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Das Investitionsprogramm gilt als finanzierbar, aber nicht als umsetzbar. Schlegl und Hartl loben die CSU-SPD-Koalition, der Rest haut mal mehr, mal weniger fest drauf, und der Oberbürgermeister hat sich von diesem parteipolitischen Hick-Hack schon längst verabschiedet. Die Bilanz einer Haushaltsdebatte.
Haushaltsdebatte im Plenum. (Foto: hb)
Norbert Hartl meint es gut mit der Presse. Um den Journalisten die Arbeit zu erleichtern, hat er gleich zu Beginn seiner heiß ersehnten Haushaltsrede ein paar Vorschläge gemacht, wie die Medien der Stadt die Haushaltssitzung aufmachen können. Sein Vorschlag zur Überschrift: „Gestern ging es im Stadtrat hoch her“. Weiter im Text:
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„Nun wollen auch Teile der Opposition an dem Erfolgshaushalt der Koalition teilhaben. Die Haushaltsverneiner Grüne, ÖDP und Linke sind nicht kompromissfähig, sie betreiben lieber Rosinenpickerei. Die CSU-Fraktion kann sich – wieder einmal mit Mühe – gegen die Heckenschützen in den eigenen Reihen durchsetzen und zum Gelingen des Haushalts beitragen. Die fraktionslosen und meinungslosen CSU-Stadträte, die aber Meinungsführer in ihrer Partei sind, sowie deren Ableger von der CSB nehmen ausnahmsweise geschlossen an der Haushaltssitzung teil. Die Sozialdemokraten sind wie immer kompromissfähig und zuverlässig.“
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Belegbar falsch an Hartls Vorschlag: Von der CSB war niemand da. Aber das ist Hartl selbst noch aufgefallen, als der Platz von Gero Kollmer wie üblich leer war.
Schaidinger: Politik ohne Parteien
Über den Rest lässt sich streiten. Beispielsweise über die Beteiligung der Parteien am Gelingen des Haushalts. Oder darüber, ob der Haushalt tatsächlich so uneingeschränkt gelungen ist. Oberbürgermeister Hans Schaidinger jedenfalls scheint an Parteien und Parteipolitik kein Interesse mehr zu haben. Mit keinem Wort erwähnt er die CSU, die SPD oder die Koalition. Die bestimmende Kraft für ihn ist die Verwaltung. Von ihr spricht er oft und vor allem fast schon liebevoll, nimmt sie gegen einen drängenden Stadtrat in Schutz und bedankt sich ausgiebig dafür, dass der Haushalt so frühzeitig fertiggestellt wurde. Schaidinger hat sich aus der Parteipolitik schon längst verabschiedet, was aber nicht heißt, dass er keine Politik mehr macht. Nur eine zerstrittene CSU braucht er dafür offenbar nicht mehr. Die Fraktion liegt ihm – bis auf die Ausnahmen Franz Rieger und Hermann Vanino – zu Füßen, die SPD ist – und da hat Hartl wohl recht in seinem Textvorschlag – ausreichend kompromissbereit, um ihm nicht großartig in die Parade zu fahren.
Seine Rolle als Kopf der Verwaltung ist Oberbürgermeister Hans Schaidinger mittlerweile offenbar lieber als parteipolitische Kleinkriege. (Foto: hb)
Schaidinger gibt sich seriös und besinnt sich auf seine Kompetenz als Volkswirtschaftler. In seiner Haushaltsrede analysiert er die Weltwirtschaft als Rahmen und Bedingung für den städtischen Haushalt, vergleicht Regensburg mit anderen Kommunen und betont die Handlungsfähigkeit der Stadt im Vergleich zu anderen Städten. Ein übervolles Investitionsprogramm in Höhe von 474 Millionen Euro ist ihm dafür ein geeignetes Zeugnis.
Kinderbetreuung, soziale Absicherung, Arbeitsmarkt – für Regensburg anscheinend kein Problem. Und was der Stadtrat nicht kapiert, macht wenigstens die Verwaltung richtig. Beispiel Folgekosten von Großprojekten. Die „spielen in unseren Haushaltsdebatten gemessen an ihrer Bedeutung für diese nachhaltige Haushaltswirtschaft eine zu geringe Rolle. Das heißt aber nicht, dass die Verwaltung sie nicht im Blick hätte.“ Konkret meint er damit die Deckung der Energiekosten für das Haus der Musik, das Museum der Bayerischen Geschichte und die FOS/BOS. Dafür hätte man – also die Verwaltung – sparsame Lösungen gefunden. In diesem Zusammenhang nennt er außerdem das Tagungszentrum im Schlachthof, das zwar nicht kostendeckend betrieben werden könne, aber Chancen auf einem neuen Sektor für Regensburg biete und das fehlende RKK zumindest ein bisschen abfedere.
