„Die 68er waren Idioten. Wir auch!“
Peter Gauweiler trat 1968 als Student in die CSU ein. Selten ist ein Statement zur Weltanschauung einfacher zu interpretieren. Heute fühlt sich der ehemalige Konterrevolutionär und Superkonservative sogar ein klein wenig links und schwelgt gerne in Erinnerungen an damals, als er Fritz Teufel nach Stadelheim fuhr. Die Anekdoten von damals gab Gauweiler bei einer Buchvorstellung an der juristischen Fakultät vor einem mäßig besetzten H24 zum Besten.
Altersmilde (oder -müde?) ist er geworden, der Doktor Peter Gauweiler, CSU-Urgestein, Intimus von Franz-Josef selig, lange Jahre Kabinettsmitglied im Range eines Staatssekretärs, Polemiker von hohen Graden (im Münchner Hofbräukeller hüpfte er bei einer Abrechnung mit seinen CSU-internen Widersachern wie ein wild gewordener Ziegenbock hinter dem Mikrofon herum und schrie in den Saal, es interessiere ihn kein parteiinterner „Schafscheiß“). Er war glühender Verehrer von FJS selig, an dessen Grab er wie ein Oberstleutnant salutierte. In der Oberpfalz kannte man ihn als resoluten Innenstaatssekretär, der die atomare WAA in Wackersdorf mit Polizeigewalt durchsetzen wollte. Gauweiler war es, dem der damalige Polizeipräsident Hermann Friker seine Ablösung „verdankte“. Er war denen aus München einfach zu liberal. Und jetzt?
Früher: Mit Fritz Teufel nach Stadelheim
Gauweiler – Linkenspott in den 70er Jahren „Gauleiter“ – besucht Talkshows und Signierstunden. Und so kam die juristische Fakultät der hiesigen Alma Mater auf den glorreichen Gedanken, den Band „Reform und Revolte“, der sich mit den 68ern und deren Vermächtnis befasst, zu präsentieren und den „Contra-68er“ Gauweiler zu einem recht unterhaltsamen Abend auf das Podium zu bitten. Zwei Moderatoren, die auf Grund ihrer relativen Jugend ’68 nur noch aus der Zeitgeschichte kennen, befragten den Zeitzeugen, der eigentlich keiner war. Sieht man mal davon ab, dass die 68er-Ikone Fritz Teufel ihn, den rechten Gauweiler, einmal darum bat, ihn in dessen Auto nach Stadelheim mitzunehmen.
Heute: „Weißt du noch?“ mit grünen „Kameraden“
„Unter den Talaren – der Muff aus 1000 Jahren“: Mit Parolen wie diesen legte die Studentenbewegung den Grundstein dafür, dass später die verstaubte Ordinarien-Universität abgeschafft und eine verfasste Studentenschaft (AStA) begründet wurde. Ins Studentenparlament zog damals auch Peter Gauweiler ein. Er hatte für den neun Mitglieder „starken“ RCDS kandidiert. Die damaligen Rivalen – insbesondere aus Kreisen des SDS – verortet Gauweiler heute in erster Linie bei den Grünen. Eine gewagte These, zumal man ja weiß, dass die Willy-Brandt-SPD den studentischen Rebellen von einst die Türe erst öffnete und dann, man schrieb das Jahr 1972, per Einführung der Berufsverbote („Radikalenerlass“) wieder zuschlug. Gauweiler hat keine Berührungsängste. Mit manchem Grünen-Promi trifft er sich zu „Weißt-du-noch-Abenden“ und spricht vertraulich von „Kameraden“. Gauweiler hat viele Kameraden, wenn er heute – wie immer wieder mal – im Verein mit der Opposition aus dem Bundestag vor das Bundesverfassungsgericht zieht.
