Der Rechtsanwalt des Jahres
Das Jahr 2015: Ausgewählte Aus- und Rückblicke unserer Redaktion. Heute: ein Mann mit Nerven.
Es hat sich Einiges getan im Bistum Regensburg im auslaufenden Jahr. Nach langem Verzögern, Verschleiern und Vertrösten hat das Bistum nun den Rechtsanwalt Ulrich Weber damit beauftragt, die bisherige diözesane „Aufarbeitung von Vorwürfen von sexuellem Missbrauch und Körperverletzung“ bei den „Domspatzen“ als „unabhängige Stelle kritisch prüfen“.
Eine Mammut-Aufgabe, von der abzuwarten bleibt, ob Weber ihr gewachsen sein wird, doch ein Fortschritt allemal. Der Auftrag an Weber ist eine Folge der jahrelangen Proteste von Betroffenen sexuellen Missbrauchs bei den Regensburger Domspatzen, die unterstützt von medialer Berichterstattung schließlich genügend öffentlichen Druck aufbauen konnten, um das Bistum zu diesem Schritt zu zwingen.
Zuvor hatte man sich noch anderer Rechtsanwälte bedient – zum Beispiel eines Geedo Paprotta. Der sah es offenbar als seine Aufgabe an, Betroffenen von sexuellem Missbrauch zu erklären, warum dies kein sexueller Missbrauch gewesen sei.
Paprotta, der sich auf seiner – mittlerweile stark überarbeiteten – Homepage mit John Wayne verglich und Nerven aus Stahl attestierte, war über die öffentliche Kritik, die ihm entgegenschlug, alles andere als erbaut. In einer Stellungnahme stilisierte er sich selbst zum Opfer, wusch seine Hände in Unschuld und watschte im Vorbeigehen noch einen der Betroffenen ab. Nicht nur dieser bezeichnete Paprottas Stellungnahme anschließend als „unfassbar“.
Anschließend wurde es zwar still um den Rechtsanwalt, doch mittlerweile „scheint Herr Paprotta wieder obenauf und macht weiter als wäre niemals etwas passiert“, teilte die Betroffenen-Initiative intern-at im Oktober mit. Das Bistum habe ihn „trotz einer Serie von Peinlichkeiten“ weiter mit der Aufgabe betraut, um Vorwürfe sexuellen Missbrauchs auf deren Plausibilität zu prüfen.
„Was das möglicherweise mit den Betroffenen macht, wenn er sie mit seinen juristischen Spitzfindigkeiten konfrontiert, scheint ihm egal zu sein. Und das bei formalen Fragen, die er ohne Not über das Bistum oder die Institutionen der Domspatzen klären könnte.“
Der Mann hat tatsächlich Nerven…
Angelika Oetken
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Warum sollten das Bistum Regensburg und seine Domspatzennetzwerker anders vorgehen als zum Beispiel die FIFA in ihrer jetzigen Situation? Oder der Daimler-Benz-Konzern, konfrontiert mit dem Vorwurf genauso wie die KollegInnen Käufer und Behörden besch…. zu haben? Strategie, Vorgehen, Phrasen… ziemlich ähnlich. Da wird ein Herr Blatter zum Opfer und Daimler verklagt eine NGO, weil sie Wahrheiten ausspricht. Wir haben es solchen Typen in der Vergangenheit zu leicht gemacht.
Wenn die Domspatzen und das Bistum sauber wären, dann hätte es den systematischen Missbrauch doch nie gegeben oder? Und was muss man für eine Mentalität haben, um für so eine Organisation zu arbeiten?
Lothgaßler
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Wenn schon einen “Rechtsanwalt des Jahres” küren, dann doch im positiven Sinne, und da gehört der da oben nicht dazu!
Der hier erwähnte Advokat mag seinen Job im Sinne des Klerus ja gut machen, steht aber meiner Meinung nach im Dienste keiner guten Sache. Er hat sich durch seinen Doku-Beitrag im Fernsehen und seiner Eigencharakterisierung im Internet selbst blamiert. Dafür ist ihm zu danken. Der verliehene Titel sollte also lauten “der sich selbst bloßstellende Kleriker-Advokat des Bistums Regensburg des Jahres 2015”.
Die Kleriker waschen sich mit dem Geld des erbosten Kirchenvolkes rein, das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Wir sollten nicht mehr von der “Kirche” sprechen, sondern vom Klerus. Was man dem Kirchenvolk vorwerfen muss ist, dass sie die Priesterkaste nicht zur Veranwortung zieht und eine unfaire Kirchenjustiz zulässt. Konsequenzen müssen letztlich nur jene Kleriker fürchten, die sich offen zu ihrem nicht strafbaren Liebesleben bekennen. Herrlich verlogen, ungerecht und unzeitgemäß, diese Kirchenustiz!
Kanonikus2L
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Ein gutes neues Jahr wünsche ich!
OMG, wieviel Spott und Häme schon wieder über RA Paprotta. Dabei hat er doch nur getan, was ihm aufgetragen wurde.
Mich schmerzt mehr, dass sich diejenige Person im Hintergrund hält, die in jeder Diözese das Sagen hat und als Hirte die Schäflein weiden soll.
Wie wäre es denn, wenn bei Konzernproblemen nicht der Manager, sondern immer nur Vorarbeiter zu Wort kommen würden?
Bitte einmal die in Sukzession bestimmte Person zu Wort, da es hier um die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der Kirche geht.
Schlimm genug, dass sich die Röm.-Kath. Kirche nachmittelalterlich von profanen Anwälten vertreten, profane Pressebeauftragte für sich sprechen läßt, aber dennoch Süden vergeben will ohne die eigenen Sünden zu bekennen.