ja auch noch gar nicht geregelt. Bis zu welchem Alter dürfen die Eizellen eingesetzt werden? Darf man das dann auch noch mit 55 oder 60? Was bedeutet eine so späte Elternschaft für das Kind? Sowohl die gesetzliche Regelung als auch der gesellschaftliche Diskurs hinken hinterher, weil die medizinische Entwicklung einfach schneller ist.
Insgesamt glauben wir, dass diese „Prophylaxe“, wie es zum Teil genannt wird, und die damit versprochene Planungssicherheit der Realität nicht ganz gerecht wird, auch wenn es Frauen mehr individuelle Freiheiten ermöglichen kann. Zum Beispiel dann, wenn sie auch ihre beruflichen Ziele verfolgen wollen oder noch nicht den „richtigen“ Partner gefunden haben.
Frau Dr. Tretzel, Frau Koch, vielen Dank für das Gespräch!
Anneke Wittermans
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Und wann die Kinder nicht kommen, wie kann man damit umgehen
Tanz Seminar Regensburg 12-16 Februar
Ode an die letzten der Linie……..
Seit einer Ewigkeit fließt der mütterliche Strom und war
niemals unterbrochen.
In ihrem ’Wasser’ trägt die Frau
Botschaften aller Generationen vor ihr.
Sie trägt dieses ’Wissen’ in ihrem Schoß.
Mit Dir, als letzte der weiblichen Linie,
hört der Strom auf zu fließen.
Du, als letzte des weiblichen Stromes,
bist leidenschaftlich und lebst intensiv.
Alle diese ‘Kräfte’ kommen in Dir zusammen.
Du stehst im Brennpunkt, wirst gereinigt
und letztendlich geläutert.
Dann strahlst Du Licht aus.
Da die Linie bei Dir aufhört, entsteht die Dringlichkeit,
das Beste zu verfeinern, das Verlangen,
den Stammbaum zu reinigen,
uneigennützig und selbstlos
in eine bessere Welt zu investieren.
Du trägst wichtige Werte in Dir.
Als letzte des weiblichen Stromes hast Du nichts zu verlieren.
Du kristallisierst aus, was vor Dir war.
Durch Dich bleibt das Feuer unter uns brennen.
Ich bin Dir dankbar, dass Du Dich dafür einsetzt.
Mit Hingabe bist Du dienstbar.
Dir schwebt eine bessere Welt vor.
Anerkennung und Ehre für Dein oft einsames Amt.
Du bist das strahlende Licht unter uns.
A.W. 2007