Weltanschaulich bewusster Bild-Kolumnist
Mit Oskar Lafontaine, dem Übervater der Linken, versteht er sich blendend. Gauweiler war einer der ersten, der Lafontaine nach dem Attentat auf ihn am Krankenlager aufsuchte. Später verabredete man sich zu Bildzeitungs-Kolumnen. Wobei Gauweilers Herz „am rechten Fleck“ schlägt, während Oskar kategorisch auftrumpft mit der Weisheit „Das Herz schlägt links“. Naja – das Boulevard-Blatt bot beiden eine Bühne, die auch beide zu nutzen wussten. Mit etwas Wehmut in der Stimme berichtete der vielgefragte Autor, dass man in jenen bewegenden Jahren „weltanschaulich bewusster“ auftrat. Wörtlich: „Wir waren 1968 die Gegner der Gegner und ziemlich aggressiv waren wir auch!“ Diese Aggressivität gipfelte in der unsäglichen Parole „Freiheit oder Sozialismus“, mit der man eine Kanzlerschaft Willy Brandts zu verhindern trachtete. Das ging voll daneben.
Der junge Gauweiler: Keine Argumente gegen Sex im Unterricht
Zwischenrein immer wieder Anekdotisches in der sonst so akademisch abgeschotteten juristischen Fakultät: Gauweiler berichtete von „sozialistischen Schülern“, die forderten, im Sexualkundeunterricht öffentlich den Geschlechtsverkehr auszuüben. „Dem hatten wir nichts entgegenzusetzen!“ Zumal ja Sex nicht in ein Rechts-/Links-Schema passt. Anders verhielt es sich, wenn Demonstranten mit „Bildern von Massenmördern“ – „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“ – durch die Straßen zogen. Das machte den „evangelischen Oberbayern“ so richtig fuchtig. Die Verhältnisse an der Uni Regensburg waren dem gelegentlichen Besucher Gauweiler damals „zu langweilig“. In München befahl hingegen der damalige Polizeipräsident Schreiber Wasserwerfer und Pferdestaffeln auf die Straßen und den Störenfrieden ging es meistens nass nei’…
68er-Rebellen: Faschingsmäßig, aber nicht bös’
Das Verhältnis zu führenden 68ern war für Peter Gauweiler ambivalent. Mal befand er: „Verflucht noch mal, die haben ja recht“; generell jedoch vertrat er die Auffassung, die linken Studenten hätten dem Terrorismus der 1970er Jahre den Boden bereitet. „Das ist dann in eine völlig falsche Richtung gelaufen“. Wer wollte dem widersprechen?! Auf der anderen Seite kommentiert der altersmilde Redner, dass „diese Zeit auch so eine faschingsmäßige Bedeutung“ hatte. Conclusio des Stargasts im schlohweißen Haar samt Schnauzer: „Die 68er waren nicht bös’, sie waren nur Idioten. Wie wir alle auch!“ Beifall, Dankesworte, Verabschiedung…
iggy
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„Die 68er waren nicht bös’, sie waren nur Idioten. Wie wir alle auch!“
In jedem Fall sind die 68er grandios mit ihrem Anspruch gescheitert – sowohl die politisch organisierten Damen und Herren auf Seiten SPD und GRÜNE ( siehe die Genossen Schily, Fischer, Trittin, Schröder, Roth … alle im Turbo vom Maoisten zum saturierten Berufspolitiker) als auch all die anderen Kasperl (Langhans) die heute in die Esoterikecke abgedriftet sind. Nicht zu vergessen Herr Mahler, der ist ja gleich zur NPD gewechselt.
Wie kann man diese Personen achten, wie kann man diesem Personenkreis überhaupt irgendetwas anderes zugestehen als einen “kräftigen” Arschtritt?
norbert e. wirner
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@iggy:
im prinzip haben sie recht, und hätten diese 68er damals wie auch immer das land “übernommen”, dann wäre es vermutlich im chaos versunken – oder es gäbe es heute nicht mehr.
aber diese menschen brachten bewegung in ein system, das gut für die unmittelbare nachkriegszeit war, jedoch im fortfauernden frieden zu erstarren begann – und damit nicht mehr flexibel war.
so gesehen erkenne ich das durchaus als lebens”leistung” an, einen ganzen staat so in wallung gebracht zu haben, dass dadurch und im laufe der zeit einiges an guten ansätzen in größtenteils vernünftiger form übernommen wurde.
