24 Jun2009
DGB: Mehr Geld fürs Sozialsystem, nicht für die Ärzte
Mehr Geld fürs Sozialsystem ja, mehr Geld für die Ärzteschaft nein. So lässt sich die Haltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf den Punkt bringen. Bei einem Pressegespräch am Regensburger Bezirksklinikum kritisierte der als Nachfolger von DGB-Bayern-Chef Fritz Schösser gehandelte Dominik Schirmer (im Bild) die Ärzteproteste in Zusammenhang mit der Honorarreform. Gleichzeitig kündigte er verstärkte Streiks im Kita- und Betreuungsbereich an.
Sowohl die Forderungen der Ärzteschaft nach mehr Geld, wie auch die Verunsicherung der Patienten durch die falsche Behauptung, die flächendeckende medizinische Versorgung sei gefährdet, sind für Schirmer verfehlt. „Wenn man es genau nimmt, müsste man sogar von einer Überversorgung sprechen“, so Schirmer. Der Leiter des Fachbereichs Gesundheit bei verd.i Bayern räumt zwar eine „höchst ungerechte“ Verteilung der Honorare ein – die Ärzte mit direktem Patientenkontakt seien die Verlierer der Reform. „Allerdings haben die Ärzte über die Kassenärztliche Vereinigung selbst für diese Verwerfungen gesorgt. Das war nicht die Politik.“ Die Kassenärztliche Vereinigung müsse selbst für eine gerechtere Verteilung des Kuchens sorgen. Die Forderung nach mehr Geld für die Ärzte setze andere Bereiche unter Druck, so Schirmer. Die Angestellten im Krankenhaus-, Pflege- und Betreuungsbereich müssten das letztendlich ausbaden. „Dort fehlt das Geld schon jetzt.“
Als Beispiel nennt Schirmer das Bayerische Rote Kreuz. Zwischen 2004 und 2008 hätten die Angestellten hier einen Einkommensverlust von 38 Millionen Euro hinnehmen müssen. „Nun wird erneut eine Nullrunde gefordert, anstatt die völlig veralteten Verwaltungsstrukturen zu reformieren“, kritisiert er. Während Malteser oder Caritas ihre Organisationsstrukturen angepasst hätten, leiste sich das BRK weiter 79 Kreisverbände mit den dazugehörigen Verwaltungsposten, „die aus den Sozialversicherungssystemen alimentiert werden“. Der Ruf nach mehr Geld sei nur glaubwürdig, wenn endlich die Bereitschaft bestehe, sich kritisch mit den eigenen Strukturen auseinanderzusetzen, anstatt bei den Beschäftigten zu sparen, so Schirmer.
Dass mehr Geld ins Sozialwesen gepumpt werden muss, darüber sind sich die Gewerkschaftsvertreter indessen einig – in den vergangenen neun Jahren ist die Staatsquote in diesem Bereich dem DGB zufolge um 100 Milliarden Euro gesunken. Eine bessere Finanzierung könne allerdings weder auf dem Rücken der Beschäftigten noch der Versicherten geschehen. Das Stichwort lautet: solidarische Finanzierung. Unter anderem fordert der DGB eine paritätische Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern am Sozialsystem. Darüber hinaus müssten neben dem Arbeitseinkommen auch andere Einkommensarten bei den Beiträgen herangezogen werden. Schirmer: „Das Geld ist da. Man muss nur den Mut haben, es sich zu holen.“
Mit Blick auf die Tarifauseinandersetzungen im Kita-Bereich kündigte Schirmer an, dass die Streiks bis September andauern werden. Einmal wöchentlich werden Kita-Mitarbeiterinnen die Arbeit niederlegen. Die Streiks sollen auch auf Sozialdienste, Behindertenbetreuung und Forensik ausgeweitet werden. Schirmer: „Regensburg bleibt dabei neben München und dem Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen Streik-Zentrum.“