OB-Warnung aus dem Sommer bremst die Koalition nicht
Ein einziges Risiko sieht Schaidinger im aktuellen Haushalt: Er fürchtet, dass die Umsetzung scheitern könnte. Auch hier wieder: liebevoller Schutz für die Verwaltung. „Bitte verstehen Sie das nicht als Weigerung der Verwaltung, Beschlüsse des Stadtrates zu vollziehen, sondern als notwendige Rückmeldung, was möglich ist und was nicht.“ Aber der Umfang des Investitionsprogramms überfordere die Arbeitskapazität der Verwaltung trotz personeller Verstärkung. Angedeutet hatte Schaidinger dies bereits im Sommer. Gebremst hat das „seine“ Koalition jedoch nicht.
Danach tritt Finanzreferent Dieter Daminger auf. Auch er wirbt für eine Zustimmung zum Haushalt und begründet dies wie im letzten Jahr mit dem damals so oft zitierten „Dreiklang“: solide finanzierte Investionen, Schuldenreduzieren, Aufbau von Rücklagen.
Markiger Mistol: Woli wie Mutter Teresa, Schlegl ein Peter-Altmaier-Klon
Dann, endlich, beginnt die Politik. Jürgen Mistol von den Grünen übt schon mal für die großen Parlamente und feilt an seiner Schlagfertigkeit für den Landtag. Am besten geht das mit markigen Worten, beispielsweise, indem man der SPD vorwirft, für die sozialen Belange nicht genug zu tun und ihnen vorhält, dass es „nicht reicht, wenn Bürgermeister Wolbergs als Reinkarnation von Mutter Teresa aus allen Zeitungen herauslächelt.“ Oder indem man den CSU-Fraktionsvorsitzenden Christian Schlegl als „Regensburger Klon von Bundesumweltminister Peter Altmeier“ bezeichnet. Gehört auch zum guten parlamentarischen Ton: Kritik mit Augenmaß. Die Grünen machen den OB und der Koalition nicht den Vorwurf, sie würden den Haushalt ruinieren. Aber die Prioritäten müsse man überdenken. Beispielsweise die umweltfreundlichen Verkehrsarten fördern und nicht so „autofixiert“ sein, wie es der Stadtrat momentan noch sei. Sich das RKK endlich mal abschminken, der Ernst-Reuter-Platz sei sowieso ungeeignet. Aber die Grünen-Anträge wurden ja schon fast traditionsgemäß abgelehnt.
Artinger: Gegen ein “RKK light”
Ludwig Artinger von der Freien Wählern überraschte gleich zu Beginn seiner Rede mit Fremdsprachenkenntnissen: „Citius, altius, fortius“ – für die Nicht-Lateiner im Plenum folgte gleich die Übersetzung: schneller, höher, stärker. Seine Zusammenfassung des Haushalts. Danach: die Kritik. Zu wenig und zu langsamer Ausbau der Schulen, zu wenig Engagement im sozialen Wohnungsbau, zu wenig Investitionen in den Radverkehr, der ewige Schandfleck Arnulfsplatz, eine Dauerbaustelle an der Steinernen Brücke und ein verschwendetes „RKK light“ im Schlachthof, das das eigentliche RKK zumindest in Teilen überflüssig mache. Trotzdem gibt es die Zustimmung der Freien Wähler zum Haushalt. Irgendwie will man an „citius, altius, fortius“ offenbar doch beteiligt sein und nicht nur „Rosinenpickerei“ betreiben, wie Hartl es den Haushaltsverneinern zum Vorwurf machen wird.
Tritt für eine “Lebensrendite” ein und wähnt die CSU als Erfolgsmotor für Regensburg: Christian Schlegl. (Foto: hb)
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Die Anerkennung, die Schaidinger der CSU wortlos verweigert, bringt schließlich deren Fraktionsvorsitzender Christian Schlegl zur Sprache. Seit 34 Jahren trage die CSU-Fraktion die Verantwortung für diese Stadt; „Wer demnach etwas anderes behauptet, (…) verkennt die Realität und muss den Gegenbeweis antreten.“ Auch unter OB Christa Meier (SPD) habe die CSU maßgeblich zum Erfolg beigetragen. Wie dieser Erfolg funktioniert? Durch „Lebensrendite“. Wie man die kriegt? Durch Investitionen in „die Verfügbarkeit von günstigen Wohnraum“, „Wahlfreiheit der Bildung“ und „Bezahlbarkeit der Energie“. Komisch nur: Wenn die CSU all das macht, dürfte es ja eigentlich keine Unstimmigkeiten geben, oder? Der Abstand zu einem politischen linken, grünen oder sozialdemokratischen Programm scheint in dieser Auflistung nicht allzu groß zu sein. Und sonst so? Schuldenabbau, Generationengerechtigkeit, Familienfreundlichkeit, Bürgernähe. Fast schon idyllisch.