Bernhard Segerer
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Die 68er werden immer wahlweise über- oder unterschätzt. Und abwechselnd als gefährliche Extremisten, gescheiterte Utopisten oder (wo der Marsch durch die Institutionen geklappt hat) als verräterische Opportunisten gescholten. Notwendig waren sie allemal. Rückblickend lässt sich leicht stänkern – ich sag`: erstmal nach- bzw. besser machen! Wie im übrigen auch ohne die 2. Frauenbewegung, die heute (eigentlich ja schon immer) auch so gern durch den Kakao gezogen wird. Ich will nicht wissen wo wir heute ohne diese “Generationen” stehen würden!
iggy
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@Bernhard Segerer
Tatsaechlich hatte ich kurz “gezuckt” eine Frau Schwarzer in meine Liste aufzunehmen. Zwar macht diese zwischenzeitlich fuer BILD Werbung, agiert offen “pro Merkel” und tritt pro Monat gefühlte 5x in spiessig biederen Talkshows auf – das aber dachte ich mir reicht nicht sie in eine Reihe mit genannten Personen zu stellen :-) ;
Ooops … jetzt hab ich auch noch Frau Schwarzer durch den Kakao gezogen anstatt mich für ihre Lebensleistung zu bedanken.
Oje...
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Die “Lebensleistung” einer Frau Schwarzer ist längst negativ, nicht nur seit ihrer Dauerwerbepropaganda für ihren Arbeitgeber, die BILD-Zeitung.
Selbst ihrer eigenen Sache hat Frau S. zuletzt mit ihrer hochnotpeinlichen “Berichterstattung” über den Wetterfrosch-Prozess einen Bärendienst erwiesen. Wer sich nicht mehr erinnert: Live-Reportagen für BILD aus dem Gerichts-Saal, während sich Frau S. nachgewiesenermaßen hunderte von Kilometern entfernt befand … (das ist beinahe noch besser als das jüngste MZ-Geniestück einer Frau Böken zu einer Regensburger Stadtratssitzung).
Dubh
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@ iggy
Wie Sie mal wieder voll Bescheid wissen…………………
Maoist war eigentlich nur Trittin – später – denn 1968 war er 14 Jahre alt, Claudia Roth 13 Jahre und ab 1971 bei den Jungdemokraten.
Die Grünen wurden übrigens erst 1979 bzw. als Bundespartei 1980 gegründet………………..
Frau Schwarzer passt zwar vom Alter her, hatte aber nie was mit der Studentenbewegung, und nur bedingt mit der daraus hervorgegangenen linken autonomen Frauenbewegung zu tun, mit Ausnahme der Abtreibungsfrage sogar häufig gegenteilige Positionen.
Für BILD zu werben und zu schreiben ist bei Frau Schwarzer durchaus folgerichtig
Ich wage extrem zu bezweifeln, dass Sie auch nur einen Hauch von Ahnung bezüglich des “Anspruchs der 68er” haben.
Wäre der vollständig gescheitert, wie Sie behaupten, würden Sie verdammt dumm aus der Wäsche gucken, was Ihr gesamtes Alltagsleben und einiges mehr anbetrifft.
Zurück in die 1950er und frühen 60er Jahre wünschen sich nur Leute, die diese Zeit nicht aus eigenem Erleben kennen, und völlig falsche Vorstellungen davon haben, bzw. die von Leuten übernehmen die solche schüren.
