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Stefan Hajdu hat den Holocaust überlebt. Er war als Jugendlicher in Auschwitz, Buchenwald und Flossenbürg interniert. Am Donnerstag erzählte er der Historikerin Anna Andlauer von seiner Kindheit während und nach der Nazi-Diktatur.
Stefan Hajdu: Familienmitglieder und Kameraden “vergast und verschwunden” Foto: Liese
Es gibt Geschichten, die scheinen auch nach vielen Jahrzehnten nichts an Intensität zu verlieren. Die von Stefan Hajdu gehört dazu. Jener Mann, der 1929 in Ungarn am Balaton geboren wurde, hat in seinem Leben viel erleiden müssen. Ohne Frage hat es ihn gezeichnet – nicht nur körperlich. Doch Hajdu ist ein ruhiger Mann, einer, der für sein Alter ausgesprochen fit wirkt und hellwach. Und der sich sogar zu einigen kleinen Späßchen hinreißen lässt.
Freilich nicht, als er den gut 60 Zuhörern im Bücher Pustet davon erzählt, wie er als gerade einmal 15jähriger von den Nazis ins Ghetto gesperrt, seiner Habseligkeiten beraubt und anschließend ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Vier Tage dauerte die Fahrt im Wagon bei mehr als 30 Grad Hitze. Am Bahnsteig wurde selektiert – die einen gingen links, die anderen rechts. Hajdu und sein Vater wurden als arbeitsfähig befunden. Seine Mutter, seine Großmutter und viele seiner Kameraden nicht.
Der rote Himmel über Auschwitz
„Auschwitz war nur furchtbar“, erzählt Stefan Hajdu mit fester Stimme. „Das Krematorium hat Tag und Nacht gearbeitet, der Himmel war ganz rot.´“ Nach einigen Wochen wurde er gemeinsam mit seinem Vater nach Buchenwald gebracht. Die Stimmung hier beschreibt Hajdu heute als „viel besser als Auschwitz“ – obwohl die Häftlinge in überfüllten Zeltbaracken schlafen und oft stundenlange Appelle über sich ergehen lassen mussten. In den BRABAG-Werken bei Remsdorf musste Hajdu mit seinem Vater Benzin herstellen. Der starb im Dezember 1944 an einer Erkältung.
Als die amerikanischen Truppen näher kamen, versuchte man, die in Buchenwald internierten Juden in andere Lager zu transportieren. Auf dem Weg geriet der Zug in ein amerikanisches Bombardement. Hajdu überlebte nur durch Glück, verlor jedoch sein linkes Bein, dass ihm noch vor Ort notdürftig von einem SS-Mann mit dem Taschenmesser amputiert wurde. Fünf Tage lag er ohne medizinische Hilfe, ohne Schmerzmittel, ohne richtiges Verbandszeug im Wagon. Schließlich brachten die Nazis Hajdu auf einem LKW über einen unebenen Waldweg nach Flossenbürg – die „schlimmste Fahrt meines Lebens“.
Rote Armee durfte nicht befreien
Dem Todesmarsch aus Flossenbürg entging Hajdu, weil er als einer der wenigen Schwerkranken im Revier des Konzentrationslagers bleiben durfte. Am 23. April trafen frühmorgens russische Soldaten ein. Hajdu erinnert sich genau. „Sie durften uns nicht befreien“, erklärt er. Das habe an Absprachen der Alliierten gelegen. Erst am Nachmittag kamen dann die Amerikaner. Hajdu wurde von einer Göttinger Krankenschwester versorgt – Marianne hieß sie, und er würde sie heute gern wiedertreffen. „Sie gab mir Peanut-Butter und Grapefruits“, erinnert er sich.
Erst an dieser Stelle setzt dann die Historikerin Anna Andlauer ein, die ihr Buch „Zurück ins Leben“ präsentiert. Darin hat sie sich mit dem Internationalen Kinderzentrum Kloster Indersdorf beschäftigt. Die Einrichtung der UNRRA, der Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen, kümmerte sich gemeinsam mit den Barmherzigen Schwestern um die kleinsten und jüngsten Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager. Auch Hajdu verbrachte hier einige Zeit. Unter der Leitung von Greta Fischer sollten die Kinder nicht nur körperlich, sondern vor allem auch seelisch rehabilitiert werden.
Andlauer zeigt Interview-Ausschnitte mit Fischer, die beschreibt, dass die schmerzhafteste Erinnerung der Kinder meist die an die Trennung von ihren Eltern war. Stefan Hajdu nickt beipflichtend. „Das Wichtigste war, den Kindern stundenlang zuzuhören“, formulierte Greta Fischer. „Was ich bei allen feststellen konnte, war ein unbändiger Wille, zu überleben.“
Die ersten Schritte in Regensburg
Auch das kann Stefan Hajdu bestätigen. Seine plastischen Schilderungen gehen unter die Haut. Sie drängen die Buchvorstellung in den Hintergrund. Die Autorin hat dagegen freilich nichts einzuwenden. An Regensburg erinnert sich Hajdu besonders gern. Hier erhielt er von der Firma Storz seine erste Prothese. „In Regensburg habe ich meine ersten Schritte gemacht“, sagt er. Das solle man ganz wörtlich nehmen.
Von seiner körperlichen Beeinträchtigung hat sich Stefan Hajdu nie behindern lassen. „Ich kann mit meiner Prothese stehen, laufen, und, wenn ich gute Laune habe, auch tanzen“, sagt er augenzwinkernd. Vielleicht sein größter Triumph: Kurz nach dem Krieg bestieg er gemeinsam mit Freunden in einem fünftägigen Marsch den 1879 Meter hohen Branderschrofen bei Füssen. Das Publikum zollt ihm – freilich nicht nur dafür – mit langanhaltendem Applaus Respekt.