Hartl will Koalition bis 2014 durchbringen
Auch SPD-Fraktionschef Norbert Hartl lässt es sich nicht nehmen, alle wesentlichen Themen des vergangenen Jahres in seiner Rede abzuarbeiten. Wer das letzte Jahr verpasst hat, weiß nach Hartls Ausführungen immerhin recht genau, an welche Themen er sich halten muss. Und bei allem Lob für die CSU-Fraktion macht Hartl deutlich: Unter einem Sozialdemokraten würde es noch ein kleines bisschen besser laufen. Deshalb: Woli for Oberbürgermeister. Bis dahin werde man aber noch „verlässliche und solide Arbeit im Stadtrat und in der Koalition“ leisten, auch wenn das nicht immer ganz einfach sei und von außen das Ende Koalition bei jeder Meinungsverschiedenheit beschworen werde.
Norbert Hartl hat es in der Koalition mit der CSU nicht immer leicht, verspricht aber Durchhaltevermögen bis 2014.. (Foto: hb)
Hartls Folgeredner, Benedikt Suttner, hatte dieses Jahr Premiere. Doch den ÖDP-Jungspund ereilte das gleiche Schicksal wie Eberhard Dünninger, der in den Jahren zuvor ans Rednerpult geschickt wurde: Verschämt, aber unaufhaltsam verlassen Stadträte und Journalisten den Saal. Irgendwann muss man ja schließlich auch mal… die Bequemlichkeiten aufsuchen, einen Happen essen, ein dringendes Telefonat führen, den Nikotinspiegel auffrischen… Ausführlich beschäftigt auch er sich mit dem, was die Koalition aus ÖDP-Sicht falsch macht: zu wenig ÖPNV und Radverkehr, nach wie vor zu teurer Wohnraum, Festhalten am RKK, macht dabei das Stadion als Grundübel des Haushalts aus und wirbt für mehr Transparenz im Rathaus und den städtischen Tochtergesellschaften.
Freihoffer empört: Nicht Stadtrat entscheidet, sondern ein “Politbüro”
Viel Anerkennung und nur wenig (vorhersehbare) Kritik gab es von FDP-Mann Horst Meierhofer. Das Stadion… Ja, daraus hätte man mehr machen können, mehr machen müssen. Die Kinderbetreuung sei gut, aber noch nicht perfekt, eine Parallelbrücke zur Autobahn sinnlos. An dem thematischen Standards (Wohnungsbau, ÖPNV, Brücken) hangelte sich auch Irmgard Freihoffer von den Linken entlang. Pflichtgemäße Kritik am Handeln der Koalition, die Umwelt, Soziales und Kultur, besonders aber das Stadtarchiv sträflich vernachlässigen würde. Aufgebracht von den unablässigen Spitzen aus dem Mund des Oberbürgermeisters gegen ihr Eintreten für die Linkspartei, garnierte Freihoffer ihre Rede mit einem Gegenangriff: „Demokratie war gestern“, die Entscheidung darüber, was angesichts des nicht umsetzbaren Investitionsprogramms heute und was morgen abgearbeitet werde, liege nicht in demokratischer Hand, sondern werde vom „Politbüro“ getroffen. Der Feind der Demokratie sitzt also ganz wo anders!
Weihnachtsinspiration? Eine Phrasendreschmaschine für Christian Schlegl
Außerdem im Angebot der Lehrerin: Die Forderung nach mehr Anstand im Stadtrat. Weg von den Polarisierungen Schaidingers und Schlegls. Gleichbehandlung aller Stadträte, auch wenn diese nicht in „Fraktionsstärke“ auftreten. Freihoffer empfiehlt: eine „Phrasendreschmaschine“ für Christian Schlegl und eine Umschulung Norbert Hartls zum professionellen Fastenprediger; würde er sich dafür entscheiden und seinen Job als Politiker an den Nagel hängen, wären seine Äußerungen auch nicht mehr so „hinterfotzig“.
Das war sie also, die Haushaltsdebatte 2012. Die Abstimmung war vorhersehbar und entsprach den Verhältnissen im Verwaltungs- und Finanzausschuss am Dienstag. Und mit Blick auf die Ankündigung der Unumsetzbarkeit steigt die Spannung, welche Projekte es 2013 tatsächlich auf die Agenda schaffen. Schließlich wird in einem Jahr Schaidinger seinen letzten Haushalt vorstellen. Und die potenziellen Nachfolger können schließlich schon mal spekulieren, was ihnen der aktuelle OB so alles „vererben“ wird…
Haushaltsreden im Wortlaut, wie von den Büros weitergeleitet: