19 Feb2008
Der SSV kämpf für sich allein
Nicht einmal die 34.000 Euro fürs Sportinternat sind in der Vereinskasse
Herbert Schlegl musste öfter telefonieren. Als der CSU-Fraktionschef einen Spieler beim SSV Jahn suchte, der mit dem Oberbürgermeister aufs CSU-Wahlplakat wollte, war es nicht gerade so, das jeder begeistert „Hier” schrie. Schließlich wurde er aber, in Person von Stefan Binder, fündig. Nun gibt es Ärger innerhalb des Vereins, aber dass Jahn-Präsident Franz Nerb das als „Problem 628” sieht, verwundert nicht. Denn nicht einmal drei Jahre nach der Rettung des SSV Jahn vor der Pleite ist der Verein so klamm wie nie. Nicht einmal fürs Sportinternat St. Emmeram, Aushängeschild des Regionalligisten, reicht das Geld. Mit 34.000 Euro liegt man dort in Verzug. Und auch wenn Internatsleiter Edgar Pielmeier beschwichtigend meint: „Wir sind im Gespräch”, scheint es hinter den Kulissen mächtig Zoff gegeben zu haben. Die Drohung, die 18 Jugendspieler erst einmal vor die Tür zu setzen, wenn kein Geld fließt, soll im Raum gestanden sein. Bedenkt man aber, dass Mitte März die Lizenz für die kommende Saison beantragt werden muss, ist auch das ein vergleichsweise kleines Problem.
Der Clinch um 34.000 Euro fürs Sportinternat ist ein kleines Problem
Nun ist es nicht gerade so, dass sich die Regensburger Wirtschafts- und Politgrößen um ein Engagement beim SSV Jahn reißen würden. Auch Franz Nerb musste man 2005 fast schon nötigen, die Präsidentschaft beim damals arg angeschlagenen SSV zu übernehmen und es wundert im Verein nur wenige, dass er im Sommer hinschmeißen wird.
Als der SSV in der 2. Bundesliga (2003/04) spielte, trafen sich Bürgermeister und Banker gern im Stadion und im VIP-Bereich, schulterklopften, lobten und lächelten in die Kameras. Als der Abstieg und später die Nachricht von der Insolvenz im April 2005 kam, blieben die zuvor so gut besuchten Plätze verwaist. Erst als die Rettung in Form des Bauteams Tretzel kurz bevor stand, schaltete sich auch die Politik wieder öffentlichkeitswirksam ein. „Vorher mussten wir den Karren allein aus der Scheiße ziehen”, sagt ein alter SSVler.
Heute – im Wahlkampf – wird parteiübergreifend von Stadionplänen gesprochen. Dass dem SSV wegen ausstehender Sponsorengelder rund eine halbe Millionen Euro fehlen, dass Gehälter von Spielern, Betreuern und sonstigen Mitarbeitern deshalb nur spärlich fließen oder der Verein damit bis zu fünf Monate im Rückstand liegt, das Stadion im Moment also nicht das drängendste Problem ist, wird geflissentlich übersehen. Der Clinch mit dem Sportinternat ist zwar peinlich, aber eigentlich geht es um Peanuts. 3,5 Millionen Euro Miese stehen in der Bilanz, die man größtenteils noch dem alten Präsidium um Heinz Gronewold schuldet.
Sportlich wäre der Erfolg da. In der Tabelle steht man mit der ersten Mannschaft auf einem hervorragenden vierten Platz, mit besten Aussichten nach oben. Mit an die acht Eigengewächsen im Kader der stellt der SSV Jahn zudem eine Ausnahmeerscheinung – nicht nur in der Regionalliga – dar. Die gute Nachwuchsarbeit des Vereins ist bekannt. Erwähnt seien nur die U19 und U17, beide in der Bundesliga. Deshalb ist es besonders peinlich, dass für das Sportinternat, die Kaderschmiede für guten Nachwuchs, jetzt das Geld fehlt. Inoffiziellen Angaben zufolge geht es um 34.000 Euro, die man St. Emmeram schuldet; eigentlich lächerlich bei einem Jahresetat von 2,2 Millionen. Besonders überraschend kommt die erneute Finanzkrise des SSV aber nicht.
Während man sportlich auf einem guten Weg ist, befindet man sich bei der Organisationsstruktur auf dem Niveau eines Dorfvereins in der A-Klasse. Pewrsönliche Eifersüchteleien statt Professionalität. Ein Präsident, der über nahezu uneingeschränkte sportliche und finanziellen Vollmachten verfügt, kein Aufsichtsrat, in dem Vertreter aus Politik und Wirtschaft eingebunden wären, wie es bei nahezu allen anderen Vereinen in der Regionalliga Usus ist.
Nicht umsonst fängt der Jahn nach jedem Abstieg quasi wieder bei Null an. Nicht umsonst spielt man nach wie vor in einem 80 Jahre alten Stadion mit zum Teil maroder Infrastruktur. Geldwert umsetzen konnte man die sportlichen Erfolge beim SSV noch nie. Und das liegt sicher nicht daran, dass ein schlechterer Fußball in Regensburg gespielt wird, als in Mainz, Wehen oder Braunschweig, wo die Vereine nicht nur sportlich, sondern auch finanziell gesund sind. Der Rückhalt aus Politik und Wirtschaft für den Fußballverein fehlt. Stadionpläne gibt es in Wahlkampfzeiten. Weitergehendes Interesse zeigt die Regensburger Politik nicht. Die Sponsoren zahlen schleppend. Dafür gibt es jetzt die Ja(hn)sagern, von denen bislang keiner Bereitschaft für langfristiges finanzielles Engagement erkennen lässt, wenngleich die Sprüche blumig sind.
Mitte März muss die Lizenz für die kommende Saison beantragt werden. Dazu braucht es einen Finanzplan, der belegt, wo die rund 2,5 Millionen Euro Etat herkommen sollen. Dass man noch vor Abschluss der aktuellen Saison in derartigen Zahlungsschwierigkeiten steckt, macht nicht gerade Hoffnung, dass das gelingt.
Dass sich das auch auf den sportlichen Erfolg auswirken kann, steht zu befürchten. Vor dem Abstieg in die Bayernliga sah es zur Rückrunde gar nicht so schlecht aus. Dann holte man aus den ersten drei Spielen gegen Bayreuth, Eschborn und die 60er nur einen Punkt und stieg im Mai 2006 schließlich ab. Das ist auch in dieser Saison noch drin – zwischen Platz 4 und 14 liegen gerade mal acht Punkte. Man darf gespannt sein, wie es gegen Elversberg, Ingolstadt und Stuttgart läuft. Seit zwei Monaten ausstehende Gehälter sind nicht gerade ein Motivationsschub.
Ein klares Bekenntnis von Politik und Wirtschaft – das ein solches fehlt, kann man aktuell beobachten – zum SSV wäre vermutlich zielführender als die zu Wahlkampfzeiten immer wieder populistisch aufbereitete Stadiondebatte.