Väterchen Franz
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Ich habe die Zeit hautnah miterlebt und würde mich nie als 68er (auch wegen Joseph Martin Fischer und noch schlimmern Typen) bezeichnen.
Die friedlichen Proteste waren bis 67 (Benno Ohnesorg) dann nahmen die Caoten auf beiden Seiten überhand. Ich bleibe deshalb ein 67er.
tim
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Sind die 68er nun mit ihrem “Anspruch” gescheitert oder nicht? Dazu müsste man erstmal einige darüber werden, was deren Anspruch war. Sollte es die Überwindung des “Kapitalistischen Systems” zugunsten eines Sozialistischen Staates gewesen sein, dann sind sie grandios gescheitert. Zum Glück. Und dies war – wie sich aus vielen theoretischen Schriften der damaligen Wortführer herauslesen lässt – der Anspruch vieler Wortführer. Sollte es der Anspruch gewesen sein, die Gesellschaft etwas zu verlockern, dann sind sie damit nicht gescheitert. Zum Glück. Aber dies war lediglich der Anspruch breiter Bevölkerungsschichten, die mit “den 68ern” im engeren Sinne nichts zu tun hatten, ihnen und ihren Parolen aber ziemlich dümmlich hinterherliefen. Wie das jüngere Menschen eben gerne tun, die Generation vorher den braunen, die Generation danach den Turbokapitalisten.
Iggy
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@dubh
Ich will doch gar nicht zurück in die 50er oder 60er :-) ; ganz sicher nicht!
Ich sag doch nur dass die 68er grandios gescheitert sind, die genannten Personen völlig amoralische Lumpen sind und ich keine Lebensleistung erkennen mag. Mit Ausnahme von Uschi Obermaier – die ist total super gewesen und ist es immer noch :-).
Den durchaus freiheitlichen Lebensalltag und Wohlstand heute der Lebensleistung der 68er zuzuschreiben ist Humbug und gröbste Geschichtsklitterung. Daran haben diese Personen sehr sehr wenig Beitrag, im Gegenteil.
Roland Hornung
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Ja, die meisten jener “Alt-68” hatten mehr versprochen, mehr Erwartungshaltung erzeugt, als sie halten konnten. Sie predigten Wasser und tranken Wein.
Ich war damals noch Schüler, und wartete gespannt, was kommt. Ob überhaupt etwas kommt.
Manches, Vieles ist gut, was sie “angestoßen” haben. Vieles ist Murks, vieles sehr schlimm. Der erste Brandanschlag auf eine Synagoge (glücklicherweise gescheitert!) nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland wurde nicht von den bösen Rechtsradikalen versucht, sondern von den ach so “guten” Linken. Wirklich “links” waren die wenigstens von denen, ein paar waren eher rechtsradikal, siehe Horst Mahler und sein weiteres Leben. Pfui Deibel, auf so etwas kann ich sehr gerne verzichten.
Mathilde Vietze
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Ja, nach einer stürmischen Jugend, entdeckt man plötzlich
die christliche Tugend.
tim
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Da werden ja jede Menge (und nur) Klischees über “die 68er” breit getreten. Es war eine logische, notwendige Revolte gegen Vietnam-Krieg, die nachfaschistische BRD etc. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
tim
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“Nachfaschistische BRD”, dass ich nicht lache. Die Gesellschaft war damals sicherlich nicht so “offen” wie heute. Man hat damals gegen einen Staat revoltiert, der alles andere als nachfaschistisch, totalitär etc. war und ist linken Bauernfängern hinterhergelaufen, obwohl man eigentlich die gesellschaftlichen Zustände ändern wollte. Das hätte schlimm enden können…
wolfagng port
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soweit ich weiß,soll uran-aufarbeitung wackersdof moderne suprer-oeko anlage gewesen sein– heute nach frankreich verlagert, dort geht auch mal radioaktivität ins meer. bezw. durch schornstein. die ach so großen öko-aktivisten contra wackersdorf sind darüber heute ganz still.